Produit du terroir, grenzüberschreitend

Regionalfleisch

d'Lëtzebuerger Land vom 04.04.2001

In Luxemburg, wir wissen es, wird das Image vom Qualitäts-Rindfleisch aus heimischer Produktion gehegt und gepflegt. Natürlich: Der Rindfleischsektor ist nach der Milchproduktion die zweitwichtigste Agrarbranche im Lande, und dass es seit 1997 keinen zweiten BSE-Fall gab, ist beruhigend. Ein Problem allerdings besteht darin, dass nur rund 50 Prozent des verzehrten Rindfleischs aus einheimischer Herstellung stammen und nicht mal diese 50 Prozent während des gesamten Jahres zur Verfügung stehen. Es muss also auf Importe zurückgegriffen werden. Was wenigstens aus Konsumentensicht nicht per se ein Problem ist - wenn eine Qualitätskontrolle von der Ladentheke bis zum Bauernbetrieb über Landesgrenzen hinweg verallgemeinert würde. Von Biofleischimporten abgesehen, funktioniert dergleichen jedoch bislang erst mit dem von Cactus-Supermärkten und Herdbuchverband mit Betrieben in Lothringen eingeführten System, das im Großherzogtum den Mangel an Fleisch aus eigener Produktion kompensieren soll, der regelmäßig vor allem zwischen Ostern und Pfingsten auftritt.

Es sind wenigstens solche Mechanismen, die regional verstärkt Anwendung finden müssen. Angesichts der BSE- und Maul- und Klauenkrisen ist Rückbesinnung auf nationale Autarkie und deren Marketing zwar verständlich. Wenn EU-weit jedoch immer mehr Grenzen fallen, wirkt dergleichen schnell anachronistisch, und auch aus ökologischer Sicht ist es nicht verständlich, wieso ein in Lothringen geborenes und aufgewachsenes und in Esch/Luxemburg geschlachtetes Tier schlechter sein soll als ein im Ösling groß gewordenes: die Transportwege sind in etwa die gleichen. Dass man an solch überregionalem Denken nicht vorbeikommen wird, dafür sorgt schon die EU-Agenda 2000: ihren Vorschriften zufolge stehen für die in Luxemburg gehaltenen rund 27 000 Mutterkühe nur knapp 19 000 Mutterkuhprämien zur Verfügung, so dass die Haltung der 8 000 überzähligen Tiere sich eigentlich nicht rechnet.

Abhilfe schaffen könnte allenfalls eine viel stärkere Ökologisierung der Landwirtschaft, die neben Qualität auch Umweltverträglichkeit als Unternehmensziel stärker in die Betriebe trägt. Noch beispielsweise ist gegenüber dem Preis, den die Anschaffung mineralischer Dünger einen Agrarbetrieb kostet, die Beseitigung von Nitratrückständen im Grundwasser bis zu zwanzigmal teurer - bezahlt wird sie von der Allgemeinheit. So dass nicht nur um der Umwelt, auch um der Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen willen kein Weg vorbeiführt an einem Ökotaxensystem auf die agrarische Produktion. Zwar ist der Ansatz dazu europaweit bereits gegeben, hat die Agenda 2000 weitere Schritte in diese Richtung eingeleitet. Auf nationaler Ebene regelt alles Weitere das neu zu verabschiedende Agrargesetz. Das Gesetzesprojekt tiefgreifend zu diskutieren zu wollen, ist unter der Bauernverbänden derzeit nicht einheitlich populär - ist die Verabschiedung des Gesetzes doch längst überfällig, und vor dem Hintergrund der Fleischkrisen ist ein wenig mehr Sicherheit zusätzlich willkommen. Dennoch führt kein Weg an der Ökologisierung der Luxemburger Landwirtschaft vorbei, will man sie in ihrem Bestand sichern. Nachhaltig selbstredend. Ein Schulterschluss mit Produzenten und Vermarktern in der Grossregion muss ebenfalls her; Produit du terroir dürfte auf lange Sicht nur grenzübergreifend Zukunft haben. 

 

Peter Feist
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