Notizen zu Ohnmacht und Gegenwehr

Wer bändigt die tollwütigen Barbaren?

d'Lëtzebuerger Land vom 14.03.2025

Ja, es ist immer wieder schön, wenn wir unseren Blick über den großen Teich richten und mit aller Macht aufbegehren gegen den Brandstifter im Weißen Haus. Doch was heißt schon „mit aller Macht“? Was sollen wir einem Barbaren entgegensetzen, der sich vorgenommen hat, alle staatlichen Strukturen und alle demokratischen Gepflogenheiten zu zerschlagen? Entsetzen, Fassungslosigkeit, Bestürzung, Ekel, Abscheu, Empörung und andere Gefühlsregungen laufen ins Leere. Wir können auf kraftvolle symbolische Rhetorik vertrauen und unseren Unmut spektakulär artikulieren. Damit entlasten wir immerhin unser Gewissen. Wir sind die Guten, die dem Bösen mit großer Geste am Zeug flicken. Das ist zwar eine Art psycho-hygienische Selbstschutzübung, ändert aber rein gar nichts. Der übergeschnappte Präsident quittiert ein derart hilfloses Protestgehabe ohnehin mit Hohngelächter. Er hat die Macht, wir haben das Nachsehen.

Gegen Trumps zerstörerische Hemmungslosigkeit ist kein Kraut gewachsen. Nichts hilft. Weder Wehklagen noch Hoffen auf bessere Zeiten. Alle Gewissheiten sind zertrümmert, alle Sicherheiten ruiniert. Alles Undenkbare ist plötzlich denkbar geworden. Die Anschläge von Trumps Clique auf die Kernbereiche der Demokratie sind so massiv und heimtückisch, dass sie alle Vorstellungskraft überfordern. Angesichts der Brutalität, mit der Trump im Eiltempo sein katastrophales Programm abwickelt, stehen wir mit dem Rücken zur Wand. Die Vehemenz dieser gehäuften Übergriffe verschlägt uns die Sprache. Es bleibt das entmutigende Gefühl, dass wir mit unserem Latein am Ende sind. Woran sollen wir uns noch festhalten? Wie kommen wir aus der anhaltenden Schockstarre heraus? Abschalten, aussteigen, abtauchen in die private Abgeschiedenheit? Ein Holzweg, denn Trumps Gewalttätigkeit wird auf allen Ebenen Folgen haben und uns bis in den letzten häuslichen Winkel heimsuchen. Trost suchen bei Menschen, die nachdenken, nuancieren, Tiefen ausloten und gründlich recherchieren? Eine Illusion, denn Trump wirft nicht nur alle wissenschaftlichen Kategorien über Bord, er entwertet auch die Sprache, die noch ein Mindestmaß an Kommunikation erlaubt hätte. Je treffender und gründlicher die Analysen von Journalisten oder Forschern, umso dummdreister und gröber die primitive Gegenrede von Trump. Wie sollen wir gegen diese gezielte Barbarei ankämpfen?

Bevor wir mit dem erhobenen Zeigefinger hantieren, sollten wir aber auch vor der eigenen Haustür kehren. Wie steht es mit der Demokratie in Luxemburg? Wie beispielhaft sind wir aufgestellt? Taugt unser Land überhaupt zum freiheitlichen Ideengeber? Es kann ja nicht nur darum gehen, uns jetzt mit Wucht dem weltweiten Säbelrasseln anzuschließen. Demokratie verteidigen heißt, die fundamentalen Bürgerfreiheiten permanent zu schützen. Wie lautet unsere Bilanz? Vielleicht helfen uns ja unsere eigenen Repräsentanten, die amtlichen Hüter unseres hausgemachten demokratischen Gemeinwesens. Was sagt CEO Frieden zum durchgeknallten US-Diktator? Sein Statement ist an Kühnheit kaum zu übertreffen: „Wer den Handelskrieg will, wird ihn bekommen.“ In einer Tierfabel wäre Frieden die Ameise, die den wütenden Ameisenbär warnt: „Wenn du es wagst, auch nur die Spitze deiner rüsselförmigen Schnauze in meinen Ameisenbau zu stecken, wirst du dein blaues Wunder erleben!“ Der Ameisenbär wird wohl mit einem Lachkrampf antworten. So kommen wir nicht aus der Bredouille. Ein lautstarker, aufgeplusterter Gernegroß auf Stelzen ist immer noch ein Gernegroß. Hat der CEO außer seinen hohlen Sprüchen wenigstens eine staatspolitische Alternative zum amerikanischen Schlamassel aufzuweisen?

