Archive
Feuilleton / Die kleine Zeitzeugin
Prinzen sterben nicht aus
Role Models
Michèle Thoma
Édition: 19.06.2015
Gut, dass es noch Prinzen gibt, dass sie nicht aussterben wie zum Beispiel die Bienen. Man kann ja nicht immer über Gotteskrieger, Griechen, Luxemburgerinnen schreiben. Gottseidank hat wieder ein Prinz geheiratet. Immer heiratet wieder ein Prinz.
Jo!, schmettert der Schwedenprinz. Die Angebetete …
Zum Muttertag
Mütter haben lebenslänglich
Michèle Thoma
Édition: 12.06.2015
Es gibt Bestandteile der Bevölkerung, die größenwahnsinnig werden könnten, sie müssen wahrlich allmächtig sein. Alles durch sie, wegen ihnen. Sie sind übermächtig, lauern im Hintergrund, im Unterbewusstsein, reden aus uns und noch aus dem Grab mit. In konventioneller Diktion werden sie Mütter …
Was das Volk alles sein könnte
Jasager, Neindenker
Michèle Thoma
Édition: 05.06.2015
Die Experten rücken an und erklären dem rückständigen Volk, wer es ist und was und was es Tolles sein könnte. Vielleicht existiert es ja gar nicht. Und die Nation, die es sich einbildet zu sein, existiert vielleicht auch nicht, komplett aus der Mode, trotz des tollen Nation Branding. Eine …
Mir ist gar nicht pfingstwunderlich
Blablablues
Michèle Thoma
Édition: 29.05.2015
Manchmal, zwischendurch, immer wieder, regelmäßig sehnt sich der Mensch nach Schweigen. Es ist alles gesagt. Bitte stell den Fernseher ab, oder sonstige Geräte, aus denen Menschen auf einen einreden. Im schlimmsten Fall witzig. Und die Zeitungen, so viele tote Bäume, stapeln sich, jemand soll sie …
Das blödeste Event des Jahres
Eurovisionär
Michèle Thoma
Édition: 22.05.2015
Es ist wieder soweit, das pompöseste, bombastischste, überflüssigste, blödeste Event des Jahres findet statt. Es ist hölzern, es ist aus Plastik und Silikon, es kommt anstolziert und angestampft. Es wuchtet sich auf Sockeln und Kothurnen, es schwebt, es klebt sirupös in unsern Ohrmuscheln, es ist …
Das Ziel ist hier meist eine Dienstleistung
Heimatkunde
Michèle Thoma
Édition: 08.05.2015
Es ist ein interessantes Land, es wird immer interessanter. Und immer verwirrender, wie alles Interessante. Niemand kann ganz genau sagen, was das für ein Land ist. Nur dass es klein ist, darüber herrscht allgemeiner Konsens.
Menschen, die sich hin und wieder verabschieden, über geräumigere …
Es war einmal ein Losungswort
Kathmandu
Michèle Thoma
Édition: 01.05.2015
Es war einmal Kathmandu. Ein Losungswort, ein Geheimcode, in aller Munde. Kathmandu, du gehörst dazu. Zur Bruder- oder Schwesternschaft, zu denen, die über die Ameisenstraße krabbeln, mit Siddharta im Rucksack. Sonst möglichst mit nichts. Oder nur Erbetteltem. Wie Mönche. Das ist das Höchste, das …
Flüchtlinge ertrinken im Mittelmeer
Ein Schiff wird kommen
Michèle Thoma
Édition: 24.04.2015
Sie gehen anscheinend nicht weg. Obschon wir diskret wegschauen, wir sind schließlich keine Voyeurinnen. Sie scheinen chronisch zu sein, immer wieder tauchen sie auf, aus unserer Tiefseele, egal wo wir sie verstauen. Anscheinend können wir sie nicht verdauen. Immer wieder kommen sie dem …
Ein greiser Häuptling hat das Zeitliche gesgnet
Alte Männer
Michèle Thoma
Édition: 17.04.2015
Wenn ein greiser Häuptling das Zeitliche segnet, schreckt die angeblich jugendwahnsinnige Gesellschaft kurz auf. Was, der Patriarch desertiert von der Arche!? Darf er das, geht das, wer soll ihnen denn jetzt vom Alterssitz etwas zurufen, vielleicht sogar etwas Aufmunterndes?
