Frauen in der Armee

Frauen auf dem Herrenberg

d'Lëtzebuerger Land vom 09.07.2009

Die Armee wirbt das ganze Jahr durch mit Infoständen und Kinospots, doch die Porte ouverte ist ohne Zweifel der größte Aufwand, mit dem die Armee versucht, junge Menschen anzusprechen. Mit Erfolg, denn es fehlt kaum an Rekruten... männlichen Rekruten, versteht sich. Immer noch scheinen sich wenige Mädchen für eine Karriere beim Militär zu entscheiden. D‘Land hat weibliche Mitglieder in Diekirch getroffen und mit ihnen über Entscheidungen und Erwartungen gesprochen.

Die sportliche Herausforderungen und der Teamgeist waren einige der Gründe, wieso sich Capitaine Weinzaepfel nach ihrem Abitur für die Armee entschlossen hat. Die Herausforderungen ließen auch nicht lange auf sich warten. Während der Ausbildung an der Militärschule in Saint-Cyr in Frankreich fand es die Kapitänin schwierig, sich durchzusetzen. „Ich hatte immer das Gefühl, man würde auf mich schauen. Trotzdem habe ich mich immer akzeptiert gefühlt. Gekuckt wird, glaube ich, immer.“

Als sie dann 2003 ihre Arbeit auf dem Herrenberg in Diekirch anfing, waren die Verhältnisse ein wenig lockerer. „Als Frau muss man sich hier mehr beweisen als die männlichen Kollegen. Wenn man aber hart arbeitet und zeigt, dass man hier hingehört, ist alles kein Problem mehr. Ich habe hier nie das Gefühl gehabt, unerwünscht zu sein, weil ich eine Frau bin. Ich glaube auch, dass es bei den Leuten keinen Unterschied mehr macht, ob eine Frau oder ein Mann hier arbeitet”, sagt Capitaine Weinzaepfel.

Christina Tani, Chef Soldatin, ist 2007 der Armee beigetreten. Auch sie fand es schwierig, sich anfangs zu beweisen. „Man muss hier ständig zeigen, dass man das Gleiche kann wie die Kollegen.“ Dass es immer wieder zu „blöden Sprüchen“ kommt, stört sie jedoch nicht mehr. „Da stehen wir drüber. Man soll einfach zeigen, was man kann, und dann klappt das auch.“ Mit dem „dummen Geschwätz“ erforschten die Kollegen nur, „wie man reagiert“, und das hätte mit Frauenfeindlichkeit nichts zu tun. Necken sei generell unter Soldaten üblich, so Tani, die sich für eine Karriere beim Zollamt entschlossen hat. 

Obwohl die meisten Aufgaben für Frauen und Männer im Militär dieselben sind, gibt es gelegentlich Unterschiede. Christina Tani und Veronica Panetta (Letztere auch Chef Soldatin), sind sich einig, dass dies jedoch nichts mit Bevorteilung zu tun hat.  „Wenn es zum Beispiel darum geht, schwere Gegenstände zu heben, machen das die Männer, oder sie helfen uns dabei. Das passiert aber eben nur bei schwerer Arbeit. Bei allen andern Aufgaben machen wir das Gleiche wie unsere Kollegen,“ so Tani.

„Wenn man sich eine Arbeit aussucht, soll man sie auch richtig machen. Die Ausrede, dass man etwas nicht machen kann, weil man eine Frau ist, gilt nicht,“ so Capitaine Weinzaepfel. „Die Rucksäcke, die von allen getragen werden, haben das gleiche Gewicht, und da kann man nicht einfach etwas weglassen, mit dem Argument, es wäre zu schwer für eine Frau. Man soll zu der Wahl stehen, die man getroffen hat.“

Sie ist sich trotzdem bewusst, dass man als Frau bei sportlichen Aufgaben nicht immer mit vorne dabei sein kann. Dies war aber trotzdem kein Hindernis in ihrer Karriere. „Als Peloton-Chef der Grundausbildung bin ich nicht mit der ersten Gruppe, sondern mit der dritten mitgelaufen. So hat das ganz gut geklappt.“ 

Schon seit dreißig Jahren beweisen sich weibliche Soldaten in der luxemburgischen Armee. Von 200 Kandidatinnen schafften es 1979 nur 20 in die Hauptselektion, um somit einen dreijährigen Ausbildungsplatz bei der Polizei zu erlangen. Für die zehn Soldatinnen, die 1980 die Ausbildung auf dem Herrenberg antraten, wurde das Militär zum Sprungbrett für eine Karriere in der damaligen Gendarmerie.

Ein Gesetz aus dem Jahr 1986 ermöglicht es Frauen, Kader-Stellungen einzunehmen. Es handelte sich hierbei vorerst um die Positionen des Offiziers und des Unteroffiziers, für die sich die ersten Kandidatinnen im April 1987 meldeten. 1998 begann die erste Kandidatin zum Berufsoffizier ihre Ausbildung an der Militärschule von  Coëtquidan in Frankreich, zwei Jahre später trat eine weiter Frau eine Ausbildung als Offizierin an, dieses mal an der École royale militaire in Brüssel.

Heute sind von ungefähr 500 freiwilligen Soldaten nur 36 Frauen dabei. Auch in den Kader-Stellungen ist die Zahl der Frauen sehr gering: neben den 40 Kaporalen erfüllt nur eine Frau die gleiche Funktion; von den rund 70 Offizieren sind nur zwei Offizierinnen, und nur eine einzige Frau ist momentan Unteroffizierin unter 145 männlichen Kollegen. Bei diesen Zahlen ist die Militärmusik, die mehrere weibliche Mitglieder zählt, nicht inbegriffen.

