Anders, Richard: Mit Gita in Indien

Literatur, die anmacht

d'Lëtzebuerger Land vom 09.03.2006

Der schreibwütige Richard Anders, Surrealist, lebt als freier Schriftsteller in Berlin. Seine Werkstitel sprechen für sich: Marihuana Hypnagogica (2003) oder Fußspuren eines Nichtaufgetretenen (1996). Beim luxemburgischen Verlag Kairos wurde er erstmals 2004 verlegt mit Klackamusa: zwischen preussischer Kindheit und Surrealismus. Nun folgt seine Erzählung Mit Gita in Indien. Anders schreibt in dichtem, aber leicht lesbarem Stil. Seine Zeilen kann man dennoch manchmal zweimal lesen. Vermischt sich dies doch mit heftiger Romantik, mit sehnsüchtigen Gefühlen und einem ansteckenden Witz. Anders' Schreibstil wirkt sehr erotisch, er hat eine legere Art, die Dinge zu beschreiben. Die Erzählung liest sich in einem Zug. Die Geschichte fesselt. Beschreibungen wechseln sich harmonisch mit Dialogen und Gedankenmonologen ab. Es liegt durchaus nahe, dass der Erzähler sich mit seinem Protagonisten Robert identifiziert. Die Erzählung duftet nach herber Männlichkeit, ist dennoch beseelt. Auf der Reise zu einem indischen Ashram lernen wir Robert kennen. Er ist verliebt in Gita, die mit ihm fliegt. Einer ganzen Menge Eindrücken, eben Indien, sind die Leser ausgesetzt. Gitas Ziel ist der Ashram, Roberts Ziel ist Gita. Überhaupt hat Anders Sinn für Humor. So lässt er den Tempel des Avatar Robert an eine Sahnetorte erinnern. Robert schreibt dem Avatar einen kindischen Wunschbrief und findet im übrigen, dass dieser sein Konkurrent sei. Er macht im Ashram eine Lichterfahrung, die ihn an einen früheren LSD-Trip erinnert. Er bleibt dem Ashram-Getue gegenüber durchaus kritisch und distanziert eingestellt. Robert träumt, er würde sich in einen Hund verwandeln, das Gleiche vom Avatar. Als auch noch ein Hund tags drauf das Wort Tantra  in den Sand gräbt, meint Robert, nun definitiv wahnsinnig zu werden. Der Avatar rät Robert in einem Einzelgespräch, nicht mehr zu heiraten, und vor seinen Augen verwandelt der sich in einen Hund und sagt: Ehe heißt auf vier Beinen gehen, allein auf zwei Beinen geht man besser. Der Traum ward entschlüsselt! Robert versteht es so: in der Ehe kommt man auf den Hund! Auf einer Tafel im Ashram heißt es: Kama wurde von Shiva zur Asche verbrannt. Auch Kali, die Göttin des Todes, wurde von Shiva in die Knie gezwungen. So muss man sich Shiva also unterwerfen ... Robert empfindet alsbald Qualen im Ashram. Er reist mit Hans ab und sieht Gita in einem Bus zum allerletzten Mal. Er fährt zur Krishnamurti Foundation und hört diesen Meister reden. Bei einer Ayurveda-Massage hat Robert eine Ejakulation, und im Hotel bekommt er fast sein ganzes Geld geklaut, doch kann er sich trotz allem im Museum an einer Shiva-Statue ergötzen. Zurück in Berlin macht er Gita einen Heiratsantrag ... Und er schreibt einen Indien-Roman. Richard Anders wendet die Methode des automatischen Schreibens an. Er pendelt zwischen Idealismus und Realismus. Seine Geschichte holt in weitem Maße erzählerisch aus, ohne jedoch den Fuß vom Boden zu verlieren. Allenfalls könnte man dem Schriftsteller eine kleine romantische Ader nachsagen, denn Mit Gita in Indien.ist trotz eines weiten Spannungsbogens eine Geschichte um die Liebe. Die Erzählung bietet reichlich Atmosphäre, die Beschreibungen der Orte und Situationen sind zugespitzt exakt.

Richard Anders: Mit Gita in Indien;  Kairos Edition 2005; Herstellung: Books on Demand, Norderstedt; 92 Seiten; 12,50 Euro; ISBN. 2-9599829-4-0.

 

Carmen Heyar
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