Archive
Feuilleton / Die kleine Zeitzeugin
Wegen Ostern
Kreuzweg der Touristen
Michèle Thoma
Édition: 10.04.2015
Sie irren frierend umher, auf der Suche nach Toiletten und etwas Essbarem. Sie flehen um ein Getränk, freuen sich über jedes noch so winzige Lächeln. Sie kommen in Schüben, Wellen, in Reih und Glied, aneinandergeklammert wie Ertrinkende. Sie schieben und schleppen, Taschen, Säcke, Koffer, Kinder, …
Die Herren der Lüfte
Aus allen Wolken fallen
Michèle Thoma
Édition: 03.04.2015
Über Wüsten und Wälder fliegen sie uns, über menschen- und gottverlassene Gegenden, über Meere und Metropolen, in himmelbeerfarbene Sonnenuntergänge. Während wir fidel ein Gläschen heben, oder zwei, beim Schweben. Die Herren der Lüfte haben gewagte Vogelprofile, markante, herb-männliche Gesichter …
Eine Kulturtechnik, die wir bewundern
Fuddelen
Michèle Thoma
Édition: 27.03.2015
Fuddelen, ein niedliches Wort, ich mag es. Es hat einen lässig- schmuddeligen Charme, es lächelt ein bisschen, kneift ein Auge zu, während es sich etwas in die Tasche steckt oder in den Mund, vielleicht auch aufs Konto. Es ist viel poetischer als Mogeln oder Schummeln, etwas Kindlich- …
Varoufakis
Reich, aber sexy
Michèle Thoma
Édition: 20.03.2015
Im grauen Februar kommt er angesprengt, auf dem Motorrad. Aus den tiefsten Neunzigern, oder waren es die Achtziger?, oder aus dem Unterbewusstsein, womöglich dem verdrängten. Ein bisschen oben ohne, dazu der bestimmt bläuliche Schimmer auf dem Kinn. Er hat so viele männliche Anteile, es könnte …
Im Hauptabendfernsehprogramm
Tote Frauen
Michèle Thoma
Édition: 13.03.2015
Geschlagene, gezwickte und hart gefickte Frauen haben ja bekanntlich derzeit Hochkonjunktur im christlichen Abendland. What else, was gibt es noch im Angebot?
Aah ja, tote Frauen. Die sind enorm beliebt. Und zwar nicht nur in speziellen, auf besondere Bedürfnisse spezialisierten Kreisen. Nein, …
Scharf eben
Frei und willig
Michèle Thoma
Édition: 06.03.2015
Sie täten es ja freiwillig. All die Frauen, die Millionen Weiber, die die Kinos stürmten, um einer Geschlechtsgenossin beim Geprügeltwerden zuzuschauen, beim Ansetzen der Daumenschrauben. Die geschlagene Frau täte es selbstbestimmt und aus freier Wahl.
Da die sehr direkt Beteiligte sich all dem …
War das ein Thema?
Jude geht gar nicht
Michèle Thoma
Édition: 27.02.2015
Eine Tischgesellschaft im deutschsprachigen Ausland. Menschen, die sich selber vermutlich aufgeklärt nennen würden, als auf dem neuesten Stand aller möglicher gesellschaftlicher Diskurse. Eine unter ihnen fragt eine junge Frau, ob sie Jüdin sei. Der Verlauf des Gesprächs hat das nahegelegt, zum …
Im Kopf nichts als Wurzeln
Abendland, umnachtet
Michèle Thoma
Édition: 13.02.2015
Ein Wahnsinn das Ganze, soweit sind sich die meisten einig, und rühren stirnrunzelnd in ihrem Kaffee. Irgendetwas ist passiert, ziemlich viel, was eigentlich, reich mir bitte den Zucker.
War das nicht mal, da wird mir wohl keine widersprechen, eine Erdgegend hier, in der das Essen zwar nicht so …
Unsere Heimat, die sich so heftig weiterentwickelt
Benzin und Blut
Michèle Thoma
Édition: 06.02.2015
Gerade ist unsere Heimat so stolz darauf, weil sie sich so heftig weiterentwickelt. Ruckizucki in Richtung Aufklärung, um, sorry, den in der letzten Zeit vielstrapazierten Begriff noch einmal zu strapazieren. Sie ist so rational geworden: Wer an Götter glaubt, soll das bitte diskret erledigen, …
Vater Staat und Mutter Kirche
Mutter Kirche wird nicht zum Teufel gejagt
Michèle Thoma
Édition: 30.01.2015
Vater Staat hat, lange hat er überlegt, aber es geht wirklich nicht mehr, Mutter Kirche läuft in komischen Kleidern umher, man kann sich mit ihr nicht mehr sehen lassen, sie spielt noch immer mit Puppen und will der Realität nicht ins Auge sehen, eine Entscheidung getroffen. Was soll Vater Staat …
Greise tragen keine Sprengstoffgürtel
Senioren sind keine Selbstmordattentäter
Michèle Thoma
Édition: 23.01.2015
Oder haben Sie schon mal von einem Greis gehört, der sich einen Sprengstoffgürtel umschnallt, um sich todessehnsüchtig ins Paradies zu bomben? Oder auch nur von einem etwas gesetzteren Herrn, einem ein bisschen grau gesprenkelten, mit ein bisschen Bauch oder Doppelkinn, ein paar Furchen?
