Theater

„Krieg den Palästen!”

d'Lëtzebuerger Land vom 06.07.2012

Im Jahre 2012 ein 90-minütiges Plädoyer gegen monarchistische Reststrukturen nach dem Muster der „Royals“ oder „Haffs“ zu halten, ist weder interessant noch originell. So war zu befürchten, dass sich Regisseur Claude Mangen in gemeinsamer Arbeit mit Autor Mars Klein und Rudi Schubert am Klavier auf einen x-ten banalen Verriss der großherzoglichen Familiensoap einlassen würde. Auch der etwas flapsige Schlagreim Adel braucht Tadel musste als Titel herhalten und erinnerte eher an so manchen Text schlichter Revue-Sketche.
Doch weit gefehlt! Mars Klein, der sich seit Jahrzehnten mit luxemburgischer Kulturgeschichte und Gesellschaft auseinandersetzt, und der landesweit bekannte Regisseur Claude Mangen, haben die Texte ausgewählt. Die Selektion erlaubt einen breiten Einblick in die deutsche und luxemburgische Literaturgeschichte des Protests. Von Christian Daniel Schubarts Schmähgedicht Die Fürstengruft aus der Bewegung des Sturm und Drang über Heines satirisches Versepos Deutschland. Ein Wintermärchen und Büchners Hessischer Landbote der Vormärz-Literatur bis hin zu Tucholsky und Heinrich Mann (Der Untertan) im 20. Jahrhundert gewinnt der Zuschauer einen Überblick über mehr als 200 Jahre ästhetischer Opposition. In Folge der Werkveröffentlichungen fiel so mancher Autor gar der juristischen Willkür seines Herrschers zum Opfer.
Die von republikanischen Zeitzeugen und satirischen Texten wie Norbert Jacques, Limmburger Flöte eingerahmte Reise durch die luxemburgische Geschichte der Abhängigkeit, Belagerung und Monarchietreue kleidet das Trio in einen unverkennbaren Ton der Häme. Ein Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem gescheiterten Versuch vom 28. September 1919, die Monarchie qua Referendum abzuschaffen und folglich die Republik einzuführen. Eine überwältigende Mehrheit (77,8 Prozent der gültigen Stimmen) schlug sich damals auf die Seite der Monarchie.
Wohl auch deshalb, so die Botschaft, müsse sich die luxemburgische Gesellschaft auch heute noch mit dem Umstand abfinden, das Staatszepter werde vom Vater zum „Sonn“ weitergereicht. Nicht ohne Grund erinnere diese nassauische Aussprache des Thronerbes an den Sonnenstern, Symbol machtgieriger Überhöhung in den Versailler Gemächern des Roi Soleil, Louis XIV.
Schließlich trägt Klein seinen Text Adel braucht Tadel vor. Er gewährt darin sowohl historische als auch aktuelle, immer aber satirische Einblicke in die europäischen Adelshäuser. Die heutige parlamentarische Monarchie liefert nicht mehr den Sprengstoff für kämpferische Gegenwehr. Adel braucht Tadel und einige weitere Texte desselben Autors unterstreichen, dass die schrittweise Machtabgabe im Verlauf der jeweiligen Geschichte keine lebensbedrohlichen Schriften mehr fordert, aber immer noch subtilen Spott verdient, gerade dann, wenn der blaublütige Adelspomp an Millionen verschwendeter Steuergelder erinnert. So werde anlässlich so mancher Prinzenhochzeit ersichtlich, spottet Klein, dass die an der rechten Stirnseite gegen jedes physikalische Kräftegesetz angebrachten, neumodischen Hüte genau das geworden seien, was ihre Träger längst durch Handeln und Auftritt verkörperten: nutzlos.
Adel braucht Tadel liefert somit einen bewusst gewählten und mit zahlreichen Anekdoten gespickten Überblick über das Bild des monarchischen Herrschers im Wandel der deutschen und luxemburgischen Literatur und Zeitgeschichte. Selten lässt sich das Trio zu Schenkelklopfern oder platten 08/15-Sprüchen verleiten. Eine Entwicklung vom Kampf gegen grausame Autokraten bis zum umstrittenen Hochglanz-Promi wird hier in Ernst und Humor vermittelt.
Die Vorstellung beginnt mit dem bestimmten Volkslied Die Gedanken sind frei und endet mit dem feierlichen Gesang der auf den Schlüsselbegriff der Gleichheit umgemünzten schillerschen Ode An die Freude. Ohne Zweifel ist Adel braucht Tadel einen Besuch im Merscher Kulturhaus wert gewesen.

Adel braucht Tadel; eine Produktion des Merscher Kulturhauses; Regie von Claude Mangen; Musik von Rudi Schubert; Licht und Ton von Patrick Steffen; mit Claude Mangen, Mars Klein und Rudi Schubert. Keine weiteren Vorstellungen.
Claude Reiles
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