Zufallsgespräch mit dem Mann in der Eisenbahn

Ratlos

d'Lëtzebuerger Land vom 18.04.2025

Mit Skihelm, Sonnenbrille lächelte Premierminister Luc Frieden in die Kamera. Vergangene Woche schickte er das Foto über Facebook und Instagram: „A short ski holiday to relax, to think about the world’s challenges and to enjoy our great European nature“ (8.4.25).

Seine Überlegungen zum Zustand der Welt teilte er nicht mit. Die Regierung bleibt ratlos. „Eis amerikanesch Frënn“ fühlen ihre globale Hegemonie bedroht, sorgen sich um deren Kosten: Dollar, Militärstützpunkte, Weltbank, Nato... Teile ihrer herrschenden Klassen wurden zur regierenden. Sie zerlegen demokratische Institutionen. Sie beginnen einen Handelskrieg gegen China, erpressen den Rest der Welt mit Zolltarifen.

In einem Zwergstaat ohne Binnenmarkt verehren die besitzenden Klassen den Freihandel. Notfalls innerhalb von Zollverein, UEBL, Europäischer Union. Steuerdumping wird Freihandel genannt. Die arbeitenden Klassen bevorzugen den Schutz von Zolltarifen. LSAP-Kongresse streiten über Ceta, TTIP. CSV-Kommissar Christophe Hansen muss den Bauern Mercosur schmackhaft machen.

Zölle verteuern Importe, fördern die Inflation. Hierzulande ist es schwieriger, Preiserhöhungen auf die Reallöhne abzuwälzen. In einem Handelskrieg müssen die Unternehmer zuerst den automatischen Index angreifen.

Der Handelskrieg behindert die weltweite Warenzirkulation. Er dämpft die Profiterwartungen. Sie lassen sich an zögerlichen Investitionen, vorsichtigen Einstellungen ablesen – an Arbeitslosigkeit, Konkurrenzdruck auf dem Arbeitsmarkt. Sie lassen sich an sinkenden Aktienpreisen ablesen.

„Finanzialisierung“ heißt, dass sinkende Aktienpreise sogar bescheidene Einkommen direkt betreffen. Wenn Banken Haushalten eine Sicav als „Plan d’épargne“ verkaufen. Dann kann Erspartes verlorengehen – wie vor drei Jahren. Mit fallenden Aktienkursen verschwinden Rentenbeiträge im Fonds de compensation.

Der Washingtoner Handelskrieg erschüttert das Vertrauen in die Staatsanleihen der USA. Ihre 28 Billionen Dollar dienen als risikofreie Anlagereserve der internationalen Finanzmärkte. Die US-Regierung will ihre Weltwährung Dollar verbilligen. Um die Exporte zu fördern. Der Handelskrieg kann zu einer Finanz- und Wirtschaftskrise führen. Die Herausbildung eines neuen Akkumulationsmodells beschleunigen: protektionistisch, autoritär, kriegerisch.

Außenhandelsminister Xavier Bettel fuhr nicht Ski. Er nahm an einem Ministertreffen auf dem Kirchberg teil. Er beruhigte das Fernsehpublikum: „Mir si keng Exportnatioun an de Produie fir Amerika“ (RTL, 7.4.25). Einst gehörten Differdinger Grey-Träger für amerikanische Wolkenkratzer zum nationalen Stolz. Nun gelten die Industrieexporte in die USA als bescheiden.

Nach dem chinesischen verliert die europäische Autoindustrie den US-amerikanischen Markt. Die hiesige Zulieferindustrie leidet darunter. Kein Grund für eine Tripartite. Xavier Bettel plagen andere Sorgen: „Mee wa mer solidaresch bleiwen, well muer kënnen och nach aner Saache wéi Wuere kommen. Et kënnen och Servicer kommen oder aner Saachen, wat Lëtzebuerg méi géif da concernéieren.“

Der Finanzplatz ist wichtiger als die Industrie. Regierungen von Industrienationen schlagen vor, Zölle auf Waren mit Zöllen auf Dienstleistungen zu vergelten. Irland, Luxemburg wollen das verhindern. Das Koalitionsabkommen von CSV und DP lehnt die Einführung einer Digitalsteuer ab. Die Steuervermeidungsindustrie, die Regierung fürchten die Rache der USA: Zölle auf Finanzdienstleistungen.

Das meint Xavier Bettel, wenn er betont, es sei „wichteg, datt mer solidaire bleiwen wierklech zu 27 an do dann der Kommissioun och vertrauen“. Der Kommission vertrauen, heißt, den USA nachzugeben. Um solidarisch mit der Steuervermeidung der Vermögenden zu bleiben.

Romain Hilgert
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