LEITARTIKEL

Frigoe fir Afrika

d'Lëtzebuerger Land vom 20.01.2023

Am Dienstag ratifizierte die Abgeordnetenkammer den belgisch-luxemburgischen Staatsvertrag von 2021 über die gemeinsame composante aérienne aus acht Militärtransportflugzeugen Airbus A400M, sieben belgischen und einem luxemburgischen. Weil der Vertrag ein Memorandum of Understanding von 2001 und ein „technisches Arrangement“ von 2018 ersetzt, war die Debatte kurz. Aufschlussreich war sie dennoch: Die politische Klasse ist sich offenbar nicht darüber im Klaren, welche Rolle das Militärische in der Gesellschaft spielen soll, oder will das nicht wissen.

Zwar war am Dienstag nicht viel Raum für Reflexionen. Jede Partei hatte nur fünf Minuten Redezeit. Aber wenn die Grüne Stéphanie Empain, immerhin Präsidentin des parlamentarischen Verteidigungsausschusses, den Luxemburger Militärfliger „sinnvoll“ findet, weil er „zum Beispiel im Rahmen einer Friedensmission oder einer humanitären Mission“ eingesetzt werden kann, aber mit keinem Wort erwähnt, wozu militärische Strukturen sonst noch dienen, fällt das auf. Wenn für die LSAP Lydia Mutsch am liebsten von „humanitärer Hilfe bei Naturkatastrophen, wenn Menschen in Not sind“, spricht, auch. Und noch viel mehr, wenn der verteidigungspolitische Sprecher der DP-Fraktion Gusty Graas hervorhebt, Luxemburg könne laut dem Vertrag die Beteiligung an einem Einsatz auch ablehnen. „Wenn die Mission vielleicht nicht direkt unserem Esprit entspricht. Ich denke da natürlich an militärische Operationen, dass wir dann sagen können, dass wir das nicht ausführen wollen.“ Graas nannte als Beispiel für einen erfolgreichen Einsatz des Luxemburger A400M den Transport von 50 Kühlschränken nach Burkina Faso während der Covid-Krise.

Natürlich wissen alle Abgeordneten, dass der A400M ein „Rüstungsprojekt“ für die Nato ist. Darauf hätte Verteidigungsminister François Bausch (Grüne) sie zum Schluss nicht hinweisen müssen. Wahrscheinlich wissen sie auch, oder ahnen zumindest, dass sich vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und der neuen Nato-Strategie vom Juni 2022 eine Reihe brisanter Fragen stellen. So brisante, dass die traditionell besonders „atlantische“ DP es vorzieht, die Nato mit der Caritas zu verwechseln.

In der neuen Nato-Strategie ist unter anderem die Rede davon, Verteidigung und Abschreckung „wesentlich“ auszubauen. Was bedeutet das für Luxemburg? Sein großer Beitrag soll in den nächsten Jahren darin bestehen, die Hälfte eines gemeinsamen Aufklärungsbataillons mit Belgien zu stellen. Viel seltener wird erwähnt, dass diese Einheit keine Aufklärung betreiben soll, wie die Armee sie bisher gewohnt ist. Vom „aus der Distanz beobachten“ soll übergegangen werden auf „schießen und schauen, wie der Gegner reagiert“. In anderen Worten: Die Wahrscheinlichkeit wird wachsen, dass zum ersten Mal seit dem Koreakrieg Luxemburger Soldat/innen im Kampf fallen. Oder soll es auch in dem Bataillon die Möglichkeit geben, dass Luxemburg sich an einem Einsatz nicht beteiligt, wenn er „nicht direkt unserem Esprit entspricht“?

Die Wahrheit ist eben die, dass Luxemburg von der globalen Pax americana profitiert. Sie erlaubt es dem Finanzplatz, enorme Gewinne aus dem internationalen Finanzkapitalismus zu schöpfen. Unter anderem deshalb ist das Großherzogtum Nato-Mitglied. Doch innerhalb der Luxemburger Gesellschaft existiert alles Militärische wie auf einer Insel. Reiche Eltern schicken ihre Kinder eher nicht auf den Herrenberg. Damit es doch ein paar mehr tun, wird Militär öffentlich vorzugsweise mit Hightech umschrieben, mit Cyber und Space, als gehe es um Praktika in einer Technologiefirma.

Es wird Zeit, dass die Gesellschaft sich darüber verständigt, was es heißt, dem Militärbündnis Nato anzugehören. Was es heißen würde, ihm nicht anzugehören. Wozu das Luxemburger Militär dienen, wie es strukturiert sein und wie es funktionieren soll. Und welche Rolle Militär und Militärischem in der Gesellschaft zukommt. Gerede von Kühlschrank-Missionen hilft dabei nicht.

Peter Feist
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