LEITARTIKEL

Kampf um Abfall

d'Lëtzebuerger Land vom 25.06.2021

Am Freitag vergangener Woche traf Umweltministerin Carole Dieschbourg (Grüne) den Präsident der Valorlux ASBL. Um die „Beziehungen“ zwischen Valorlux und der Umweltverwaltung ging es da. Der Pressedienst der Regierung teilte anschließend mit, Valorlux und die Verwaltung würden „alles unternehmen, um die Ursachen ihrer Unstimmigkeiten aufzuklären“, die zu einer für die Ministerin denkbar schlechten Presse geführt hatten. Denn das Verhältnis zwischen Valorlux, dem staatlich beauftragten Sammeldienst für Verpackungsabfälle, und „seinen staatlichen Partnern“ sei „gut“.

Wenn dem so ist – umso besser. Im Umweltministerium wird offenbar gehofft, dass nun Schluss ist mit den Debatten um die Nicht-Mitgliedschaft der Moulins Dieschbourg bei Valorlux und ob das der Ministerin politisch angelastet werden kann. Denn alles, was bisher im Zusammenhang mit Valorlux und Verpackungsabfällen durch die Medien ging, war nur Vorspiel für eine politische Diskussion, die noch gar nicht begonnen hat, aber demnächst beginnen wird: Dieschbourg will ein ganzes Paket für einen anderen Umgang mit Abfällen durchbringen, fünf Gesetzentwürfe und drei Verordnungsentwürfe. Sie sagt, Luxemburg würde damit „Vorreiter in der Kreislaufwirtschaft“.

Doch „Vorreiter“ ist nur ein anderes Wort dafür, dass die neuen Regeln weiter reichen sollen als die EU-Richtlinien, auf denen sie basieren. Die Handelskammer hatte schon vor drei Monaten höflich, aber unzweideutig erklärt, was sie davon hält: Zusätzliche Zwänge für Luxemburger Betriebe seien schlecht für deren Wettbewerbsfähigkeit. Das gelte vor allem für das Gesetz zur Einschränkung von Einweg-Plastik. Aber zum Beispiel auch für das geplante Pfandsystem, das auf keinen Fall hinausgehen dürfe über das, was in den Nachbarländern gilt.

In solchen Aussagen steckt eine besondere politische Herausforderung: Es geht nicht allein um Luxemburger Unternehmen und Akteure. Wäre das der Fall, ließe sich um das Vorhaben „Kreislaufwirtschaft“ womöglich ein Konsens finden. Doch Abfallregeln betreffen nicht nur heimische Einzelhändler, Restaurantbetreiber mit Take-away oder Getränkehersteller, die in Plastikflaschen abfüllen. Sondern auch Großkonzerne, die auf Benelux-Ebene organisiert sind. Man sieht das an der Valorlux-Mitgliederliste: Dort stehen auch Cocacola, Pepsico und Schweppes, Lebensmittelkonzerne wie Unilever und Nestlé, das Kosmetikunternehmen Colgate-Palmolive und so ziemlich jeder, der im Erdölgeschäft Rang und Namen hat. Schickt in diesem Benelux-Kontext ein Staat sich an, cavalier seul zu spielen, löst das Gegenbewegungen aus.

Wie die beschaffen sein können, war vor einem knappen Vierteljahrhundert zu beobachten gewesen: Damals war Valorlux gegründet worden, um mit einer Sammelinitiative für Verpackungsabfälle, denen Unternehmen sich freiwillig anschließen würden, die Pläne für eine Verpackungstaxe anzugreifen. Der damalige LSAP-Umweltminister Johny Lahure wusste kaum, wie ihm geschah, so massiv und in ihrer Medienwirkung überaus effizient wurden die Attacken geführt. Als am Ende auch der OGBL gegen die Taxe war, weil sie „die Kaufkraft“ geschmälert hätte, waren für die LSAP Ökotaxen zum Unwort geworden und sollten es viele Jahre lang bleiben.

Deshalb ist es gar nicht unwahrscheinlich, dass die richtigen Kämpfe um die Abschaffung von Einweg-Plastik, um Pfandsysteme, um die Erweiterung der Abfallsammlung und die noch anderen Ansätze in dem Reformpaket der Umweltministerin noch gar nicht begonnen haben. Am Dienstag dieser Woche gab der Staatsrat seine Gutachten zu den Texten ab. So dass sich nun der parlamentarische Umweltausschuss damit befassen kann. Zu wünschen wäre, dass er sich auf starke neue Abfallregeln einigt. Um beim Plastik zu bleiben: Erdöl ist eigentlich viel zu schade, um daraus Verpackungen herzustellen.

Peter Feist
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