Erneuerbare Energien

Energiepolitik als Puzzle

d'Lëtzebuerger Land vom 26.07.2007

Eines ließen der Wirtschaftsminister und der Umweltminister immer wieder anklingen, als sie am Mittwoch die Entwürfe der Regierung für
die neuen Verordnungen zur Förderung von Energieeffizienz und
erneuerbaren Quellen vorstellten: Die Fördersätze seien „die höchsten
weit und breit“. Die für die Sonnenstromgewinnung seien
„jedenfalls
genau so hoch wie in Deutschland“ (Lucien Lux); für die
Stromproduktion aus Biogas seien sie so hoch „wie bei sonst niemandem,
auch nicht in Deutschland, das sich immer als Vorreiter hinstellt“
(Jeannot Krecké).
Wer
solche Vergleiche derart häufig bemüht, zieht nicht nur automatisch den
Verdacht auf Marketing eigener Tüchtigkeit auf sich, sondern womöglich
gar noch den, Konzeptlosigkeit vertuschen zu wollen. Trifft das zu bei dem Förderpaket, das am 1. Januar 2008 in Kraft treten soll?
So
pauschal lässt sich das nicht behaupten. Einen wesentlichen Schwerpunkt
der neuen Förderprogramme macht beispielsweise die Bezuschussung
energieeffizienten Hausbaus und der energetischen Sanierung von
Altbauten aus. Das gibt es zwar bisher schon. Aber zum einen sollen die
Fördersätze für Neubauten steigen, zum anderen soll die Altbausanierung
erleichtert werden. Weil die neue Wärmeschutzverordnung, die bald in
Kraft treten soll, für Neubauten einen Standard nahe dem für
Niedrigenergiehäuser vorschreiben wird, steigen für diese die von der
Wohnfläche abhängigen Beihilfen um bis zu 20 Prozent. Für die noch
sparsameren Passivhäuser soll die Förderung noch deutlicher wachsen: um
15 Prozent für Wohnflächen zwischen 150 und 200 Quadratmetern, um das
Vierfache dagegen, wenn die Wohnfläche
höchstens 150 Quadratmeter betragen wird. In diesem Fall würden im
Grunde sämtliche Mehrkosten eines Passivbaus gedeckt.
Für Altbauten soll künftig nicht nur eine energetische Komplettsanierung gefördert werden können, die Fassade, Dach,
Fenster, Boden sowie den Einbau einer kontrollierten Belüftung des dann
„dichter“ gewordenen Baus umfasst. Denn trotz aller Zuschüsse ist die
Komplettsanierung vielen Haus- und Wohnungsbesitzern zu teuer.
Ermöglicht werden sollen deshalb nun auch Teilsanierungen – etwa allein
der Einbau neuer Fenster. Thermische Solaranlagen zur
Warmwasserbereitung werden wie bisher in der Anschaffung zu 50 Prozent
und für ein Einfamilienhaus mit bis zu 3 000 Euro, für ein
Mehrfamilienhaus mit bis zu 15 000 Euro unterstützt.
Dieses Maßnahmenbündel ist sehr konkret, auch unmittelbar relevant für
die nationale Kioto-Bilanz, weil es helfen kann, die Menge der
hierzulande verbrauchten fossilen Primärenergieträger Öl und Gas zu
reduzieren. Das Problem um die neuen Förderverordnungen stellt sich auf einer anderen, einer prinzipielleren und sehr politischen Ebene.
Denn
eigentlich sollen die neuen Regeln die Fortsetzung des 2001in Kraft
getretenen Pakets sein, das Ende 2004 zwar planmäßig auslief, dessen
Abschnitt über die Förderung der Fotovoltaik jedoch noch im Sommer 2004 abgeändert worden war. Anfang 2004
hatte die damalige Regierung festgestellt, dass die 2001 eingeführte
großzügige Bezuschussung von Fotovoltaik-Anlagen viel stärker genutzt
wurde als gedacht, und dass sie zum Teil auch missbraucht wurde. In der
daraufhin losgetretenen Missbrauchs-Debatte wurde nicht nur die
Sonnenstrom-Produktion in Grund und Boden geredet, sondern die Nutzung erneuerbarer
Quellen schlechthin. Es traf sogar die Technologien, die CSV und LSAP
wegen der Kioto-Verpflichtungen prioritär fördern wollten, als ihre
Regierung 2005 jene Förderregeln erließ, die Lucien Lux am Mittwoch
„Übergangsbestimmungen“ und „keine ganz gute Operation“ nannte. Etwa
die Solarwärmenutzung zum Heizen. Wegen des „Territorialprinzips“
im Kioto-Protokoll wird zur Berechnung der CO2-Emissionen unter anderem
der territoriale Verbrauch fossiler Primärenergieträger betrachtet. Öl
und Gas zum Heizen sind deshalb genauso bilanzrelevant wie der
„Tanktourismus“. Irrelevant dagegen ist der Stromverbrauch, weil ihm
eine Stromerzeugung mit Primärenergieverbrauch vorausgeht – für die
Luxemburger Stromkunden überwiegend im Ausland.
