Poker um die Lehrergehälter

Joker Juncker

d'Lëtzebuerger Land du 28.08.2008

Alles ganz normal, nichts Außergewöhnliches, heißt es im Unterrichtsministerium, wenn es um die nächste Runde beim Poker um die Lehrergehälter geht. Nachdem die Lehrergewerkschaften SNE und SEW die Verhandlungen im Juni als gescheitert erklärt hatten, und auch der anschließende Schlichtungsversuch und die Mediation die Streitparteien einander nicht näher gebracht hatten, nimmt sich nun der Premierminister höchstpersönlich der Sache an. Nach dem ersten Schnuppertreffen am 18. August vermeldete RTL-Radio voreilig einen Durchbruch, der keiner war: Die Lehrerlaufbahn solle doch aufgewertet werden. Das aber ist längst kein Streitpunkt mehr, seit die LSAP ihren christlich-sozialen Koalitionspartner davon überzeugen konnte, dass nach 30 Jahren des Wartens und aufgrund verlängerter Ausbildungszeiten eine höhere Einstufung der Grundschullehrer in die höhere Beamtenlaufbahn, gerechtfertigt sei. Strittig ist, wie hoch die Aufwertung ausfallen soll und wie der Lehrauftrag künftig aussehen soll. Die Regierung will die höhere Einstufung nur unter der Bedingung gewähren, dass die Lehrer mehr in der Schule präsent sind: für Eltern- und Teamgespräche, aber auch um sich direkt um die Kinder zu kümmern. Für die Gewerkschaften eine nicht hinnehmbare Arbeitszeitverlängerung.

Deshalb wird erneut über Stunden und Prämien gerungen, wobei mit dem Joker Jean-Claude Juncker der dramaturgische Bogen seinen bisherigen Höhepunkt erreicht. Er soll das hinbiegen, was das Trio aus Unterrichtsministerin Mady Delvaux-Stehres, Hochschulminister François Biltgen und dem Minister für öffentliche Verwaltung Claude Wiseler nach mehreren Runden nicht hinbekommen hat: in letzter Minute doch noch eine Einigung erzielen und den angedrohten Lehrerstreik im Herbst abwenden. Die zuständige Ministerin gibt sich froh über die hochrangige Unterstützung – und kann über eines doch nicht hinwegtäuschen: Längst wird eine politische Antwort auf eine Frage gesucht wird, die in Wirklichkeit eine pädagogische ist: Wie müssen Lehrer unterrichten, um ihre Schüler am besten auf die Zukunft vorzubreiten? Dass es nicht weiter gehen kann wie bisher, darüber immerhin besteht Einigkeit. Die Gewerkschaftsbasis hatte dem Reformpaket der schwarz-roten Koalition im Dezember per Resolution zugestimmt. 

Und trotzdem wiederholt sich das immergleiche Ritual, das man schon beim Streit um den Lehrauftrag der Sekundarschullehrer im Winter 2006/2007 beobachten konnte. Damals hatte das Unterrichtsministerium gehofft, mit einem Reflexionspapier über künftige „qualitative“ Lehreraufgaben den Fokus auf die pädagogische Erforderlichkeiten zu lenken statt auf Zahlen- und Rechenspiele – um dann doch im unerfreulichen Gefeilsche um Koeffizienten und Freistunden zu enden. Zuvor hatte die Ministerin das Papier an alle Schulen geschickt, um die Meinung der Lehrer einzuholen. Die Resonanz war groß, Änderungen vorgenommen – dannach verschwand das Papier auf Nimmerwiedersehen in der Schublade. 

Nach neun ergebnislosen Verhandlungsrunden war es schließlich Jean-Claude Juncker, der beide Streitparteien zum Kompromiss führte. Zum Preis, dass am Ende Koeffizienten und Altersboni die Debatte dominierten statt Differenzierung und individuelle Förderung. Dabei tun sich selbst die in der Pisa-Studie 2006 gelobten Proci-Schulen mit der Differenzierung im Klassensaal schwer, und sie sind nicht alleine: In der Grundschullehrerausbildung sind individualisierter Unterricht und Methodenvielfalt vorgeschrieben, die Ergebnisse der Lesestudie Pirls 2006 zeigen eine andere Realität: Das Gros der Lehrer greift zum klassischen lehrergelenkten Frontalunterricht. Anders Schule zu halten, ist offenbar viel leichter gesagt als getan. In ihrer Reform vom 1912-er Gesetz hat Mady Delvaux-Stehres daher einige Instrumente vorgesehen, die den Wandel beschleunigen helfen sollen: Angefangen von Lehrzyklen über Kompetenzen bis hin zur Teamarbeit. So genannte Instituteurs-ressources sollen überdies helfen, dass theoretische Überlegungen in der Praxis ankommen. Es war diese „lernende Schule“, welche die Ministerin im Sinne hatte, als sie forderte, Lehrer sollten am besten so lange wie die Schüler in der Schule bleiben. Wie es beim Neie Lycée und Eis Schoul der Fall ist. Den Gewerkschaften aber sind beide Projekte gerade wegen des damit verbundenen neuen Arbeitszeitmodells ein Dorn im Auge. Damit die Grundschulreform jedoch Wirkung zeigt, muss sich etwas an der Unterrichtspraxis ändern. 

Doch schon ehe die Schlichtungsgespräche gescheitert waren, war keine Rede mehr von neuen Unterrichtsformen und Lehrmethoden. Dazu trägt sicher auch die Geheimniskrämerei bei den Verhandlungen bei: Über Inhalte dringen kaum etwas nach außen und wenn, führt das zu aufgeregten Anfragen, wie jene der DP-Abgeordneten Anne Brasseur, nachdem das Land geschrieben hatte, der umstrittene 4+2-Kompromissvorschlag sei ursprünglich nicht von der Regierung vorgelegt worden. (d’Land, 28.03.08). Der Termin fürs nächste Treffen stand zum Redaktionsschluss noch nicht fest. Aber dass sich nun der Vorhang zum womöglich letzten Akt des Dramas hebt, mit dem Premier als Retter, nützt vor allem der CSV: Sie kann sich rühmen, den Streik am Ende noch verhindert zu haben – und hat zugleich, mit Junckers und Claude Wiselers Versprechen von vor der Sommerpause, die Vorarbeiten für die große Gehälterrevision noch in dieser Legislaturperiode abzuschließen, ein wichtiges Signal an die Wählerschaft der Beamten geschickt. Auch eine Form von Pädagogik. 

Peter Feist
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