Wer wird jetzt …
Wegen Ostern
Kreuzweg der Touristen
Michèle Thoma
Édition: 10.04.2015
Sie irren frierend umher, auf der Suche nach Toiletten und etwas Essbarem. Sie flehen um ein Getränk, freuen sich über jedes noch so winzige Lächeln. Sie kommen in Schüben, Wellen, in Reih und Glied, aneinandergeklammert wie Ertrinkende. Sie schieben und schleppen, Taschen, Säcke, Koffer, Kinder, …
Die Herren der Lüfte
Aus allen Wolken fallen
Michèle Thoma
Édition: 03.04.2015
Über Wüsten und Wälder fliegen sie uns, über menschen- und gottverlassene Gegenden, über Meere und Metropolen, in himmelbeerfarbene Sonnenuntergänge. Während wir fidel ein Gläschen heben, oder zwei, beim Schweben. Die Herren der Lüfte haben gewagte Vogelprofile, markante, herb-männliche Gesichter …
Eine Kulturtechnik, die wir bewundern
Fuddelen
Michèle Thoma
Édition: 27.03.2015
Fuddelen, ein niedliches Wort, ich mag es. Es hat einen lässig- schmuddeligen Charme, es lächelt ein bisschen, kneift ein Auge zu, während es sich etwas in die Tasche steckt oder in den Mund, vielleicht auch aufs Konto. Es ist viel poetischer als Mogeln oder Schummeln, etwas Kindlich- …
Varoufakis
Reich, aber sexy
Michèle Thoma
Édition: 20.03.2015
Im grauen Februar kommt er angesprengt, auf dem Motorrad. Aus den tiefsten Neunzigern, oder waren es die Achtziger?, oder aus dem Unterbewusstsein, womöglich dem verdrängten. Ein bisschen oben ohne, dazu der bestimmt bläuliche Schimmer auf dem Kinn. Er hat so viele männliche Anteile, es könnte …
Im Hauptabendfernsehprogramm
Tote Frauen
Michèle Thoma
Édition: 13.03.2015
Geschlagene, gezwickte und hart gefickte Frauen haben ja bekanntlich derzeit Hochkonjunktur im christlichen Abendland. What else, was gibt es noch im Angebot?
Aah ja, tote Frauen. Die sind enorm beliebt. Und zwar nicht nur in speziellen, auf besondere Bedürfnisse spezialisierten Kreisen. Nein, …
Scharf eben
Frei und willig
Michèle Thoma
Édition: 06.03.2015
Sie täten es ja freiwillig. All die Frauen, die Millionen Weiber, die die Kinos stürmten, um einer Geschlechtsgenossin beim Geprügeltwerden zuzuschauen, beim Ansetzen der Daumenschrauben. Die geschlagene Frau täte es selbstbestimmt und aus freier Wahl.
Da die sehr direkt Beteiligte sich all dem …
War das ein Thema?
Jude geht gar nicht
Michèle Thoma
Édition: 27.02.2015
Eine Tischgesellschaft im deutschsprachigen Ausland. Menschen, die sich selber vermutlich aufgeklärt nennen würden, als auf dem neuesten Stand aller möglicher gesellschaftlicher Diskurse. Eine unter ihnen fragt eine junge Frau, ob sie Jüdin sei. Der Verlauf des Gesprächs hat das nahegelegt, zum …
Im Kopf nichts als Wurzeln
Abendland, umnachtet
Michèle Thoma
Édition: 13.02.2015
Ein Wahnsinn das Ganze, soweit sind sich die meisten einig, und rühren stirnrunzelnd in ihrem Kaffee. Irgendetwas ist passiert, ziemlich viel, was eigentlich, reich mir bitte den Zucker.
War das nicht mal, da wird mir wohl keine widersprechen, eine Erdgegend hier, in der das Essen zwar nicht so …
Unsere Heimat, die sich so heftig weiterentwickelt
Benzin und Blut
Michèle Thoma
Édition: 06.02.2015
Gerade ist unsere Heimat so stolz darauf, weil sie sich so heftig weiterentwickelt. Ruckizucki in Richtung Aufklärung, um, sorry, den in der letzten Zeit vielstrapazierten Begriff noch einmal zu strapazieren. Sie ist so rational geworden: Wer an Götter glaubt, soll das bitte diskret erledigen, …
Vater Staat und Mutter Kirche
Mutter Kirche wird nicht zum Teufel gejagt
Michèle Thoma
Édition: 30.01.2015
Vater Staat hat, lange hat er überlegt, aber es geht wirklich nicht mehr, Mutter Kirche läuft in komischen Kleidern umher, man kann sich mit ihr nicht mehr sehen lassen, sie spielt noch immer mit Puppen und will der Realität nicht ins Auge sehen, eine Entscheidung getroffen. Was soll Vater Staat …
Greise tragen keine Sprengstoffgürtel
Senioren sind keine Selbstmordattentäter
Michèle Thoma
Édition: 23.01.2015
Oder haben Sie schon mal von einem Greis gehört, der sich einen Sprengstoffgürtel umschnallt, um sich todessehnsüchtig ins Paradies zu bomben? Oder auch nur von einem etwas gesetzteren Herrn, einem ein bisschen grau gesprenkelten, mit ein bisschen Bauch oder Doppelkinn, ein paar Furchen?
So eilig …
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