Lohnungleichheiten von Männern und Frauen

Pure Diskriminierung

d'Lëtzebuerger Land du 26.04.2007

Als pure Provokation werden viele es empfinden, dass in der Luxemburger Arbeitswelt die Frauen diskriminiert werden. Nichts Neues werden andere sagen. Das ist es aber, denn das statistische Amt Statec hat die Diskriminierung aufgrund der Geschlechterzugehörigkeit quantifiziert. Zwei Drittel der Lohndifferenzen zwischen Mann und Frau sind, so formulierte es Statec-Direktor Serge Allegrezza am Dienstag anlässlich einer groß angelegten Konferenz zur Gleichstellung von Mann und Frau in der Arbeitswelt, gehen auf „pure Diskriminierung“ zurück – Frauen verdienen weniger weil sieFrauen sind. Zuvor hatte die Chancengleichheitsministerin Marie-Josée Jacobs Optimismus verbreitet und berichtet, in den vergangenen zehn Jahren sei die Brutto-Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen von ehemals 19 auf 14 bis 15 Prozent gesunken.

Die neuesten Berechnungen des Statec lassen diese Errungenschaft als Pyrrhussieg erscheinen. Zumal sich die Diskriminierung in der Fertigungsindustrie am stärksten manifestiert (75 Prozent), im Handel und im Gastgewerbe immerhin noch die Hälfte des Unterschiedes erklärt und im Finanz- und Immobilienwesennoch gut ein Viertel. Somit ist diese Ungerechtigkeit als Faktbelegt und kann nicht als Hirngespinst von Frauenrechtlerinnen abgetan werden.

Allerdings gibt es auch bei dieser Berechnung ein Problem. Wohl berücksichtigt sie Unterschiede in der Ausbildung, der Art der Arbeit oder die Beschäftigungsjahre, vergleicht also wirklichGleiches mitGleichem. Auch hier ist aber nicht zu sehen, wie viel die Frauen auf Grund ihrer steuerrechtlichen Klassifizierung und der ihrer Partner, sowie der Überweisung der sozialen Zuschüsse am Ende des Monats wirklich auf dem Konto haben und ob sie schon bei der Einstellung benachteiligt werden oder nicht. Immerhin, so ließ die Ministerin wissen, sind mittlerweile 54,6 Prozent der in Luxemburg ansässigen Frauen auf dem Arbeitsmarkt aktiv, zehn Jahre zuvor waren es nur 43,7 Prozent.

Vor allem die Luxemburgerinnen sind verstärkt berufstätig geworden, arbeiteten 2000 nur 46,7 Prozent von ihnen,waren es 2005 immerhin schon 51,1 Prozent. Die Kehrseite davon ist aber auch eine höhere weibliche Arbeitslosenquote. Die schon seit Jahren bekannten Probleme bleiben demnach weitgehendungelöst, denn die kausale Beziehung zwischen Kinderkriegen und Berufsausstieg bleibt weiterhin bestehen. Liegt die Beschäftigungsrate in der Altersklasse der 30- bis 35-Jährigen bei den Frauen bei 80,6 Prozent, bei den Männern bei 94,9 Prozent, so fällt die der Frauen „bei zunehmender Zahl von Kindern rapidezurück“, wie der Statec-Direktor sagte. Das Resultat: In der Altersklasse 35 bis 39 Jahre liegt der Beschäftigungssatznur noch bei 71 Prozent der Frauen, während die Rate derMänner auf 95,4 ansteigt. Auch stellte David Coyne von der zuständigen Generaldirektion der EU-Kommissionfest, die gläserne Karriere-Decke, welche die Frauen auf dem Wegnach oben nur mühsam durchbrechen, besteht weiterhin, 68 Prozent der Manager in Europa sind männlichen Geschlechts und auch in den Verwaltungsräten der Top-50 europäischen Unternehmen herrschen hohe Testosteronwerte: 89 Prozent ihrer Mitglieder sind Männer, in 96 Prozent der Fälle stellen sie auch den Präsidenten. Coyne stellt also fest: „Selbst wenn die Dinge anfangensich von unten zu verändern, bleibt die Decke“, an der die Frauensich stoßen, bestehen.

Auch in den europäischen Parlamenten sitzen allgemein wenige Frauen auf den Rängen, außer in den skandinavischen Ländern, wo es Quoten gibt. Dort erreicht der Frauenanteil unter den Parlamentariern knapp unter 40 Prozent, in Luxemburg sind es eher knapp unter einem Viertel.

