Parlamentarische Ermittlungsausschüsse

Den honorablen Här Sherlock Holmes

d'Lëtzebuerger Land vom 12.06.2008

Selten genießen die Arbeiten des Parlaments größere öffentliche Aufmerksamkeit, als wenn sie die Form von Ermittlungsausschüssen annehmen. Weil diese immer ein Hauch von politischem Skandal umweht und weil sie so selten sind: In zwei Jahrhunderten gab es lediglich 17 davon.

Am Mittwoch dieser Woche verabschiedete der parlamentarische Ausschuss der Institutionen und Verfassungsrevision seinen Bericht zu ei­nem Gesetzesvorschlag, der die sehr weiten Befugnisse künftiger Ermittlungsausschüsse einschränken soll. Immerhin sehen die Verfassungen seit 1841 ein Ermittlungsrecht der Ständeversammlung, beziehungsweise des Parlaments vor. Es wurde erstmals 1881 genutzt, als zwei Ermittlungsausschüsse über die Reorganisation des Ettelbrücker Hospizes und den Krach der Nationalbank geschaffen wurden. Die Befugnisse und Arbeitsweise der Ausschüsse entschieden sie selbst. Denn erst 1911 trat das bis heute gültige Gesetz zur Regelung der Ermittlungsausschüsse in Kraft, das derzeit auch Bestandteil des Kammerreglements ist.

Nach dem Ermittlungsausschuss von 1935 über die Spekulation gegen den belgisch-luxemburgischen Franken wurde fast ein halbes Jahrhundert lang kein parlamentarischer Ermittlungsausschuss mehr gegründet, auch nicht im Zusammenhang mit den Säuberungen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. 1980 wurde dann einer der meist beachteten Ermittlungsausschüsse geschaffen, der erfolglos herauszufinden versuchte, ob Politiker und Polizeioffiziere in die Jahrhundertaffäre verwickelt waren. Weil es der Kammer inzwischen an Erfahrung fehlte, bestellte sie bei dem Juristen Alex Bonn ein Rechtsgutachten über die Befugnisse des Ausschusses.

1989 wurde ein Ermittlungsausschuss gegründet, der Unregelmäßigkeiten im Kurbad Mondorf nachspüren sollte. Die Affäre kostete LSAP-Gesundheitsminister Benny Berg das Amt. 1994 untersuchte ein Ausschuss die Vorwürfe des ADR-Abgeordneten Robert Mehlen in der Valissenaffär und fand sie unhaltbar. Nachdem die Staats­anwaltschaft sich geweigert hatte, mit einem parlamentarischen Sonderauschuss zusammenzuarbeiten, wandelte die Kammer ihn im Mai 2002 in einen Ermittlungsausschuss um, der im Kralowetz-Skandal überprüfen sollte, wie das Transportministerium Lizen­zen für den internationalen Straßentransport vergab.

Seit 1911 können sich diese parlamentarischen Ermittlungsausschüsse nämlich darauf berufen, dass Artikel 4 des Gesetzes und neuerdings Artikel 170 des Kammerreglements ihnen dieselben Befugnisse wie einem Untersuchungsrichter in Strafsachen zuerkennt. Und die Befugnisse eines Untersuchungsrichters reichen bekanntlich sehr weit – bis zu Hausdurchsuchungen beim Premierminister und dem Nachrichtendienst.

Allerdings gerieten die parlamentarischen Untersuchungsrichter immer wieder in Konflikt mit den richtigen Untersuchungsrichtern. Denn oft suchten die Abgeordneten nach den politischen Hintergründen in Angelegenheiten, die auch Gegenstand von Strafverfahren waren. So dass sich stets die Frage nach der Ge­waltentrennung zwischen Legislative und Judikative stellte. Weshalb auch nach den schweren Vorwürfen des Staatsanwalts bis heute kein parlamen­tarischer Ermittlungsausschuss über die Bommeleeër geschaffen wurde.

Die Gewaltentrennung war die Haupt­sorge, die den aktuellen LSAP-Präsidenten und Verfassungsexperten seiner Partei, Alex Bodry kurz vor den Wahlen 2004 bewog, einen Vorschlag zur Reform des Gesetzes von 1911 auszuarbeiten. Der Text verbietet nämlich Ermittlungsausschüsse über An­gelegenheiten, die Gegenstand gerichtlicher Ermittlungen sind. Auch muss ein Ermittlungsausschuss seine Arbeiten beenden, sobald die Strafverfolgungsbehörden in derselben Angelegenheit aktiv werden, beziehungsweise muss er sich auf Themenbereiche beschränken, die nicht in direktem Zusammenhang mit den gerichtlichen Ermittlungen stehen.

Ersatzlos gestrichen soll auch die im Gesetz von 1911 geschaffene Möglichkeit werden, dass das Parlament einen Obergerichtsrat mit Untersuchungshandlungen beauftragt. Auf diese Wei­se soll die Gewaltentrennung zwischen Parlament und Justiz deutlich vollzogen und klargestellt werden, dass ein parlamentarischer Ermittlungsausschuss kein juristisches, sondern ein politisches Organ ist. Kein Wunder, dass der Generalstaatsanwalt, der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs und die leitenden Friedensrichter von Luxemburg und Esch-Al­zette in ihren Stellungnahmen Bodrys Gesetzesvorschlag ausdrücklich begrüßen.

Daneben schränkt der Gesetzesvorschlag, der noch vor dem Sommerurlaub ein erstes Mal ins Plenum kommen soll, die Befugnisse parlamentarischer Ermittlungsausschüsse auf Fragen öffentlichen Interesses ein, unter ausdrücklichem Ausschluss individueller und privater Angelegenheiten. Vielleicht ein wenig zum Trost hatte Bodry vorgesehen, dass künftig ein Drittel der Parlamentarier genügten, um einen Ermittlungsausschuss zu gründen, damit keine Regierungsmehrheit Ermittlungsausschüsse verhindern kann. Doch am Mittwoch änderte der Institutionsausschuss diesen Artikel wieder, weil er im Widerspruch zu Artikel 62 der Verfassung steht, der absolute Mehrheiten für Kammerresolutionen verlangt. Nun soll zuerst Ver­fassungs­artikel 64 über die Ermittlungsausschüsse geändert werden, um eine Ausnahme zum Mehrheitsvotum zu ermöglichen.

Romain Hilgert
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