Früher war immer alles besser

Degeneration Y

d'Lëtzebuerger Land du 12.08.2016

Es ist wieder eine neue Degeneration am Markt, sie heißt Why, anscheinend fragen sie so viel. Was ja eigentlich nicht überraschend ist, so etwas kann nur Menschen überraschen, die in Universitätsgehegen Einfälle züchten. Banale Wesen wie Mütter oder, pardon, Elternteile, beziehungsweise Bildungspartner wissen das schon längst. Schon die kleinen Nean-derthalerinnen nervten ihre Älteren, es musste doch noch etwas Anderes geben als das Schaben mit dem Hirschknochenmesser.

Diese Y-ler haben jede Menge seltsamer Fähigkeiten und Sitten auf Lager, die sie angeblich von ihren Vorfahr_innen abgrenzen. So sind sie scharf auf Selbstverwirklichung, sie suchen nach dem Sinn, nicht nur nach dem Pokemon. Die Pokemon-Jagd ist nur ein zwangloser Abstecher ins Virtuelle, ihr eigentliches Element. Mittdreißiger_innen, die auf der Suche nach virtuellen Kuschelmonstern, auf der Suche nach der Kindheit durch die Realität stolpern, was haben ihre Vorgänger_innen falsch gemacht?

Unterstützt werden sie dabei von der Next generation, den frisch gebackenen Z-lern.Von den Degenerationen davor wird dies mit dem hilflos-verdammenden Blick der Nullcheckerinnen bedacht. Was genau diese vermutlich von der Kommandozentrale des Kapitals Getriebenen da treiben, durchschauen sie nicht. Irgendwie fangen die da irgendwas, was es nicht gibt, laufen einer Chimäre nach, einer infantilen. Wir haben Sylvia-Romane ausgetauscht! Und dann Gras, das waren keine Traumwelten. Wir wollten die Welt verbessern, es ist uns zugegeben nicht gelungen. Es gibt LBGT, wenigstens das, Love hat also ein bisschen zugelegt, die steinernen Ehepaare, die wie Verdammte Seite an Seite dem Untergang entgegen stolzierten, kann man im Kunstmuseum bewundern. Nur mit dem Peace hapert es noch, alles kann eine Degeneration ja nicht schultern.

Die Alt-Achtundsechziger_innen, das waren noch Kaliber! Davor gab es eine Generation, die nichts Besseres zu tun hatte, als im Krieg zu fallen, und falls nicht, zu rackern und ihren Nachkommen ordentlich was zu vererben, so spießig waren die noch, einfallslose Häuser zu bauen, in denen sie einfallslos lebten. Dann kamen die legendären Achtundsechziger, die sehr bald aufs Altenteil geschickt wurden, von herzlosen Nachfolgern, primitiven Punks, No futures, dann von der Degeneration X mit ihrem pseudointellektuellen Geschwafel; ich glaube sie nannten es popkulturell. Eine Degeneration verachtete die nächste und die vorhergehende, darin waren sich seit Menschengedenken alle wunderbar einig.

Die Achtundsechziger flechten sich noch immer ihre Blumenkinderkränze. Veteran_innen pflegen ihre Mythen und Legenden, all die Opiumkriege, die Grenzen, die sie überschritten. All die Knäste und Gelbsüchte, da bleiben diese fern gesteuerten Pokemonkeys hoffnungslos auf der Strecke. Trampen nach Afghanistan! Egotaktiker, schwärmen hingegen Generationsforscher, die schnell mal eine Start-up gründen, dauernd mobil kommunizieren, dann etwas occupyen. Nicht ohne Baby im Tragetuch, auch wenn ihnen Gestrüpp am Kinn sprießt. Hipsters, sagte man mal. Die Generation Y tendiere zum Neo-Biedermeier, liest die geistig mobile Fossilfrau, zunehmend verwirrt. Steckt man die Kids nicht schon seit Dekaden immer wieder ins uncoole Neo-Biedermeier? Cocooning hieß das in den Neunzigern. Sie würden sich, o Frevel!, daheim einigeln und sich die Pizza an die Couch bestellen.Welch ein Degenerationenkuddelmuddel, wer ist jetzt wie, und warum, und wer sind die Besten? Hippies, Yippies, Generation Golf, Y, dann Z, Z wie Zeitenende?

Alles reine Fiktion, kontern kritische Jungemenschenforscher, Konstrukte von Generationenexpert_innen, die angeheuert werden, um mit tollen Begriffen gespickte Studien für Marketing-Institute zu zimmern. Labels, die sich gut verkaufen lassen. Über Menschen, die sich allerhand verkaufen lassen. Oder sich wenigstens kaufen lassen. Studien, die auf Campussen und in Bobo-Reservaten erstellt werden, die dicken Jungs und Mädchen, die vor den Einkaufszentren hocken, werden eher nicht gefragt. Sie sind ja auch nicht so gefragt. Es geht auch unkompliziert. Es gibt sie nämlich wirklich, diese jungen Menschen. Sie sind mitten unter uns. Man kann mit ihnen Kontakt aufnehmen. Nicht nur virtuell.

Michèle Thoma
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