Leider nein. Friedens Rettungsrezept für Luxemburg ist umwerfend simpel. Er setzt auf die Bereitschaft seiner Landsleute, ergebungsvoller, zielstrebiger und breitenwirksamer ihre Konsumentenpflichten wahrzunehmen. Der Trugschluss lautet: Wenn massiver konsumiert wird, kann sich der Handel entfalten und die Wirtschaft wachsen. Von welcher Wirtschaft ist hier die Rede? Einer, die sich weiterhin vom Raubbau an den natürlichen Ressourcen nährt? Bei gleichzeitiger Zerstörung der Lebensräume und Ausblutung der Umwelt? Wer es wagt, für ein Gegenmodell zu plädieren – Abschied vom verheerenden Mythos des ständigen Wachstums, Einschränkung der hohen Komfortansprüche, Einübung in Verzicht und Bescheidenheit –, wird gleich als Blasphemiker und wirtschaftspolitischer Störenfried gebrandmarkt. Friedens Mantra steht nicht zur Disposition: Kauft euch tot, Leute, lieber ein freudiger Exitus im Kaufhaus, als ein tristes Hinscheiden in einem ökonomisch verschlankten Umfeld.

So abstrus und verantwortungslos kann nur ein Hasardeur räsonieren, der zu viel Zeit in einem sauerstoffarmen Londoner Finanzbunker verbracht hat. Seine Devise heißt: Augen zu und durch. Wir Bürger sollen maß- und sinnlos alles verbrauchen, was überhaupt nicht gebraucht wird. Nur damit die Wirtschaft floriert. Der besinnungslose Konsument ist Friedens liebster Helfershelfer. Vielleicht werden wir demnächst in die Einkaufszentren hineingeprügelt. Am besten bei Tag und Nacht. Die Grundlagen werden ja soeben mit dem Brecheisen herbeiforciert: erweiterte Öffnungszeiten in den Konsumtempeln, künstliche Anreize zum ungebremsten Kaufrausch. Wer nicht konsumiert, steht fast schon im Ruch der Staatsfeindlichkeit. Wie Friedens CSV-Staat mit jenen verfährt, die gar nicht locker und lässig konsumieren können, weil sie unter der Armutsgrenze leben müssen, zeigt sich am Beispiel der Bettler und Obdachlosen. Sie werden eingeschüchtert und vertrieben, weil sie das Bild der intakten, stets kaufbesessenen Konsumentennation empfindlich stören. Doch beim Human Rights Council in Genf, am 26. Februar 2025, flötet CEO Frieden: „Dignitéit, Solidaritéit a Gläichheet vu Mënsche sinn net verhandelbar.“ Und noch pathetischer: „Le Luxembourg sera toujours du côté de ceux qui se battent pour la liberté, la démocratie et les droits fondamentaux inscrits dans les pactes internationaux des droits.“  Wie schön! Die Ärmsten der Armen in Luxemburg werden solch hochtönende Bekenntnisse ganz sicher mit donnerndem Beifall belohnen.

Bevor wir völlig ernüchtert „d‘Bengele bei d‘Tromm geheien“, sollten wir uns vielleicht ein paar wilde Träume leisten. Zum Beispiel diesen: Trumps bevorzugter Haudegen Elon Musk erfüllt sich seinen sehnlichsten Wunsch, die Kolonisierung des Planeten Mars. Er schießt sich also mitsamt seinem schillernden Gefolge hinauf ins All, am besten auf Nimmerwiedersehen. Eine triumphalere Karriere kann man sich nicht ausmalen: Vom Usurpator Mundi zum konkurrenzlosen Imperator Stellarum. Wir hätten ein paar Vorschläge für die Besetzung von Musks Schlüsselpositionen auf dem Mars. Er braucht unbedingt einen grandiosen und zugleich kaltblütigen Finanzminister. Denn auch auf dem fernen Stern wird sich alles ums Geld drehen. CEO Frieden könnte sich als wandelnder Banksafe bewähren. Worauf warten Sie, Herr Musk? Frieden einkaufen (Sie bekommen ihn zum Schleuderpreis), in die Mars-Corona verfrachten und ab mit dem Raumschiff in kosmische Gefilde!

Astronomen zufolge herrschen auf dem Mars Temperaturen von minus 68 Grad Celsius im Jahresdurchschnitt. Ein geradezu ideales Ambiente für all unsere CSV-DP-Marktschreier der sozialen Kälte und der eisigen Unmenschlichkeit. Packen Sie die Gelegenheit beim Schopf, Frau Polfer, Herr Hahn, Herr Gloden. In der Gefriertruhe namens Mars können Sie Ihr politisches Naturell voll entfalten. Und „Sozialtourismus“ (Achtung, Unwort des Jahres 2013 in Deutschland), wie ihn Herr Hahn hienieden zufluchtssuchenden Obdachlosen unterstellt, ist auf dem Mars garantiert nicht zu befürchten. Der übereifrige Kollege Gloden muss nur wachsam darauf achten, ob nicht doch unverschämte Parasiten von anderen Planeten in fliegenden schwarzen Limousinen plötzlich auf dem Mars landen wollen. Und jetzt? Uns bleibt nur, mit Bertolt Brecht zu klagen: Der Vorhang zu und alle Fragen offen.

Guy Rewenig
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