Souvereign wealth funds

Geldregen, Geldsegen?

d'Lëtzebuerger Land vom 20.03.2008

Auf den ersten Blick scheint es ein wenig kurios. Während in Europa und den USA die Angst vor den sovereign wealth funds (SWF) grassiert, also staatlichen Fonds – normalerweise mit Ölgeldern gespeist –, schlägt die Handelskammer in der aktuellen Nummer von Actualité et Tendances die Schaffung eines SWF in Luxemburg vor.

Ein solcher Fonds, meinen die Volkswirte der Handelskammer, könne Abhilfe schaffen. Das Problem, das sie lösen wollen, ist das der stark schwankenden Staatseinnahmen. Dass dieses gerade jetzt wieder akut ist, steht außer Frage. Mehrmals haben Staatsminister Jean-Claude Juncker und Zentralbankchef Yves Mersch davor gewarnt, durch die aktuelle Finanzmarktkrise werde es zu Steuereinbußen kommen, weil der Finanzplatz der wichtigste Steuerzahler im Land ist. Vor allem die taxe d’abonnement, verschiedene Arten an Mehrwertsteuer und die Steuer auf Kapitalerträgen seien besonders anfällig für starke Fluktuationen, stellten Carlo Thelen und Muriel Bouchet am Montagabend bei der Vorstellung ihrer Analyse fest, eben die Steuern die direkt mit dem Gesundheitszustand der Finanzinstitute und der Lage an den internationalen Börsen zusammenhängen.  

Grob vereinfacht, würde dies folgendermaßen funktionieren: Über die fetten Jahre hinweg zahlt man die Budgetüberschüsse in den Fonds ein. In den mageren Jahren kann man auf die dort angesparten und vermehrten Gelder zurückgreifen, um das Budget im Gleichgewicht zu halten. Was den Arabern ihr Öl, ist uns der Finanzplatz, so die Überlegung. Das arabische Emirat Abu Dhabi hütet derzeit den größten Schatz dieser Art. Stolze 625 Milliarden Dollar – 481,9 Prozent des Bruttoinlandproduktes – verwaltet und investiert die Abu Dhabi Investment Authority. Ölgelder, die nun im Ausland angelegt werden sollen, um die Einnahmen zu sichern für die Zeit nach dem Ölsegen.

Klingt an sich nach einer guten Idee, nur woher soll Luxemburg das Geld nehmen, um einen solchen Fonds zu speisen? So reichlich, wie aus den Ölferldern im Morgenland sprudeln die Einnahmen nicht aus dem Finanzzentrum. Und eigentlich gibt es schon eine ganze Reihe an Spezial- und Reservefonds, in welche die Überschüsse – wie auch die des vergangenen Jahres – eingezahlt werden. Straßen und Schienen werden von den Fonds finanziert. Infrastrukturinvestitionen, die sonst direkt übers Staatsbudget getätigt werden müssten. Dann würden mögliche Überschüsse ohnehin kleiner ausfallen.

Die Volkswirte der Handelskammer haben eine Simulation erstellt. Zwischen 1996 und 2006 stiegen die Ausgaben des Staates, Sozialtransfers und Investitionen ausgenommen, um sieben Prozent, die der Nachbarländer um nur drei Prozent. Hätte man über diese Zeitspanne die Ausgaben auf vier Prozent eingeschränkt und die Ersparnisse in einen Fonds eingezahlt, hätten die Einlagen bei einer jährlichen Rendite von sechs Prozent 2024 100 Prozent des Bruttoinlandproduktes erreicht, rechnen Thelen und Bouchet vor. Außerdem bestünde, so Thelen, das habe die Handelskammer in ihren Gutachten zum Staatshaushalt mehrmals betont, ein großes Sparpotenzial. „Wir kommen da relativ einfach auf 200 Millionen Euro“, sagt Thelen.

Das dürften Viele anders sehen, denn Sparpotenzial sieht die Handelskammer unter anderem bei der Mammerent und bei den Armee- und Kulturausgaben. Auch darüber, wie die Haushaltsüberschüsse zwischen den bereits existierenden Spezialfonds und der von ihnen angedachten staatlich kontrollierten Fondsgesellschaft aufgeteilt werden sollen, schweigt sich Thelen aus. Das liege im Ermessen der politischen Entscheidungsträger, erklärt er sich. Vielleicht sitzt er auch in der Zwickmühle, denn prinzipiell hat er an den Spezialfonds nichts auszusetzen, nur dass sie kurz- und nicht langfristig ausgerichtet sind, und sie  damit nicht das gleiche Ziel wie ein SWF verfolgen. 

