General Steve Thull wünscht sich eine „resilientere“ Bevölkerung. Sagte er am Montag in einem RTL-Interview. Eine Bevölkerung, „die nicht resigniert und wegläuft“, wenn die Armee mit der Verteidigung des Landes zu tun hat, sondern „die Armee unterstützt“.
Was genau der Chef des Generalstabs damit meint, blieb unklar. Sollen es Bürger/innen sein, die schießen und treffen können, eine Art Heimatschutz? Oder eine Reserve der Armee? Oder reicht es schon, wenn die Leute wissen, wie sie sich verhalten sollen, wenn Strom und Wasser für längere Zeit ausfallen, und zu diesem Zweck „Bichelcher“ an sie zu verteilen, wie die RTL-Moderatorin suggerierte, weil das derzeit in Schweden und in Finnland geschieht? Thull fand solche „Bichelcher“ gut, für „Krisen“ jeder Art. Irgendwann aber kam das Interview bei der Wehrpflicht an. Zu der DP-Verteidigungsministerin Yuriko Backes in den letzten Monaten ein paar Mal erklärt hat, an der „Diskussion“ werde Luxemburg nicht vorbeikommen. Aber stets fügte sie schnell hinzu, die 1967 abgeschaffte Wehrpflicht wieder einzuführen, „steet net am Koalitiounsaccord“. Für Steve Thull wäre ein obligatorischer Militärdienst ein Beitrag zu mehr „Resilienz“. Das sei aber eine politische Frage.
Was natürlich stimmt. Dass die Politik die Diskussion darüber vermeiden wird, solange das geht, ist sicher. Backes’ seltsame Äußerungen sollen das Thema aktuell halten, falls Luxemburg durch äußere Umstände gezwungen würde, sich damit zu befassen. Der General folgte dieser Linie am Montag. Resilienz aber meint noch etwas anderes. Zum Beispiel wird seit zwei Jahren überlegt, wie die Gemeinden resilienter werden können – in der Wasserversorgung, der Abwasserbehandlung und in der Wärmeversorgung, sofern Letztere kommunal existiert. Das reicht hinein in den Katastrophen- und Zivilschutz. Den es in Luxemburg nicht wirklich gibt. In Friedenszeiten hat die Armee dabei eine große Rolle zu spielen. Doch falls sie mit Verteidigung beschäftigt wäre – wer macht das dann?
Sieht man Resilienz so, wird sie zur Querschnittsaufgabe für die Gesellschaft. Dann geht es darum, lebenswichtige Funktionen unter erschwerten Bedingungen aufrecht zu erhalten. Nicht nur in einem Krieg schlimmstenfalls, sondern auch bei einem groß angelegten Cyber-Angriff. Oder einem Hochwasser, das nicht nach ein paar Tagen abklingt. Dann müssen Strom- und Wasserversorgung funktionieren, die Versorgung mit Lebensmitteln, das Internet, Banktransaktionen, das Gesundheitswesen. Die Wirtschaft muss arbeiten können, so gut es geht. Die Liste ließe sich fortsetzen. Sowas ist Zivilschutz.
Im Hochkommissariat für Nationale Sicherheit (HCPN) gibt es dafür Planspiele. Das muss so sein. Im HCPN sitzen kompetente Leute. Doch das Hochkommissariat hat keine Weisungsbefugnis. Es könnte nicht Polizei und CGDIS zum Zivilschutz koordinieren. In Luxemburg koordiniert jedes Korps sich selber. Und selbst wenn das HCPN koordinieren könnte: Die Polizei hat eigentlich andere Aufgaben. Das CGDIS auch; es ist in erster Linie eine Feuerwehr. Zivilschutz würde neben klaren Missionen und Zuständigkeiten auch Personal benötigen. Das, wenn es sein muss, seinen Aufgaben monatelang nachkommen kann.
Dass die Wehrpflicht nicht im Koalitionsvertrag der Regierung steht, ist unwichtig. Dass auch der Katastrophen- und Zivilschutz mit keinem Wort erwähnt wird, ist beunruhigend. Die Wehrpflicht muss man nicht diskutieren. Es gibt andere Wege, die Personalprobleme der Armee zu verringern, etwa durch eine Reserve. Den Zivilschutz nicht zu diskutieren, wäre dagegen grob fahrlässig.
Diese Diskussion müsste sich auch der Personalfrage stellen. Würde für den Zivilschutz zusätzliches Personal benötigt, was wahrscheinlich ist, käme dafür dasselbe Reservoir infrage wie für Armee, Polizei, Zoll und CGDIS. Was problematisch wäre. Vielleicht wäre am Ende ein Pflicht-Zivilschutzdienst eine bessere Idee als eine Wehrpflicht, deren bloße Diskussion sich schon niemand politisch zutraut.