Schulentwicklung

Schule von morgen

d'Lëtzebuerger Land vom 29.09.2005

Die Bildungsforschung kommt in Gang. Gleich zwei Großprojekte an der sozialwissenschaftlichen Fakultät auf dem Campus Walferdingen beschäftigen sich mit der Zukunft des luxemburgischen Schulsystems. In La place de l’école dans la société luxembourgoise de demain wollen Wissenschaftler prospektiv Szenarien aufweisen, wie sich Luxemburgs Schulen sinnvoll entwickeln könnten. Dafür werten die Forscher bereits vorhandenes Datenmaterial (Pisa) aus und vergleichen dieses mit Schulsystemen anderer Länder, die Ähnlichkeiten mit dem luxemburgischen haben. Im Mittelpunkt stehen Aspekte wie soziokulturelle Heterogenität, sozioökonomische sowie linguistische Faktoren. Gespräche mit den Schulpartnern (Eltern, Lehrern, Schüler, Schulleitungen, Gewerkschaften) sollen zudem zeigen, wie diese bestimmte Entwicklungen bewerten. Besonders interessant dürften die Umfrageergebnisse der Eltern sein – die Datenlage über diese Gruppe ist bisher dürftig. Ein erstes Zwischenfazit des 500 000 Euro teuren Forschungsvorhabens soll im Laufe des nächsten Jahres gezogen werden, allerdings werden die Resultate der Elternumfrage bis dahin voraussichtlich noch nicht vorliegen. Ein anderes Projekt dürfte ebenfalls für Diskussionen bei den Schulpartnern sorgen. Die Forschungsgruppe Emacs (eduational measurement and applied cognitive science) entwickelt gemeinsam mit Wissenschaftlern des Forschungszentrums Henri Tudor ein Monitoringprogramm für Luxemburgs Schulen. Ziel ist es, Messinstrumente zu entwickeln, mit deren Hilfe qualitative Schulentwicklungen nachvollzogen werden können. "Das Monitoring zeigt uns, ob wir Bildungsziele, die wir uns setzen, auch erreichen", sagt Romain Martin, Emacs-Forscher am Campus Walferdingen. Luxemburg folgt einen internationalen Trend: weg von Input-orientierten hin zu Output-orientierten Schulsystemen. Statt rigider Programmvorgaben bekommen Schulen zunehmend Autonomie und Planungsfreiheit zugestanden; dafür müssen sie aber verstärkt Rechenschaft über die Qualität und Effizienz ihrer Arbeit abgeben. Bei einem solchen Ansatz werden Leistungsschwächen nicht mehr in erster Linie dem Schüler zugeschrieben: Es sind die Schulen, das Schulsystem an sich, dessen Eigenarten, Probleme und Defizite in den Fokus kommen. Auch der Schulleistungsvergleich wird dann nicht länger tabu sein, sondern eine konstruktive Hilfe, um vorhandene Schwächen auszubessern. Bis es soweit ist, müssen die Forscher aber noch an den Instrumenten feilen, die - eine weitere Neuerung - künftig „technology-based“ sein werden, also weg von Zettel-und-Bleistift-Methoden hin zur informatikbezogenen Erfassung und Auswertung. Luxemburg könnte hier sogar eine internationale Vorreiterrolle spielen, denn hiesige Schulen sind im Gegensatz zu denen vieler anderer Länder relativ gut mit „Neuen Medien“ ausgestattet.

Ines Kurschat
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