Mit dem Fonds de compensation commun au régime général de pension existiert bereits ein langfristig ausgerichteter Fonds. Der 2004 als Heilmittel gegen die wachsenden Rentenansprüche gegründete Fonds ist mit fünf Milliarden Euro gespickt und in seiner Zielsetzung den Fonds anderer Länder, wie Norwegen, nicht unähnlich. Allerdings findet Thelen die Anlagepolitik des Fonds de compensation zu konservativ. Per Gesetz ist die Summe, die in Aktien und Anlageinstrumente mit vergleichbarem Risiko investiert werden dürfen, begrenzt. Und die Rendite auf den fünf Milliarden deswegen nicht so hoch, wie sie eigentlich sein müsste, findet Thelen.

Auf die Frage, ob die Beteiligungen des Staates in einen solchen Fonds übertragen werden sollten, hat die Handelskammer direkt keine Antwort parat. Denn die verfolgen üblicherweise nicht das Ziel, eine gute Rendite einzufahren, sondern wurden aufgenommen, um Firmen, die in Schwierigkeiten steckten, zu helfen, oder um neuen Unternehmen Starthilfe zu geben. Außerdem beschränken sie sich im Prinzip auf Luxemburger Firmen. Ein SWF allerdings müsste auch im Ausland investieren, sonst, erklärt Thelen, hinge das Resultat ja wieder von der nationalen Konjunktur ab. Würde der Fonds also zum Raubtier gegenüber ausländischen Betrieben?

Das ist es ja, was Frankreich, Deutschland und die USA den gut zwei Dutzend sovereign wealth funds anderer Länder vorwerfen. Die würden die Fonds benutzen, um sich in strategische Wirtschaftszweige einzukaufen, um an sensibles Datenmaterial zu gelangen, damit politische Ziele verfolgen, und wären in ihrer Anlagepolitik untransparent. Seit der Preis für ein Fass Öl die hundert Dollargrenze überschritten hat, mehren sich zudem die Vorwürfe, die Öl fördernden Ländern würden über ihre SWF den Preis künstlich antreiben, um die durch den schwachen Dollarkurs provozierten Einnahmeausfälle auszugleichen. Vergangenen Monat, beim G7-Treffen in Japan, wetterte der Chef der Eurogruppe Jean-Claude Juncker, es sei „inakzeptabel, dass während der russische Staatsfonds über Europa fegt, sich die europäischen Unternehmen in einer Situation befinden, in der es ihnen nicht möglich ist, ähnliche Aktivitäten in Russland auszuüben.“

Seitdem haben sich die Gemüter etwas beruhigt. Beim Frühlingsgipfel betonten die europäischen Staatschef die positive Rolle der SWF während der Finanzmarktkrise. Fonds aus dem Mittleren Osten und Asien nutzten die klamme Lage der westlichen Banken, wie der amerikanischen Großbank Citigroup oder der Schweizer UBS, um sich über kräftige Geldspritzen in deren Kapital einzukaufen – und linderten so deren Probleme. Allerdings scheinen sie dieses Vorgehen angesichts der seither weiter abgestürzten Bankkurse schon zu bereuen. Zum Rendez-vous bei Bear Stearns erschienen sie vergangenes Wochenende nicht. Ein Indiz dafür, dass die Priorität auf der Rendite liegt und es nicht darum geht, um jeden Preis bei westlichen Banken einzusteigen?

Die Europäer beschlossen beim Gipfel auch, sich aktiv an der Ausarbeitung von Benimmregeln für SWF einzubringen. Bis Oktober soll der internationale Währungsfonds Vorschläge dazu machen, was SWF dürfen sollen und was nicht – zum Beispiel Mehrheitsbeteiligungen erwerben – und was sie an Informationen offenlegen müssen. Nun scheint die Zeit zu drängen, obwohl manche der Staatsfonds bereits in den Siebzigerjahren gegründet wurden. Ende 2007 allerdings, schätzen Experten, verfügten sie über 1,5 bis 2,5 Billionen Dollar. Bis 2015 könnten es laut Morgan Stanley sogar zwölf Billionen Dollar werden. Damit nimmt ihre Rolle als Geldgeber für die Wirtschaft weltweit eine neue Dimension an. Außerdem wurmt die Europäer, das geht aus dem EU-Positionspapier hervor, ein andere Problematik. In den Fonds, so die Sorge, sammeln die betreffenden Länder parallel zu den offiziellen Reserven große Mengen an ausländischen Devisen an, über die man leicht den Überblick verliert. Beim aktuellen Ungleichgewicht in den Währungswechselkursen ein Nachteil.

