Großbritannien

17 Jahre lang antisemitisch

d'Lëtzebuerger Land vom 27.01.2023

Die National Union of Student (NUS), die nationale britische Student/innengewerkschaft, hegte jüdischen Student/innen gegenüber 17 Jahre lang eine feindlich gesinnte Kultur. So das Ergebnis eines am 12. Januar veröffentlichten unabhängigen Untersuchungsberichts, den die NUS selber in Auftrag gegeben hatte.

Erst im November wurde die NUS-Vorsitzende Shaima Dallali aufgrund von in einer weiteren Untersuchung betätigten Vorwürfen des Antisemitismus aus dem Amt entlassen. Sie weist die Vorwürfe weiter von sich. Die für die jetzige Untersuchung verantwortliche Rechtsanwältin Rebecca Tuck gab an, dass die NUS – praktisch der Dachverband aller Student/innengewerkschaften im Vereinigten Königreich – unzureichend gegen Antisemitismus vorgegangen sei. 

Jüdische Student/innen mussten innerhalb des NUS Antisemitismus und Anfeindungen auf Grund von Vorurteilen über sich ergehen lassen. Dies geschah vor allen während Konferenzen und Veranstaltungen. In einem der Fälle wurde einer jüdischen Studentin gesagt, man hoffe, sie genieße ihre süße Cola, welche mit dem Blut toter Babys hergestellt worden sei. Anderen Student/innen wurde mitgeteilt, dass es sich bei den Vorschlägen zum Ausschluss jüdischer Kandidat/innen aus der Antirassismusgruppe der NUS nicht um die Endlösung handele. Ein anderer Student wurde bei einer Veranstaltung nicht an der Bar bedient, weil er eine jüdische Kopfbedeckung, trug, während einem Vertreter des jüdischen Studentenvereins UJS gesagt wurde, der Verein sei genauso wie er selber vom israelischen Geheimdienst Mossad gesponsert. Auf einer „Weißes T-Shirt-Party“, wo neue Student/innen sich gegenseitig etwas auf T-Shirts schreiben, wurden jüdischen Student/innen Hakenkreuze auf die T-Shirts gemalt, während sich in NUS-Aufenthaltsräumen wiederholt Aufkleber und Poster fanden, auf denen stand: „Hitler hatte recht“. Einem jüdischen Studenten wurde der Zugang zu einem geschützten Gebetsraum verwehrt, weil man da eine Veranstaltung habe. 

Der Empfehlung aus einer vorherigen Untersuchung, der jüdische Studenten/innenverband UJS solle eigene Gesandte in das NUS-Gremium für Antirassismus (Araf) stellen können, wurde nicht gefolgt. Rebecca Tuck gab weiter an, dass jüdische Student/innen oft nur noch als Juden per se gesehen würden, die direkte Verantwortung für Israels Politik trügen, ganz gleich, welche andere Identitäten sie hätten. In ihrer Anwesenheit werde oft geflüstert, bei ihrem Erscheinen würden Unterhaltungen plötzlich abgebrochen. Der Bericht enthält auch ein Zitat einer palästinensischen Studentin, die nach einer „Befreiungskonferenz“ des NUS 2022 bemerkt hatte, sei habe genug von jenen, die Einsatz für palästinensische Menschenrechte vorgeben würden, aber dahinter Antisemitismus versteckten. Laut Tuck gab es bereits in den 1970-er und 1980-er Jahren Vorfälle antijüdischer Haltungen, etwa mit dem Vorwurf, „Zionismus ist Rassismus“.

Der Präsident der jüdischen Studentenvereinigung Großbritanniens UJS, Joel Rosen, erklärte nach der Veröffentlichung des Berichts, dass dieser beweise, dass antijüdischer Rassismus im Herzen britischer Student/innenpolitik liege. Die NUS habe Juden und Jüdinnen über Generationen missachtet. Der Bericht bestätige, „dass jüdische Studenten Diskriminierung ausgesetzt waren und ihre Klagen zum Antisemitismus zur Seite geschoben wurden“.

Kat Stark, die Direktorin der NUS, akzeptierte den Bericht und alle seine Empfehlungen. Alle Mitarbeiter/innen der NUS müssten in Zukunft Lehrgänge zum Thema Antisemitismus belegen. Jüdinnen und Juden werde außerdem eine permanente Stimme zu Fragen der Gleichberechtigung gegeben. Es sei außerdem vollkommen möglich, sich für palästinensische Rechte einzusetzen, ohne dass so etwas in Antisemitismus ausarte. Dafür wolle man einen Leitfaden erarbeiten.

„Wir wollen gegenwärtigen, ehemaligen und zukünftigen jüdischen Studentinnen und Studenten sagen, dass uns der Antisemitismus, den ihr erfahren musstet, und die Momente, in denen ihr euch als nicht willkommen fühlen musstet, wirklich Leid tun. Ich möchte, dass alle jüdische Studenten wissen, dass ihr an den Hochschulen, Universitäten und in der NUS willkommen seid.“

Daniel Zylbersztajn-Lewandowski, London
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