Die 19. Architekturbiennale in Venezien schreibt sich in diesem Jahr Nachhaltigkeit und Intelligenz(en) auf die Fahnen, weshalb wohl fast alle Gäste mit intelligenten Flugzeugen anreisten. Die Welt intelligent bauen und dabei auf die Intelligenz der Erde hören, das machen „Intelli-Gens“, intelligente Leute – so soll sich das von Kurator Carlo Ratti ausgerufene Leitmotiv der Biennale Intelligens. Natural.Artificial.Collective erklären.
Am Donnerstagabend, nach der Eröffnung des luxemburgischen Pavillons hörte man in den Gassen Venedigs Glockengeläute und Jubelschreie. Ein neuer Papst ward gefunden! In den verwinkelten Gassen ließ sich die Zeit wunderbar mit Spritz überbrücken. Neben Touristenscharen, die auch eine Tagessteuer nicht abhält, die Lagunenstadt tagsüber zu überschwemmen, konnte man dort einem sehr entspannten, Eis essenden Jo Kox begegnen. Klar, die Zeit im Kulturministerium ist nun vorbei! Und als Präsident von Kultur:LX sieht man viel Schönes an lauter schönen Orten ... und darf dann noch Cocktails trinken auf der Rooftop-Terrasse vom Paradiso mit Blick auf die Lagune.
Für Gesprächsstoff sorgte das Vorhaben von Diller Scofidio + Renfro, die vorhatten aus dem Wasser der Kanäle den besten Espresso Italiens zuzubereiten und so zu beweisen, dass selbst verschmutztes Wasser in etwas Gutes umgewandelt werden kann.
Der Klimawandel wird beim Betreten der Arsenale-Werkhallen eindrücklich. Propeller von Klimaanlagen erzeugen hier dicke heiße Luft, sodass man schwer atmen kann. In dem Tunnel der KI-Technologien stößt man auf halber Strecke – ungefähr da, wo man abbiegen muss, um zum luxemburgischen Pavillon zu gelangen – aber auch auf das Gegenteil.
Das Königreich Bahrain stellt eine Installation vor, die im Stadtraum und auf Baustellen mithilfe von geothermischen Bohrungen und abgehängten Gitterrosten einen gekühlten, etwas dystopischen Schattenraum schafft. In den aufgestapelten Säcken fläzen sich sogar die Feuerwehrleute, machen hier ein Päuschen, um sich auszuruhen. Diese Innovation brachte Bahrain gar den Goldenen Löwen ein. Keine Frage, Kühlsofas sind das Design der Zukunft!
Der luxemburgische Pavillon Sonic Investigations, den Kulturminister Eric Thill (in Venedig im bordeauxroten Anzug) einweihte, lockt als dunkler Raum mit immersivem Klangerlebnis. Ein Gegenentwurf zur Bildwelt. Die Ausstellungsmacher/innen Valentin Bansac, Mike Fritsch und Alice Loumeau, mit Ludwig Berger und Peter Szendy haben hier eine Klangkulisse zusammengetragen und schaffen es, Luxemburg in Geräuschen erlebbar zu machen. Da hört man die Alzette plätschern, Gänsegeschnatter oder auch Fluglärm, wovon jeder Bonneweger Bobo ein Lied singen kann. Die Besucher/innen betreten im Pavillon einen großen verdunkelten Raum, in dem sie sich hinlegen, die Augen schließen und in die Klänge des Großherzogtums eintauchen können.
Beim Durchlaufen der Arsenale stellt sich allerdings schnell Ermüdung ein ... Einerseits viel Rückbesinnung auf natürliche Ressourcen, da werden neu interpretierte Archen aus Schilf gebaut, wie etwa im Nachbar-Pavillon von Luxemburg, Peru. Auf der anderen Seite stößt man auf jede Menge Zukunftsszenarien: Alle setzen irgendwie auf Künstliche Intelligenz und Robotik. Umso erstaunlicher, dass einen bei all dieser Komplexität in dieser innovativen Hightech-Biennale, nichts vom Hocker reißt – und bei all den Ansätzen um Nachhaltigkeit nichts nachhaltig nachwirkt.
Vergebens sucht man sozialen Wohnungsbau und ... wird immerhin im österreichischen Pavillon fündig. Austria – ich wusste es, Du schaffst es – neben dem Hervorbringen von Diktatoren, Schnitzeln und Kaffeehäusern!
Überraschen tut mal wieder die Schweiz. Vier Architektinnen arbeiten mit einer Künstlerin zusammen, um das Erbe von Lisbeth Sachs (1914-2002), einer der ersten Architektinnen der Schweiz, im schönen Giardini-Pavillon Bruno Giacomettis zu erkunden. So zeigt Helvetia klug, wie mit Rückbesinnung auf Vorhandenes ein neuer Blick gelingen kann. Als einziges Land? Nein, zum Glück nicht! Auch der Luxemburger Pavillon führt dies mit seiner Soundinstallation Sonic Visions – „anders“ vor.
Bei einer Sound-Performance von Ludwig Berger mit anschließender Lesung aus dem Buch ECOTONES – Investigating Sounds and Territories konnte man sich am Samstagabend abseits des Biennale-Rummels ins Gras legen und den Klängen lauschen. Ja, einen Klangrausch bietet und bot Luxemburg in diesem Jahr. Immersiv bei Rosé Spritz erfahrbar. Das wäre etwas für den Klangkünstler Steve Kaspar gewesen! Hallo, Steve, hörst Du mich? Lëtzebuerg setzt in diesem Jahr in Venedig voll auf Klang. ’t ass kee Witz!