„Wenn man den Anteil der Frauen in den Parlamenten erhöhen will, ist das einzige Mittel eine dementsprechende Politik“, sagte Coyne mit Nachdruck, auch wenn man überhaupt mehr Frauen auf den Entscheidungsebenen sehen wolle, so sein indirekter Aufruf nach einer Quote, braucheman eine Gesetzgebung, die dies durchsetzen helfe. Dazu müsse es eine höhere Flexibilität der Arbeitszeitengeben und eine bessere Versorgung der Kinder und älterenMenschen, mehr Möglichkeiten für die Teilzeitarbeit; ein Forderungskatalog der nichts Neues enthält, aber trotzdem noch aktuell ist.

„Es ist ein wirklicher Wunsch der Frauen in Luxemburg, auf die Teilzeitarbeit umzustellen. Wir erwarten einen Anstieg und müssen die damit verbundenen Risiken hervorstreichen“, erklärte Blandine Lejealle, Forscherin des Centre d’Etudes de Populations, de Pauvreté et de Politiques Socio-Economiques (CEPS). Seit 1985, als 16 Prozent der Frauen halbtags oder in Teilzeit arbeiteten, ist ihr Anteil auf 38 Prozent gestiegen, nur um die zwei Prozent der Männer greifen auf diese Möglichkeit zurück. Dazu kommt: Die Teilzeitarbeit geht einher mit wenig qualifizierten Jobs, in dieser Arbeitskategorie steigt die Quote bis auf 62 Prozent, weit über die Hälfte also und genau dort, wo die Lohndiskriminierung wahrscheinlich am größten ist. Die damit verbundenen Risikenliegen auf der Hand: halbe Arbeit heißt halber Lohn und späterauch halbe Rente. War amDienstag dazu noch nichts zuerfahren, sosieht die für Juli geplante Veröffentlichung des Statec über die Diskriminierung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt auch ein Kapitel über den Zusammenhang von Geschlecht und Armutsrisiko vor. Auch die derzeit kinderlosen Frauen, das zeigen die CEPS-Daten, wollen, wenn sie Kinder bekommen, zu 55 Prozent ihre Arbeitszeit am liebsten reduzieren.

Ein Grund hierfür ist, dass die Männer weiterhin wenig im Haushalt mitarbeiten. Machen sie mittlerweile öfters den Einkauf und kochen, so bleiben die Wäsche, der Abwasch, aufräumen und putzen ihrer Ansicht nach Frauensache, auch wenn beide Partner arbeiten und sie Kinder haben, führte Lejealle aus. Positiv sei immerhin, die Heirat an sich ist als Grund für den Berufsausstieg bei den jungen Frauen zwischen 25 und 34 Jahren fast vollkommen verschwunden.Denn in der Alterskategorie zwischen 35 und 49 Jahren dient die Eheschließung allein noch zu 15 Prozent als Anlass für den Rückzug aus der Arbeitswelt, bei den 50 bis 64-Jährigen ist der Anteil noch höher. So sind es bei den jungen Frauen hauptsächlich die Kinder, die zu 50 Prozent den entscheidenden Anstoß für den Abschied vom Beruf geben.

Damit sind die Voraussetzungen für eine höherefinanzielle Abhängigkeit dieser Frauen von ihren Partnern gegeben, die Frage nach dem Gegenmittel drängt sich auf, auch angesichts der nur vorankrebsenden Verbesserung der Situation der Frauen im Arbeitsmarkt. Ministerin Jacobs wies in ihrer Ansprache auf ein Beispiel aus Norwegen hin. Dort habe die zuständige Amtskollegin vergangenes Jahr eine Quote von 40 Prozent Frauen in den Verwaltungsräten der Unternehmen eingeführt; wer sich nicht fügt, dem droht der Entzug der Handelsermächtigung. „Die Ministerin sagte, dass diese Quote ein Mittel ist, um die Gleichstellung der Frauen und Männer in den Verwaltungsräten herzustellen. Es isteine Maßnahme, umdie Demokratie Realität werden zu lassen“, zitierte Jacobs die Norwegerin, verwies aber gleich wieder auf die vom Ministerium unterstützen freiwilligen Actions positives einzelner Unternehmen.

Denn spricht man sie auf eine mögliche Bereitschaft zur Quote an, zeigt sie sich prinzipiell nicht abgeneigt, weicht jedoch gleichmit Hinweis auf die mangelnde politische Unterstützung aus. Eine Quote sei ja nichts für die Ewigkeit, meint sie dann. Sie habe aber gesehen, dass dies innerhalb der eigenen Partei sehr hilfreich gewesen sei. Wichtig bleiben für die Gleichheitsministerin die Konsultationund der Austausch der best practices auf europäischer Ebene.

