Unternehmensbesteuerung

Neue Steuerrunde

d'Lëtzebuerger Land vom 08.05.2008

Seit Jahrzehnten führen sich christlich-soziale Finanzminister ein wenig auf wie strenge, aber gerechte Väter zweier Kinder. Wenn sie in einem Jahr die Steuern der Privathaushalte senken, verringern sie im folgenden Jahr die Steuerlast der Betriebe. Nach der teilweisen Anpassung der Steuertabelle an die Inflation und der Einführung eines Kinderbonus anstelle der Kinderermäßigung auf der Einkommenssteuer zu Beginn dieses Jahres soll folglich im Haushaltsentwurf für nächstes Jahr die Unternehmensbesteuerung gesenkt werden.

Eine Arbeitsgruppe von Patronatsvertretern und hohen Beamten unter dem Vorsitz von Haushaltsminister Luc Frieden soll sich bis zum Sommerurlaub auf entsprechende Vorschläge einigen, damit sie Eingang in den Haushaltsentwurf für 2009 finden können, der im Herbst vorgelegt werden soll. Erste Hinweise werden sich aber von der Erklärung des Premierministers zur Lage der Nation am 22. Mai erwartet. 

In dem diese Woche veröffentlichten Barometer der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit stellt die Firma Ernst [&] Young allerdings dem Luxemburger Steuerwesen im internationalen Vergleich eine sehr gute Note aus, vom unbegrenzten Verlustvortrag bis zur Regelung des Schachtelprivilegs. Der Höchssteuersatz und die Sozialabgaben für natürliche Personen gehörten zu den niedrigsten in der OECD.

Doch der internationale Steuerwettbewerb hat sich inzwischen so zugespitzt, dass im Kampf um Gewerbetätigkeit, Arbeitsplätze und Staatseinnahmen die Unternehmensbesteuerung alle paar Jahre gesenkt wird. Nicht zuletzt die neuen Beitrittsländer haben mit ungewohnt niedrigen Steuersätzen den europäischen Durchschnitt deutlich gesenkt und die anderen EU-Staaten einschließlich Luxemburg in der Hitparade der niedrigsten Unternehmensbesteuerung zurückgeworfen. Auch wenn die dabei verglichenen Steuersätze wenig aussagekräftig sind an­gesichts der sehr unter­schiedlichen Be­mes­sungs­grundlagen und der sehr unterschiedlichen Verfassungsaufträge und Finanzbedürfnisse der einzelnen Staaten.

Im Namen von Industrie, Banken, Versicherungen, Handel und Handwerk wiederholte die Union des entreprises luxembourgeoises diese Woche ihre Forderungen nach Steuersenkungen für das nächste Haushaltsjahr. Dazu gehört an erster Stelle eine Senkung des Gesamtsteuersatzes der Unternehmen. Wobei eine Senkung des Körperschaftssteuersatzes am liebsten gesehen wäre, auch weil er am aussagekräf­tigsten ist, wenn ausländische Investoren Standortvorteile verschiedener Länder vergleichen.

Aber gerade diese Forderung dürfte am schwierigsten durchzusetzen sein. Denn die Regierung versucht, sich an einer weiteren, politisch heiklen Senkung der Körperschaftssteuer vorbeizudrücken und würde in Zei­ten der Indexmanipulation und der Sparappelle lieber weniger auffälli­ge Maßnahmen zur Einschränkung der Bemessungsgrundlage vornehmen. Wobei es ihr dann auch leichter wäre, Interessenunterschiede von Industrie, Banken und Mittelstand gegeneinander auszuspielen.

An zweiter Stelle verlangen die Unternehmer die Senkung oder Abschaffung der Gesellschaftssteuer. Allerdings hat die Regierung die Gesellschaftssteuer bereits für das laufende Jahr gesenkt und versprochen, sie gemäß einer europäischen Richtlinie bis 2010 ganz abzuschaffen. So dass es vor allem darum gehen kann, diese schrittweise Abschaffung des Droit d‘apport schneller vorzunehmen, als geplant.

Nach der Abschaffung der Vermögenssteuer für natürliche Personen verlangt der Dachverband der Unternehmervereinigungen, auch die Vermögenssteuer für Betriebe abzuschaffen. Außerdem sollen die internationalen Rechnungslegungsvorschriften International Financial Reporting Standards (IFRS) eingeführt werden. Von der nächsten Regierung wünscht sich der Verband, dass fiktive Zinsen auf den Eigenmitteln steuerlich absetzbar werden, um sie mit der Finanzierung aus Drittmitteln gleichzusetzen. Die mittelständischen Unternehmer wollen zudem die Möglichkeit erhalten, steuerfreie Rücklagen für künftige Investitionen bilden zu können. 

Doch innerhalb der Regierung gehen die Meinungen über das Ausmaß der Steuersenkungen auseinander. Und angesichts des Forderungskatalogs der Unternehmer bemängeln manche Regierungsmitglieder, dass die Unternehmer zwar anhaltend über ihre Besteuerung klagten, aber dass sie ihre liebe Mühe hätten, konkrete Verbesserungsvorschläge vorzubringen.

Zudem ist es für den Finanzminister in der augenblicklichen Wirtschaftskonjunktur riskant, allzu großzügig auf Staatseinnahmen zu verzichten. Wenige Monate vor den Wahlen wird die derzeit angeschlagene CSV auch eine eiserne Reserve benötigen, um sich, neben der versprochenen Pauschale als Ersatz für den Arbeitnehmerfreibetrag, notfalls mit einigen weiteren Annehmlichkeiten in die Herzen der Wähler zu kaufen.

Doch Finanzminister Jean-Claude Juncker hatte vergangenes Jahr im Laufe der nicht immer einfachen Ver­handlungen über das arbeitsrechtliche Einheitsstatut gemeint, man müsse die von der Tripartite vor­gegeben Kostenneutralität als Teil eines Pakets sehen, zu dem auch Steuersenkungen gehörten. Das sahen die Unternehmer damals teilweise anders. Aber nun dürften sie ihn daran erinnern.

Romain Hilgert
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