Mit Junckers Kommentaren in Japan hat die offizielle Position der Luxemburger Regierung gegenüber den neuen internationalen Kapitalgebern wenig gemein. Die brachte Wirtschaftsminister Jeannot Krecké beim letzten Ecofin-Treffen vor, und da ist man den staatlichen Fonds positiv gesinnt. „Man soll das nicht verteufeln“, sagt Krecké. Er habe in letzter Zeit bei seinen Missionen oft Gespräche mit den Leitern solcher Fonds geführt und festgestellt, dass die Ängste unbegründet und die Vorwürfe keiner seriösen Diskussion standhalten würden. „Die meisten der Fonds haben ein Geschichte, die zeigt, dass sie nie ein Destabilisierungsfaktor waren“, sagt der Wirtschaftsminister. Von Vertrauensbonus spricht er und fügt hinzu: „Meist erwerben sie nur Minderheitsbeteiligungen und versuchen nicht, das Tagesgeschäft der Unterenehmen zu beeinflussen.“ So überzeugt ist er davon, dass er versuchen wird, „einige Leute um einen Tisch zu versammeln“, hier in Luxemburg.

Anfang April soll die erste Luxemburger Außenhandelskonferenz stattfinden. Als Redner unter anderem dabei sind Währungskommissar Joaquín Almunia und der frühere russische Wirtschaftsminister German Oskarovich Gref, der an der Gründung des russischen Stabilisationsfonds mitwirkte. Fast wäre der ganz große Coup geglückt. Sheikha Lubna bint Khalid Al Qasami, Wirtschaftsministerin der Vereinigten arabischen Emirate hatte ihre Teilnahme schon zugesichert, musste dann aber wieder absagen. So versuchen Krecké und seine Beamten, eine Runde zusammen zu bringen, in der über die Rolle der SWF in der Weltwirtschaft diskutiert werden soll sowie über die Gestaltung möglicher Regelwerke. Dass die Länder, die solche staatlichen Investmentgesellschaften betreiben, unbedingt mitreden wollen, sagte der chinesische Außenminister Yang Jiechi vor kurzem deutlich.„It’s in everyone’s interest to make good use of sovereign funds in line with international financial rules. But of course the rules of games should be set up by all involved“, wurde er in der People’s Daily zitiert. 

Wang Jianxi, Stellvertretender Generaldirektor der China Investement Corporate Ltd, wurde im gleichen Artikel mit der Aussage zitiert, man habe an die 100 ausländische Fonds Manager kontaktiert, um die Anlagen der CIC zu diversifizieren. Dort, und auch wenn andere Staatsfonds Lose verteilen, wären die Spezialisten vom Luxemburger Finanzplatz bestimmt gerne mit von der Partie. „Einige Türen haben wir ihnen geöffnet“, sagt Krecké und meint damit wohl seine vielen Reisen in den Mittleren Osten. „Aber ihre Chancen müssen sie nun selbst nutzen.“ 

Dabei sieht er durchaus noch andere Chancen. Ziemlich hilflos standen die Luxemburger 2006 da, als die Offiziellen von Katar vorschlugen, eine Milliarde Dollar bereitzustellen und in Joint Ventures mit dem Großherzogtum zu stecken. Sie wollten gemeinsam mit Luxemburg investieren. Da fehlten Geld und Ideen. Auch die Kuwaitis wollten gemeinsame Sache mit den Luxemburgern machen. Auf solch verlockende Angebote will man künftig vorbereitet sein und Projekte bereit haben, welche die Ölmilliardäre quasi schlüsselfertig finanzieren könnten. Von Risikokapital und Start-Ups ist die Rede. In was genau solche Summen hierzulande investiert werden könnten, darüber hüllt sich Krecké derzeit in Schweigen. In der Zusammenfassung heißt das allerdings, dass während die Handelskammer dafür eintritt, einen staatlichen Fonds zu schaffen, der im Ausland investiert, der Wirtschaftsminister versucht, ausländische Staatsfonds Luxemburger Projekte finanzieren zu lassen, die sonst eher bei anderen öffentlichen Einheiten Unterstützung fänden.

Michèle Sinner
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