So eilig …
Bin ich Charlie?
Je suis … conne-fuse!
Michèle Thoma
Édition: 16.01.2015
Charlie hat längst alle Dimensionen gesprengt, wir können die Likes nicht mehr zählen, Charlie ist omnipräsent, Gott mindestens, das globale Maskottchen, das Logo des Westens, besser als Cola. Charlie prangt sogar auf unserer Charlotte.
Wir sind natürlich auch Charlie, aber wer sind wir? Und wer …
2015 hat seine Tage. Täglich
Tag des Purzelbaums
Michèle Thoma
Édition: 09.01.2015
Geneigte Leser_innen dieses Kolümnchens, ich will Sie nicht entmutigen, aber es muss gesagt werden: Es kommt einiges auf uns zu im Jahre 2015. Bitte planen Sie das unbedingt ein! Das Jahr 2015 hat es in sich. Es hat seine Tage, und zwar täglich.
Am Tag der Zähne zum Beispiel werden wir daran …
Das neue Jahr ist da
Moment mal!
Michèle Thoma
Édition: 02.01.2015
Ja, ich weiß, es ist Neujahr, wir sollen alle vorwärts stürmen, und freudig erregt des Kommenden harren. Wassermannzeitalter auch noch, noch mehr Kommunikation, noch mehr LifeLongLearning, noch mehr Optionen aufrufen. Stattdessen spaziere ich auf dem Friedhof der Dinge herum und frage mich, warum …
Die schreibende Zunft und ihr Publikum
Dichterlesung
Michèle Thoma
Édition: 19.12.2014
Der Dichter hüstelt ins Mikrofon, er näselt, er säuselt, er zerzaust sein schütteres Haupthaar, während er die selbst geschaffenen Gebilde in den Raum haucht. Er raschelt ein bisschen rum, verhaspelt sich manchmal, dann legt er richtig los. Ach, was wurde er von der Muse geküsst! Es kommt zur …
Plötzlich waren sie weg
Wo sind Isis und Ebola?
Michèle Thoma
Édition: 12.12.2014
Nicht dass ich sie vermisse. Ich wundere mich nur. Ich frage mich, wo sie geblieben sind. Plötzlich, quasi von einem Tag auf den anderen, waren sie weg. Sie waren vorher doch ein Weilchen dagewesen, mitten unter uns. Sie besuchten uns, jeden Tag, nachts auch. Nicht dass wir uns sehr darüber …
Chrëschtmaart
Adventszirkus
Michèle Thoma
Édition: 05.12.2014
Es ist so kalt, es ist so Nacht, es ist so schwarz, so nachtschwarz. Etwas wie flüssiges Eis fällt vom Himmel, oder was auch immer das ist, da oben. Wir treten aus unserer Höhle, in der wir möglicherweise alleine hocken. Das flüssige Eis ätzt sich in unsere Gesichtshaut, wir treten ins Schwarze, …
Ökumene fir de Choix
Götterkommune
Michèle Thoma
Édition: 28.11.2014
Eigentlich eine schöne Idee, beinahe romantisch. Wirklich idealistisch. Dass sich unsere Götter – Göttinnen sind ja leider keine mit von der Partie – zusammentun und gemeinsam was tun. Und auch noch für die Kinder. Endlich mal! Eine positive Initiative.
Das war bisher leider Gottes nicht …
Bei Anne Will ging's um LuxLeaks
Ich bin aus einem kleinen Land
Michèle Thoma
Édition: 21.11.2014
Ein armseliger Außenminister aus einem kleinen Land, der nichts von Geld versteht, geht in ein großes Land, ins Fernsehen. Das ist sehr mutig von ihm. Im großen Land sitzen ihm nämlich welche gegenüber, die etwas von Geld verstehen, oder wenigstens so tun. Der Aufdeckerjournalist mit dem …
Totengedenkanlässe
Blowing in the wind
Michèle Thoma
Édition: 14.11.2014
Ich weiß, ich bin etwas verspätet, Totsein war schon, Gräber waren schon, und wer zu spät kommt, den bestraft der Tod, raus hier aus der Kolumne!
Aber ich will noch schnell daran erinnern, bevor das Winterloch das mit heidnischen Gags und glühendem Gesöff vollgestopft ist, uns schluckt. Es dauert …
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