Staatstreue Denunzianten

Fröhliche Hatz

d'Lëtzebuerger Land vom 31.08.2012

Heute loben wir die staatstreuen Denunzianten. Das Gesundheitsministerium ist zuständig für alles, was gesund ist und gesund erhält. Jetzt hat ein Mitarbeiter der Inspection sanitaire freimütig eine neue Sportart lanciert, die selbst die Gesündesten unter uns noch viel gesünder machen soll. Im Klartext: „Do, wou d’Fëmmverbuet net respektéiert gëtt, kënnen d’Leit, déi sech gestéiert fillen, dat mellen, also eng Plainte maachen“ (RTL, 03.08.2012). Achtung, dies ist ein gesundheitsrelevanter Appell an die gesamte Bevölkerung. Jeder von uns kann sich ab jetzt in einer neuen Disziplin auszeichnen, die den Kreislauf fördert, das Hirn ventiliert, das Gemüt besänftigt, die schiefe Seelenlage korrigiert und die Selbstzufriedenheit steigert: die staatlich geförderte Denunziation. Wer klagt und sich beklagt, wer dem Staat Informationen über Rauchverbotsignoranten zuspielt, verschafft sich sozusagen einen enormen Wohlfühlbonus. Die Denuniziation ist praktisch Gesundheitspolitik auf privater Basis.
Sehr intressant ist, wie entschlossen, blitzschnell und produktiv der Staat vorgeht, sobald sich der liebe Denunziant bei ihm gemeldet hat. Nämlich: „Wann dann awer esou ee Fall der Inspection sanitaire gemellt gëtt, geet een Agent sanitaire sech d’Saach och ukucken. Et gëtt da gekuckt, ob et ee Restaurant, eng Pâtisserie oder ee Café ass. Wann dann d’Plainte sech als legitim erweist, geet se un d’Police oder d’Douane weider.“
Wie wir aus garantiert unzuverlässiger Quelle erfahren, plant das Gesundheitsministerium sogar eine neue Staatsbeamtenkarriere. Der diplomierte Rauchverbotspräservator (DRVP) soll fortan am Ort des Verbrechens tätig werden. Dieser spezialisierte Agent sanitaire muss unheimlich schnell sein, quasi ein Usain Bolt der kriminellen Pisten. Es ist völlig ausgeschlossen, dass er im Auto oder –schlimmer noch – mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Einsatz eilt: Er käme regelmäßig zu spät. Denn wie soll er das Verbrechen noch registrieren, wenn sich die Rauchschwaden längst verflüchtigt haben? Oder wenn sich der Täter fahrlässig aus dem Staub gemacht hat? Mitsamt seiner Zigarettenschachtel?
Vielleicht hilft es dem überforderten DRVP, wenn wir fröhlichen Denunzianten kreativ in die Hatz eingebunden werden. Man sollte uns erweiterte Kompetenzen zuteilen. Wir könnten zum Beispiel den Delinquenten festhalten, damit er den Tatort nicht vorzeitig verlässt. Wichtiger noch: Wir sollten ihn zum Weiterrauchen zwingen dürfen. Und zwar solange, bis der DRVP eintrifft. Damit der staatliche Fahnder sofort missbilligend rufen kann: „Hier hat aber einer ganz schön gepafft!“ Wenn die Gerechtigkeit ihren Lauf nehmen soll, darf der Staat eben nicht knauserig sein. Und auch nicht wählerisch.
Natürlich braucht das Gesundheitsministerium ein beträchtliches DRVP-Kontingent. Wenn wir Denunzianten mal so richtig auf den Geschmack kommen und voller Eifer unsere staatsbürgerliche Anschwärzungspflicht erfüllen, wird es nicht mehr ausreichen, eine Handvoll Agents sanitaires in die gesetzeswidrigen Spelunken zu schicken. Dann muss eine ganze DRVP-Armee marschieren, ein Heer von Gesundheitsaposteln mit unbegrenzter Zugriffsbefugnis. Ein paar tausend neue Staatsdiener müssten schon für die DRVP-Laufbahn vorgesehen werden. Es wäre doch fatal, wenn auch nur ein einziger rauchender Staatsfeind durch die Maschen eines viel zu grob gestrickten administrativen Netzes fallen könnte.
Dürfen wir dem Herrn Gesundheitsminister noch kurz einen Vorschlag flüstern? Das eigentliche Problem sind ja die Kriminellen, die draußen im Freien rauchen. Wie frei ist denn das Freie, wenn wir Spaziergänger und Lustwandler uns ständig einen Weg durch wolkenähnliche Rauchbildungen bahnen müssen? Haben Sie schon mal überlegt, Herr Gesundheitsminister, wieviele Kollisionen im öffentlichen Raum auf das Konto des Rauchernebels gehen? Ganz abgesehen davon, dass die Raucher permanent die Häuserfassaden verunreinigen, sich also der absichtlichen Sachbeschädigung schuldig machen? Auch in diesem Spätsommer sieht das Laub an den Bäumen schon wieder verdächtig rostig aus. Wir alle kennen den Grund. Es sind die Raucher, die sich heimtückisch aus den Gaststätten absetzen und draußen im Freien ihr Werk der Zerstörung fortsetzen. Hat die Natur diese Schmach verdient? Soll das nationale Baumsterben demnächst sein finales Stadium erreichen, nur weil verantwortungslose Kettenraucher buchstäblich unser Patrimonium wegpusten?
Verbieten Sie doch endlich auch das Rauchen im Freien, Herr Gesundheitsminister! Es hätte nämlich den Vorteil, dass wir Denunzianten uns nicht eigens in eine Gaststätte begeben müssen, um zu denunzieren. Leicht und locker könnten wir jeder Zeit die Inspection sanitaire anrufen, über dem entspannten Shoppen sozusagen, ohne lästigen Umweg über irgend ein rauchgeschwängertes Bistro. Und für Ihre DRVP-Funktionäre wäre die Aktivität im Freien auch viel gesünder. Sie könnten sich sogar über der Arbeit gemütlich (verflucht, jetzt hätten wir fast gesagt „einen Glimmstängel leisten“).

Guy Rewenig
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