Luxembourg City Film Festival

Die große Kinowelt – und Kanada – zu Gast in Luxemburg

d'Lëtzebuerger Land du 03.03.2023

Obwohl der Startschuss schon gestern Abend gefallen ist – François Ozon gebührte der Eröffnungs-Slot –, öffnet das Luxembourg City Film Festival erst heute dem breiten Publikum seine Türen. In den kommenden zehn Tagen, bis einschließlich Sonntag, den 12. März, bietet das LuxFilmFest einen subjektiven Überblick des weltweiten Filmschaffens an. Weltkino aus allen Herren Länder und die lokale (Ko-)Produktion reichen sich dabei die Hände. Trotzdem kann man so manches beobachten. Die luxemburgische Filmproduktion, der jedes Jahr ein nicht zu ignorierender Platz eingeräumt wird, scheint dieses Jahr nicht mehr ihr Dasein abseits vom Rest des Festivals zu fristen. Gleich drei Filme, die mit hiesigen Steuergeldern mitfinanziert wurden, haben es in den Wettbewerb geschafft.

Zwei Filme, die Animation und Murakami-Literaturverfilmung Saules aveugles, femme endormie von Pierre Földes und Los reyes del mundo der Filmemacherin Laura Mora, sind Koproduktionen. An ihnen lassen sich zwei Trends aus dem 13. LuxFilmFest ablesen. Vier von insgesamt neun Wettbewerbsbeiträgen kommen vom südamerikanischen Kontinent. Außerdem kommt Kino aus Kanada keineswegs zu kurz. Ob das mit dem 2021 unterzeichneten Koproduktionsabkommen zwischen beiden Ländern zusammenhängt – das Großherzogtum gab sich vor einigen Monaten mit 30 Vertretern der Filmbranche beim Cinemania Festival in Montréal die Ehre (d’Land, 11. November 2022) –, oder ob diese Filme aus hunderprozentiger Überzeugung ausgewählt wurden: Wir werden sehen. Der dritte luxemburgische Wettbewerbsfilm ist nicht nur lokal mitfinanziert, mit Laura Schroeder saß auch eine Luxemburgerin im Regiestuhl. Maret soll, so der künstlerische Direktor des festivals, Alexis Juncosa, während der Programmvorstellung letztes Jahr, mit einem Wettbewerbs-Slot bei der Berlinale geliebäugelt haben. Nun hat das Drama seine Weltpremiere zu Hause.

Wenn es auch lobenswert ist, dass das LuxFilmFest eine über die Jahre konsequent ausgewählte Dokumentarfilm-Sektion anbietet und dieses Jahr sieben Filme in dieser Kategorie, so bleibt es trotzdem bedauerlich, dass die Dokumentarfilm-Wettbewerbsbeiträge (bis auf eine Ausnahme) dem Publikum nur jeweils zweimal gezeigt werden. Die Spielfilme im Wettbewerb stehen dreimal auf dem Spielplan. Es sind diese kleinen Details, die den film de fiction und den documentaire nicht auf Augenhöhe gelangen lassen und voneinander scheiden. Obwohl in Berlin, wie auch schon in Venedig vergangenen September, Dokumentarfilme den Hautpreis gewannen. Gleichzeitig programmiert das Festival eine beträchtliche Zahl an Filmen – über drei Dutzend! – außerhalb des Wettbewerbs sowie als cartes blanches oder Kooperationen in Einmal-Vorführungen. Natürlich geht es bei Festivals um das Entdecken von Filmen. Die Verzichtskosten bei der Auswahl sind aber auch bei dem eigentlich gemütlich überschaubaren LuxFilmFest groß und frustrierend.

Fünf Empfehlungen des 13. Luxembourg City Film Festivals:

We Will Not Fade Away von Alisa Kovalenko

Von der Berlinale kommt der neue Film einer ukrainischen Dokumentaristin, die dem LuxFilmFest nicht unbekannt ist. Er zeichnet das Porträt einer Handvoll resilienter Jugendlicher im Donbass, die die Hoffnung nach einer besseren Zukunft nicht aufgeben wollen. Kovalenkos Arbeit ist eine der traurig-schönsten Filme seit Langem.

Kommunioun von Jacques Molitor

Molitor hatte die letzte Zeit genug um die Ohren. Nicht nur konszenierte er die Miniserie Coyotes, sondern arbeitete auch an seinem zweiten Spielfilm. Wie schon im Debüt Mammejong, steht auch jetzt eine Mutter-Sohn-Beziehung im Zentrum des Geschehens. Doch Mister Cinélunatique tritt nun in das ihm sehr bekannte Genrekino ein. Ein coming of age mit festem Biss.

De Humani Corporis Fabrica von Lucien Castaing-Taylor und Véréna Paravel

Einer der wenigen Filme, um die sich in Cannes vergangenes Jahr ein Mund-zu-Mund-Hype entwickelte. De Humani Corporis Fabrica wird dem Versprechen gerecht, das David Cronenberg machte: body horror. Wobei, von Horror kann nicht die Rede sein. Die beiden Regisseure tauchen mal mehr, mal weniger explizit in den menschlichen Körper ein und präsentieren Bilder, wie man sie noch nie gesehen hat.

Arnold is a Model Student von Sorayos Prapapan

Der Debütfilm des thailändischen Regisseurs legt sich mit dem Schulsystem an, das hier stellvertretend für das System Thailand insgesamt steht. Filmhistorisch kann eine Linie gezogen werden: von Jean Vigos Zéro de conduite, Truffauts 400 coups und if... von Linday Anderson – hin zum Modellschüler Arnold. The kids are alright. Es lebe der zivile und jugendliche Ungehorsam.

Leonor Will Never Die von Martika Ramirez Escobar

Spielberg, Mendes, Chazelle, nichts für ungut, aber bitte schert euch zum Teufel und macht Platz für die philippinische Regisseurin, die einen Liebesbrief an das Action-Kino schreibt, wie man es so nicht allzu oft sieht. Dabei fällt der titelgebenden Protagonistin ein Fernseher auf den Kopf, befördert sie in ein Koma und sie wird zur Action-Heldin ihres eigenen Drehbuchs.

Tom Dockal
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