LEITARTIKEL

Frauen und Männer

d'Lëtzebuerger Land vom 06.10.2023

Luc Frieden spricht gerne von Leadership. Er bevorzuge ein „Leadership nach amerikanischer Art“, erklärte er beim Auftakt der CSV-Wahlkampagne am 12. September. Ein Premierminister müsse schon mal „mit der Faust auf den Tisch schlagen“, wenn es um Steuerfragen, den Wohnungsbau oder das Gesundheitswesen geht, belehrte er DP-Premier Xavier Bettel vergangene Woche im RTL-Fernsehduell. Diesen Dienstag Abend in der RTL-Runde mit Bettel, Paulette Lenert (LSAP) und Sam Tanson (Grüne) brachte er das Zauberwort erneut an: Mit dem richtigen „politischen Leadership in den Ministerien“ lasse der Verwaltungsaufwand sich um zehn bis zwanzig Prozent senken. Für Minister/innen als politische Chefs von Verwaltungen sei es „absolut notwendig, von oben herab zu sagen, wir sind in ein System gegangen, das zu kompliziert geworden ist“. Dann werde Luxemburg wieder „wie früher“ ein Land der kurzen Wege.

Das sind nicht bloß Details. Seine Erzählung von der DP-LSAP-Grüne-Regierung, die nicht richtig geführt und der die Einigkeit abhanden gekommen sei, begann Luc Frieden bald nachdem die CSV-Parteiführung ihn Anfang Februar als Spitzenkandidat designiert hatte: „Eng nei Politik“ müsse her, weil die Koalition im Wahljahr Auseinandersetzungen um Steuererleichterungen, ein neues Mietgesetz oder eine Liberalisierung im Gesundheitswesen auch öffentlich zu führen begonnen hatte. Frieden erhob diese Themen zu Prioritäten und die Stärkung der Kaufkraft zum Leitthema. Versprach im Juni eine Woche nach den Gemeindewahlen, bei denen die DP viel gewann und die CSV leicht verlor, eine Runde Steuersenkungen für alle. Schon mit dem nächsten Haushaltsgesetzentwurf könne es losgehen. Die Autorität des Ex-Finanzministers werde schon dafür sorgen, dass genug Wähler/innen sich nicht fragen, ob eine große Steuersenkung sich für die Staatskasse wirklich selber finanziert.

„Leadership“ und „wie früher“ sind auch der Versuch, die Wahlen am Sonntag zu einer Abstimmung über einen starken Mann zu machen. Ehe der CSV-Staat sich endgültig in einen DP-Staat verwandelt, will Luc Frieden an die Tradition anknüpfen, in welcher der CSV-Staat dem Land einen Patriarchen nach dem anderen schenkte, zuletzt von Pierre Werner über Jacques Santer bis hin zu Jean-Claude Juncker. Je mehr im Wahlkampf von Logementskris und Baukris gesprochen wird, desto mehr versucht Frieden sich als Alternative zum Ekippe-Kapitän Xavier Bettel zu empfehlen, als eine Art Regierungs-CEO, der entschlossen entscheidet. Etwa im Bauperimeter: Natürlich gibt es auch eine Klimakris. Doch es sei, dozierte er am Dienstag in RTL, „wie oft im Leben, bei vielen Entscheidungen muss man verschiedene Interessen abwägen. Die Natur ist wichtig, auch für die CSV, der Klimaschutz, der Naturschutz. Doch der ist außerhalb der Städte und nicht in den Agglomerationen“.

Luc Frieden habe „Kompetenz a Krisenzäiten“ bewiesen, hatte Parteipräsident Claude Wiseler dem CSV-Nationalrat am 1. Februar erklärt und damit eine taktische Richtung der Partei schon dargelegt. Doch wer die Debatten der letzten Wochen verfolgt hat, kann zu dem Schluss kommen, dass sich am Sonntag mit ihren Parteien nicht nur die Führungs-Typologien „CEO“ und „Teamplayer“ zur Wahl stellen. Paulette Lenert und Sam Tanson haben in den letzten Wochen beträchtlich an politischem Profil gewonnen. Der große Regierungswechsel 2013 hatte auch die Erkenntnis geliefert, dass Luxemburg nicht unbedingt einen starken Mann braucht. Eine Erkenntnis von 2023 könnte lauten, dass an der Spitze einer Regierung auch eine kompetente Frau stehen kann.

Peter Feist
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