Wieso Frauen in der Armee so spärlich vertreten sind, ist schwer einzuschätzen. Dies liege aber nicht am Militär selbst, da es an Werbekampagnen nicht fehle, erklärt Leutnant Nadine Thinnes. „Die Armee macht seit ein paar Jahren Werbung in Schulen, Supermärkten und auf der Studentenmesse. Ausserdem kann sich jeder leicht Information beschaffen, auch wenn die Kampagne nicht unbedingt gezielt auf Frauen abgestimmt ist.“ Haben vielleicht manche Angst vor der Herausforderung? „Es ist klar, dass das Training anspruchsvoll ist; es wird schon viel gefordert. Vielleicht unterschätzen sich aber auch viele Mädchen“, so Thinnes.Tatsächlich werden viele von den Soldatinnen in der Grundausbildung überrascht, aber nicht nur wegen des anspruchsvollen Trainings.

„Ich hatte keine Ahnung, was auf mich zu kommen würde. Ich wurde sozusagen ins kalte Wasser geworfen“, errinnert sich Cristina. Bei der Frage, ob es denn hart gewesen sei am Anfang, nickt sie lächelnd. „Das erste, was man in der Armee kennenlernt, sind seine Grenzen. Ich fand es am Anfang sehr anstrengend.“ Désirée Weigel, die in dem Büro der A-Kompanie arbeitet, war eher über den Umgang mit dem Kader überrascht. „Ich hatte mir Kader strenger vorgestellt. Überhaupt hatte ich mir alles schlimmer vorgestellt“, so die Soldatin, die als Büroangestellte arbeitete, bevor sie die Grundausbildung anfing. Die Chancen auf einen festen Arbeitsplatz war einer der Gründe, wieso sie sich für die Armee entschied. „Man kann erst wissen, wie es ist, wenn man hier war. Es ist schwer, sich vorher etwas vorzustellen“, sagt Soldatin Schram, die im August die Basisausbildung abschließen wird. Sie will nachher das Examen zum Schulinspektor machen.

Simone Haan ist eine der 34 Soldaten, die seit der Armeereform von 1997 als Elitesportler in der Armee aufgenommen wurden. Die Tischtennisspielerin war vorerst skeptisch, als ihr Trainer ihr die  Section de sports d‘élite de l‘armée (SSEA) vorschlug. „Ich hatte die Armee immer mit Krieg verbunden. Doch ich habe schnell gemerkt, dass diese sie sich genau für das Gegenteil einsetzt.“ Die Sportlerin, die jetzt Soldatin erster Klasse ist, konzentriert sich nun auf ihre Karriere als Profi-Tischtennisspielerin: Bis ende 2010 muss sie es in die Rangliste der 250 Weltbesten schaffen. 

Als Elitesportlerin hatte sie vor den physischen Aufgaben weniger Angst. „Ich wusste, dass ich die vier Monate der Grundausbildung überstehen würde, doch ich hätte nie gedacht, dass es mir so viel Spass machen würde.“ Ob sie die Bedingungen des Elitesportler erfüllen wird oder nicht, Simone Haan schließt eine weitere Karriere bei beim Militär nicht aus.

Dass sie zur Armee gehen würde, war für die Soldatin Jennifer M‘Putu seit langem sicher: „Ich wollte schon von klein auf Soldat werden. Sogar meine Mutter sagte, dass dies zu mir passen würde.“ Seit kurzem wurde sie in die Unités de disponibilité opérationnelle (UDO) aufgenommen; eine Einheit, der nur Soldaten beitreten, die an Auslandseinheiten teilnehmen wollen. M‘Putu, die sich für die Kosovo-Truppe (Kfor) gemeldet hat, ist nun eine von 29 Soldaten, die hoffen, für eine Mission selektioniert zu werden. Sie will später als Polizeibeamtin arbeiten. Auch für Sabrina Muller, einziger weiblicher Caporal de carrière, sind Missionen wichtig. Im Kosovo konnte sie „das Land und die Leute“ kennenlernen, im Afghanistan war dies schwieriger, da das luxemburgische Truppenkontingent auf dem Flughafen in Kabul stationiert ist. Die Berufssoldatin hofft, wieder auf der Liste für die nächste Auslandsmission zu stehen.

Bei dem Besuch in der Caserne Grand-Duc Jean ist also schnell klar, dass Frauen ihren männlichen Kollegen in nichts nachstehen, und auch viele verschiedene Rollen übernehmen. Spaß scheinen alle zu haben. „Ich bin glücklich hier, keine andere Arbeit könnte mich so erfüllen wie diese“, verrät Capitaine Weinzaepfel. Auch Simone Haan bereut ihre Entscheidung nicht: „Die Armee ermöglicht es mir, das zu machen, was ich am liebsten mache und dabei auf eigenen Füßen zu stehen.“  Soldatin Schram betont, dass sie ihre Entscheidung auf keinen Fall bereut, obwohl sie erst zwei Monate Grundausbildung hinter sich hat. „Es lohnt sich, auf die Zähne zu beißen und weiter zu machen.“ 

Alle anderen Frauen sagten sich eben­falls begeistert von dem gewählten Weg, so dass die Armee wohl nur für die wenigen Frauen in Frage kommt, die sich nicht davor fürchten, sich täglich zu beweisen. Werbekampagnen mögen daran vorerst nichts ändern.

Claire Barthelemy
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