Maria Stuart

Power

d'Lëtzebuerger Land vom 03.10.2002

"Auch meine jungfräuliche Freiheit soll ich / Mein höchstes Gut hingeben für mein Volk, / Und der Gebieter wird mir aufgedrungen. / Es zeigt mir dadurch an, dass ich ihm nur / Ein Weib bin, und ich meinte doch, regiert / Zu haben wie ein Mann, wie ein König". 202 Jahre alt ist Elisabeths Klagen über die Ungleichheit zwischen Frau und Mann in der Gesellschaft, sogar an oberster Stellung im Staat ­ immerhin ist sie die englische Königin. Doch in diesen zwei Jahrhunderten scheint sich kaum etwas an der Position der Frau in der Gesellschaft geändert zu haben. Maria Stuart, auch ein Frauenstück? "Natürlich ist es auch das," erklärt Regisseurin Marion Poppenborg, deren Inszenierung von Maria Stuart gestern Abend im Kapuzinertheater Premiere feierte, "in dieser Männergesellschaft, in der Maria und Elisabeth leben, stellt sich für sie auch immer wieder die Frage: 'Wie viel Weib kann ich noch sein?'."

Friedrich Schiller schrieb Maria Stuart um die Jahrhundertwende 1799/1800, nach Wallensteins Tod war ihm nach einem Trauerspiel und nach Gefühl. Maria Stuart, wegen des Verdachts der Mitschuld am Mord ihres Mannes vertriebene schottische Königin, sucht 1587 Zuflucht bei ihrer Halbschwester Elisabeth, Königin von England. Die beiden Frauen kennen sich nicht, doch der Hofstaat weiß Elisabeth gleich zu warnen: "Ihr Leben ist dein Tod, ihr Tod ist dein Leben". Maria und Elisabeth könnten verschiedener nicht sein: die Katholikin gegen die Anglikanerin, die erotische und sinnliche Schöne gegen die biedere und eiskalte Mächtige... In Maria Stuart geht es gleichzeitig um Erotik, Politik und Religion. "Es ist zugleich eine sehr physische, sehr emotionale und sehr dramatische Arbeit", urteilt Marion Poppenborg.

Und es geht um Frauen - so wie sie Männer sehen natürlich. Schiller ordnet an, die beiden Schauspielerinnen mögen jung sein, so um die 30, doch in Wirklichkeit waren beide Kontrahentinnen 1587 schon älter. Und sie haben sich auch nie wirklich getroffen, doch Schiller hat es nicht so mit den historischen Tatsachen, im Stück ist ihre Zusammenkunft der absolute Höhepunkt. "Mich soll nur wundern, was das Publikum sagen wird, wenn die beiden Huren zusammenkommen und sich ihre Aventuren vorwerfen," soll Goethe nach der Weimarer Uraufführung bemerkt haben, so rapportiert es zumindest Friedrich Schlegel. Bei diesem Treffen besiegelt Maria Stuart zwar ihr Schicksal, doch geht sie, von ihrer Schuld befreit in den Tod, während Elisabeth vereinsamt.

Marion Poppenborg hat die Originalfassung des Textes radikal von fünf auf immerhin noch zweieinhalb Stunden gekürzt, es bleiben nur noch sieben der ursprünglich 23 Figuren. Doch für diese sieben Rollen hat sie eine Traumbesetzung zu Stande gebracht: Myriam Müller als Maria Stuart und Sascha Ley als Elisabeth - besonders ihr Zusammentreffen kann man voll Spannung erwarten -, Marja-Leena Junker als Marias Amme Hanna, daneben Daniel Plier, Tom Leick, Frédéric Frenay und Claude Mangen als Intriganten an Elisabeths Hof. Während der ganzen Dauer des Stückes ist Maria auf der Bühne, "lebendig begraben" in einem Haufen Sand, der beständig zu wachsen scheint (Bühne: Herbert Neubecker), das "Problem Maria" frisst so auch metaphorisch Elisabeths Lebensraum auf - "Sie ist tot. Jetzt endlich hab ich Raum auf dieser Erde!" seufzt Elisabeth am Ende. 

"Für mich ist dieses Stück ein richtiger Steinbruch", findet die Regisseurin, immer wieder entdecke sie neue Ebenen, neue Herangehensweisen. Auf jeden Fall interessierte es sie nicht, hier ein großes Hof- und Intrigenstück zu inszenieren. Für Myriam Müller - die man noch kaum in deutschsprachigen Produktionen gesehen hat - und Sascha Ley scheint Maria Stuart auf jeden Fall ein neues Moment zu sein: beide zeigen sich hart und ungeschminkt im direkten Gegenüber auf den Plakaten. So als hätten sie nun die Reife erreicht, um den endgültigen Durchbruch zu schaffen, weg von der jugendlichen Unbefangenheit und Naivität der "jeune première", zu mehr Kraft und schonungsloser Ehrlichkeit auf der Bühne. "Das Weib ist nicht schwach! Ich will in meinem Beisein / Nichts von der Schwäche des Geschlechtes hören!", legte schon Schiller Elisabeth in den Mund.

 

Maria Stuart von Friedrich Schiller in der Inszenierung von Marion Poppenborg, assistiert von Renée Maerz, Kostüme: Ulli Kremer, Bühne: Herbert Neubecker; mit: Frédéric Frenay, Marja-Leena Junker, Sascha Ley, Tom Leick, Claude Mangen und Myriam Müller im Kapuzinertheater; weitere Vorstellungen am 9., 10., 12., 15., und 18. Oktober jeweils um 20 Uhr sowie am 11. Oktober um 18.30 Uhr; Kartenvorbestellung unter Telefon 22 06 45, montags bis freitags zwischen 14 und 18.30 Uhr. 

 

 

 

 

josée hansen
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