Aber nicht nur die Fotovoltaiknutzung brach drastisch ein, die der Solarwärme ebenfalls. Und so müssen die neuen Förderregeln überhaupt wieder eine Begeisterung für die „Erneuerbaren“ wecken. Womöglich gelingt das, denn die angekündigten Fördersätze werden auch
von Anlagenprojektanten für „okay“ angesehen. Zumal eine Staffelung je
nach Technologie vorgenommen wird, erstmals für verschiedene
„Bio-Verfahren“ von der Stromerzeugung aus Biogas über Klärschlamm bis
hin zur Kraft-Wärme gekoppelten Holzheizung differenzierte Tarife festgelegt worden sind, und alles über
15 Jahre hinweg garantiert sein soll. Noch vor einem halben Jahr mochte
der Wirtschaftsminister sich auf eine solche Garantie nicht
einlassen.
Auch die Fotovoltaik kommt erneut zu Ehren: Die Investbeihilfe fürderartige
Anlagen soll von derzeit 15 auf 30 Prozent steigen; ein Einspeisepreis
von 42 Cents pro Kilowattstunde ist bei Kleinanlagen bis 30 Kilowatt
Spitzenleistung garantiert, Anlagen bis ein Megawatt, die derzeit nicht
förderbar sind, werden es mit 37 Cents pro Kilowattstunde.
Allerdings
ist die Nutzung erneuerbarer Energien auch nicht mehr nur eine
Veranstaltung für Idealisten. Da Luxemburg über eine EU-Direktive
gehalten ist, bis 2010 mindestens 5,7 Prozent seines Stromverbrauchs
aus erneuerbaren Quellen zu decken und bisher nur auf knapp 3,5 Prozent
kommt, ist mehr „grüner Strom“ ebenso im nationalen Interesse wie
angesichts des EU-Ziels, bis 2020 solle ein
Fünftel des gesamten Energieverbrauchs „erneuerbar“ sein – wofür in den
nächsten Monaten der Lastenausgleich zwischen den Mitgliedstaaten
ausgehandelt wird. Hinzu kommt: In
den heißen Sommerwochen des letzten Jahres, als in Europa so manches
Kohlekraftwerk Probleme mit der Wasserzufuhr hatte und verschiedene
Kernkraftwerke nur mit Sondergenehmigung betrieben werden durften, war an der Leipziger StrombörseSonnenstrom im Kurzfrist-Geschäft eine Zeit lang preiswerter als Kohle-
und Atomstrom. Und in Expertenkreisen geht man immer mehr davon aus,
dass ab 2015 sogar die heute in der Anschaffung noch immer teure und in
der technischen Ausbeute noch begrenzte Fotovoltaik je nach Region der
EU zunehmend wettbewerbsfähigmit klassisch erzeugtem Strom wird. Nicht zuletzt der wachsenden Stromnachfrage wegen.