Wirklicher Druck auf die Wirtschaft ist demnachnicht im Sinne ihrer Politik, dabei zeigt die neueste Veröffentlichung ihres Hauses, dass sogar geltendes Recht nicht eingehalten wird. Staatsrätin und Juristin Viviane Ecker hat im Auftrag des Ministeriums eine Reihe von Tarifverträgen, die zwischen 2000 und 2006 abgeschlossen oder erneuert wurden, unter dem Blickwinkel der Gleichstellungvon Mann und Frau untersucht. Von Gesetzeswegen nämlich müssten solche Tarifverträge nicht nur prinzipiell die Gleichbehandlung festschreiben, sondern ganz konkret dieOrganisation der Arbeit, also die Modalitäten für Teilarbeitund Kinderpause regeln. Ein Gleichheitsplan müsste verhandelt werden, der auch vorsieht, wie nach der Kinderpause der Widereinstieg in den Job und die berufliche Weiterbildung zwecks Aufholen der verpassten technischen Weiterentwicklungen, organisiert werden. Ecker stellt aber fest: In den wenigsten Fällensind solche Pläne vorgesehen, das Gesetz lasse den Sozialpartner großen Spielraum, es liege an ihnen die Kollektivverträge als Instrument für die Gleichstellung einzusetzen.

Als eine Voraussetzung für die Lohngleichheit sieht sie zum Beispiel: „(...)l’insertion de barèmes salariaux transparents et différenciés dans la convention collective (...).“ Denn auch hier sind die Verhandlungsparteien verpflichtet, die Modalitäten zur Umsetzung des Prinzip des gleichen Lohnes festzuhalten. Eckerkonstatiert: „(...) l’obligation d’inscrire les modalités d’application du principe de l’égalité de rémunération entre hommes et femmes dans la convention collective de travail n’est pas respectée.“ Angesichts dieser Feststellung ist fraglich, ob mit freiwilligen Aktionen viel zu erreichen ist – man muss auch das Verhalten der Gewerkschaften in einem kritischen Licht sehen.Wieso setzen sie die Vorgaben nicht durch?

Fernand Ernster von der gleichnamigen Buchhandlungskette, hat sein Unternehmen im Rahmen einer Action positive einem Audit unterzogen, und mit den Beratern genau das gemacht, was Ecker in ihrem Bericht sagt: eine klare Definition der verschiedenenPosten, der damit verbundenen Aufgaben und des dafür ausgestellten Lohnes erarbeitet. Eine nachvollziehbare Lohnstruktur eben, die auch den Weg für die Promotion vorzeichnet. Dass dieses Beispiel Schule machen wird, in einem Land in dem nichts besser gehütet wird als das Geheimnis des Gehaltes, scheint unrealistisch. Zumal durch die Anpassung der Löhne nach oben dabei höhere Fixkosten für die Firma entstehen.

Obwohl dieses Vorgehen beispielhaft ist, bietet es nicht automatischeine Lösung für eines der fundamentalen Probleme: Dem Verlustdes Dienstalters durch eine Kinderpause. Dieses kann eigentlich nurdurch eine andere Gewichtung der Ancienneté in der Lohnberechnung in Angriff genommen werden. Dass diesehierzulande aber als soziale Errungenschaft gilt und leistungsbezogene Kriterien automatisch als ultra-liberales Teufelszeug angesehen werden, zeigt sich nicht zuletzt an den schwierigen Tarifsvertragverhandlungen im Bankensektor. Daran, dass eine prinzipielle Umgewichtung der Kriterien vielleicht mehr Lohngerechtigkeit für Frauen mit Kindern mit sich bringt, denken die Gewerkschaften anscheinend wenig.

Auf internationaler Ebene setzt sich unterdessen eine andere Überlegung durch, dies konntemanvergangenen Herbst ander Reaktion auf das Urteil des Europäischen Gerichtshof in derSache Cadman sehen. Eine britische Angestellte hatte geklagt, da ihre männlichen Kollegen aufgrund ihres Dienstalters 13 000 Euro jährlich mehr verdienten. Ob das Gericht nun mit seinem kryptischen Urteil gesagt hat, ob das Dienstalter als Kriterium zulässig ist oder nicht, darüber scheiden sich die Geister. Die Einen regten sich eher über die Frauenrecht-feindliche Haltung des Gerichts auf, bemängelten, das Urteil ginge nicht weit genug. Die anderenbegrüßten es als erste Basis für mögliche Anfechtungen des Dienstalter-Kriteriums bei der Lohnberechnung.

„Mothers lose right to equal salaries“, titelte die konservative Times aufgebracht, ein Indiz dafür, dass sich gar in britisch-konservativen Kreisen die Idee der Gleichstellung durchsetzt.

Michèle Sinner
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