European month of photography

Closed circuit

Esther Hovers
Foto: Boris Loder
d'Lëtzebuerger Land vom 12.05.2017

Überwachungssysteme, die Bilder dank Algorithmen analysierbar machen, Bilder von Attentaten, die ikonisiert werden – kuratiert von Danielle Igniti finden im Rahmen des European month of photography in Düdelingen zwei Ausstellungen statt, in denen sich drei Künstler mit dem Verhältnis von Bild, Kontrolle und Repräsentation auseinandersetzen.

Die niederländische Fotografin Esther Hovers präsentiert im Centre d’art Dominique Lang zwei Projekte. False positives besteht aus weitwinkligen Aufnahmen urbaner Szenerien wie Treppen oder Straßenübergängen. Ungewöhnlich wirken dabei einige Konstellationen: zwei Männer, die auf einem öffentlichen Platz hintereinander herrennen, eine Person, die verloren zwischen vorbeigehenden Passanten steht. Andere Bilder zeigen scheinbar Gewöhnliches, etwa einen Herrn der an einer Mauer eine Zigarette raucht. Was die Bilder eint, ist die Darstellung angeblich abnormer Bewegungsmuster. Auf ansprechende Weise sind kleinformatige Skizzen der Personen und Orte an den Wänden angebracht, die diese Muster isoliert darstellen.

Hovers erklärt, sie habe für dieses Projekt Entwickler von smart cameras interviewt, Überwachungskameras, die Bewegungsmuster erfassen, analysieren und bei verdächtigem Verhalten Alarm schlagen. Mit Hilfe eines Stativs fotografierte sie die Szenerien mehrfach innerhalb eines kurzen Zeitrahmens und bat teils Passanten, bestimmte Muster zu inszenieren. Die verschiedenen Aufnahmen montierte sie anschließend zu Bildern, auf denen mindestens eines der acht verdächtigen Verhaltensmuster zu sehen ist, die Hovers recherchiert hat.

In Zeiten von Terror und der Diskussion über Freiheit und Sicherheit fragt Hovers mit ihrer analytischen Arbeit nach Sinn und Effizienz derartiger Überwachungssysteme. Die sehr aktuelle und konzeptionell wie ästhetisch überaus starke Serie suggeriert dabei ein differenziertes Urteil: erscheinen die meisten dieser „falschen Alarme“ absurd, so rufen einzelne Szenerien, wie etwa drei sternförmig auseinanderlaufende Personen doch Unbehagen hervor.

Mit Searching for Europe präsentiert die talentierte Künstlerin außerdem eine Auswahl eines laufenden Projekts zur Zukunft der Europäischen Union. Hovers zerteilt verschiedene Motive zum Thema Europa gitterförmig und fixiert die fragmentierten Bilder auf Leinen. Orientiert hat sich die Künstlerin dabei an militärischen Karten. Obschon die gezeigte Auswahl nicht dieselbe Wirkung und Konsistenz aufweist wie False positives, lässt ein Blick in Hovers Buch, das in der Galerie zu erwerben ist, auf das große Potenzial des Gesamtprojekts schließen.

Der Fotografie in postfaktischen Zeiten widmet sich die Ausstellung Y’a pas photo von Bruno Baltzer und Leonora Bisagno im Centre d’art Nei Liicht. Ein Raum ist dem Werk Les pieds dans le plat gewidmet, einem Villeroy & Boch-Teller in dessen Alt-Luxemburg-Farbe die Fußabdrücke des Luxleaks-Whistleblowers Antoine Deltour zu sehen sind. Ebenso Teil der Ausstellung ist ein Auszug aus einer sektiererisch formulierten PwC-Mitarbeiterbroschüre, die Angestellte von Leaks abhalten soll und in ihrer Absurdität die Paranoia der Firma offenbart.

Eine Auseinandersetzung mit dem World Press Photo 2017, das den Attentäter des russischen Botschafters in der Türkei zeigt, liefert ein Schattenriss von dessen Arm, der mit ausgestrecktem Zeigefinger an der Wand schwenkt und auf die Symbolträchtigkeit der Geste verweist, die dem Bild seinen ikonischen Charakter verleiht.

Ebenso aktuell ist die in ihrer kreischenden Zackigkeit als Neonschrift umgesetzte Signatur Donald Trumps, die großformatig vor dem unscharfen Mund einer Sängerin montiert wurde, die bei Trumps Amtsantritt die Nationalhymne sang. In dieser Kombination wirken die einzelnen Zacken wie Nähte, die den Mund dahinter zuknüpfen. An der Wand gegenüber manifestieren sich die Reaktion auf Trumps Unterzeichnung des Muslim Ban, von dem die Vorlage für die Neonistallation stammt: Fotografien von Protestschildern, ebenfalls als Schilder umgesetzt, als Frage nach der medialen Repräsentation des Protests.

Der französische Staatspräsident auf Besuch in Luxemburg ist hinter Panzerglas in Form eines unkenntlichen Detailfotos gezeigt – in postfaktischen Zeiten genüge schließlich der Verweis, es handele sich um Hollande, so Baltzer. Umringt – und somit beschützt – ist diese Skulptur von Bildern der großherzoglichen Bodyguards, die Finger ebenfalls als verschwommene Close-Ups umgesetzt.

Baltzer und Bisagno liefern eine gelungene, eminent politische Arbeit. Die spannungsreichen, oft ironischen Bezüge politischer Repräsentation und Opposition in den für sich gesehen teils hermetischen Installationen erschließen sich jedoch nicht ohne die entsprechenden Erklärungen durch die Künstler oder den Begleittext.

Esther Hovers: Structures of power und Bruno Baltzer und Leonora Bisagno: Y’a pas photo im Centre d’art Dominique Lang bzw. im Centre d’art Nei Liicht, Düdelingen; Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag 15-19 Uhr; www.galeries-dudelange.lu.

Boris Loder
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