Tragen Luxemburgs neue Förderregeln diesem Trend Rechnung? – Wahrscheinlich
können sie das kaum. Lang war die Liste jener energiepolitischen
Vorhaben, die Jeannot Krecké und Lucien Lux für die Zukunft noch in
Aussicht stellten. Neu verhandelt werden soll mit der Fedil eine
Selbstverpflichtung der Industriebetriebe zum Energiesparen. Eine
ähnliche Abmachung mit der ABBL wird für die Banken angestrebt. Fertig
gestellt werden soll ein Projekt zur Förderung der Einspeisung von
Biogas ins Erdgasnetz: Anfang des Jahres hatte der Wirtschaftsminister
erklärt, dieser Technologie gehöre seine besondere Sympathie; die Regierung wolle sie„besonders
pushen“ – sogar „stärker“ als andere Technologien, meinte Krecké am
Mittwoch. Denn Biogas, das Erdgas im Netz ersetzt, verbessert nicht nur
die Kioto-Bilanz, sondern kann zum Heizen wie zur Stromproduktion
genutzt und, wenn man will, sogar in Biofuel umgewandelt werden. „Wir machen jetzt die Energiestrategie“, erklärte Krecké am Mittwochabend im RTL-Fernsehen noch. Damit ist ein Plan für Energieeffizienzgemeint. Sinnvoll, denn je mehr der Energieverbrauch sinkt, desto höher kann der erneuerbare Anteil werden.
Aber wenn der Effizienzplan nach den Förderverordnungen erstellt wird,
über die Biogas-Option noch diskutiert wird, mehr Energiesparen in
Industrie und Dienstleistungssektor noch zu verhandeln bleibt, hat das
nicht nur damit zu tun, dass die zuständigen Ministerien personell zu schwach besetzt sind. Es ist die entscheidende Frage nach der politischen Opportunität erhöhter Energiepreise, die sich stellt.
Und
das für Klein- wie für Großverbraucher. Im Gegensatz zum zwischen 2001
und 2004 gültigen System werden die garantierten Einspeisepreise für
grünen Strom nicht überwiegend aus dem Staatsbudget bezahlt, sondern
über einen Kompensationsfonds und die Kosten jedem Stromkunden anteilig
auf seine Rechnung aufgeschlagen. Wobei ein Haushaltskunde anteilig mehr zahlt
als etwa ein Elektrostahlbetrieb von Arcelor Mittal, für den
Elektrizität eine matière première darstellt. Jeannot Kreckés
Erklärungen vom Mittwoch deuten darauf hin, dass die neuen
Förderschwerpunkte und ihre Dotierung so berechnet wurden, dass der Kompensationsfonds nicht zu teuer wird – weder für Industrie- noch für Haushaltskunden.
Und
wahrscheinlich stand diese Abwägung auch Pate bei der Aufstellung der
im März veröffentlichten Potenzialstudie für erneuerbare Energien, die
ein weitaus kleineres „realisierbares“ Potenzial ermittelt hatte, als theoretisch möglich, und die Gründe dafür
nicht restlos klar wurden. Die politische Alternative ist freilich eine
schwierige: Luxemburg hat seinen Kompensationsfonds, weil es unter
einer insgesamt kleinen Zahl von Stromkunden einige mit überaus hohem, prozessbedingtem Verbrauch zählt. Große Länder wie Deutschland
legen Mehrkosten für erneuerbare Technologien, denen allmählich zur
Marktreife verholfen werden soll, einfach unterschiedslos auf die Preise um. Luxemburg kann das nicht.
Möglich
wäre es allenfalls, gäbe es eine Energiebesteuerung, die sparsames Verhalten belohnt und für Ausgleich sorgt, indem sie
etwa Boni zurückfließen lässt. Dass energieintensive Wirtschaftssektoren
gegen ein solches Instrument opponieren würden, ist zwar nicht
ausgeschlossen, muss aber nicht sein. Viel kritischer dürfte sich die
Frage stellen, inwiefern eine solche „geplante“ Strompreiserhöhung
keine Auswirkung auf den Index haben dürfte, andererseits ein gewisser
Energieverbrauch abgabenfrei bleiben müsste, um keine sozialen
Ungerechtigkeiten zu provozieren.
Seit Jeannot Kreckés streitbarem Interview über den Klimaschutz mit dem Méco-Magazin Kéisécker im Herbst 2005 ist bekannt,dass
informelle Diskussionen zu dieser Frage bereits stattgefunden haben und
sich besonders eignen, für Spannungen zwischen der LSAP und dem OGBL zu
sorgen. Seitdem befinden sich die Energie- und zum Teil auch die
Umweltpolitik der LSAP-Minister im gleichen Dilemma – der Unterschied zwischen Lucien Lux und Jeannot Krecké ist nur der, dass der eine die Lage eher locker nimmt, der andere eher grimmig.

Peter Feist
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