Caisse médico-chirurgicale mutualiste

Diese gewisse Sonderrolle

d'Lëtzebuerger Land du 28.06.2007

Wer im Internet populäre Luxemburger Web-Seiten besucht, trifftwomöglich auf eine Werbung der CMCM, der Caisse médico-chirurgicale mutualiste. Vergangenes Jahr wurde sie 50 Jahre alt und beschloss schon damals, verstärkt für sich zu werben. Denn nicht viel älter als die Zusatzkrankenkasse selbst waren 2006 im Durchschnitt ihre Mitglieder im „Régime commun“ – nämlich54,36 Jahre. Ziemlich alt, verglichen mit den bei der Krankenkassenunion UCM Pflichtversicherten. Die sind zu 53 Prozent zwischen null und 39 Jahre alt. Beim „Régime commun“der CMCM dagegen lag das durchschnittliche Eintrittsalter zuletztbei 33 Jahren. Auch deshalb, weil jedem Einzelmitglied die Familiezum gleichen Preis mitversichert wird, falls er oder sie eine hat.

So viele technische Details. Aus ihnen könnte sich ein strukturelles Problem ergeben. Nicht gleich, aber irgendwann. Noch sind Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen, nur das „RégimePrestaplus“ war zuletzt leicht defizitär. „Aber früher hat der Vaterdarauf gehalten, dass sein Sohn sich bei uns einschrieb, wenn der aus dem Kindergeld-Alter rauskam“, erinnert sich CMCM-Präsident Roger Weirig. Das sei heute nicht mehr ganz so. Deshalb könnte man vielleicht jungen Leuten entgegenkommen, wenn der CMCM-Vorstand in den nächsten Monaten Entscheidungen über eventuelle Vergünstigungen in der Beitragsstruktur trifft.

Was sollte die Caissemédico-chirugicalemutualiste mit zusätzlichen Einnahmen tun? – Für Präsident Weirig steht fest: „Ausgeben zumWohle der Mitglieder.“ Das sei ja der Daseinszweck der Mutualitäten, die hierzulande früher entstanden als diegesetzlichen Sozialversicherungen. Die erste, der Arbeiter-Unterstützungs-Verein, wurde 1849 in Hollerichgegründet, gleich nachdem die neue Verfassung von 1848 die Vereinigungsfreiheit zuließ. Und noch bis zum Jahre 1901 hofften die damaligen Regierungen, die Mutualitäten würden gesetzliche Kranken- und Unfallversicherungen überflüssig bleiben lassen.

Es gibt jedoch einen bedeutsamen Unterschied gegenüber früher: Der Arbeiter-Unterstützungs-Verein entstand im Angesicht von Krise und Arbeitslosigkeit. Und als 1891 die Eyschen-Regierung entschied, Mutualitäts-Kranken- und -Unfallkassen könnten sogar subventioniert werden, sollte das vor allem die Risiken der Bergleute und Schmelzaarbechter absichern. Heute kommt die Krankenkassenunion auf einen Leistungsdeckungsgrad von über 90Prozent. Ein Spitzenwert im EU-Vergleich – was sollte da eine Mutualität übernehmen?

Die verbleibenden Prozent, könnte man sagen – und das tut die CMCM ja auch. Indem sie im „Régime commun“ den Eigenanteil von Patienten an bestimmten chirurgischen Leistungen übernimmt, sei es im Spital, sei es ambulant, plus den Anteil an der Unterbringung. Und in „Prestaplus“ zu 1. Klasse-Zimmern zuzahltund obendrein noch den 66 Prozent-Zuschlag trägt, denÄrzteauf ihre Leistungen bei Behandlung eines 1. Klasse-Patienten erheben können. Im Ausland unterhält sie Konventionen mit verschiedenen Spitälern.

Das klingt gut. Aber in einer Zeit, da der Gesundheits- und Sozialminister zum „Sparen in den Krankenhäusern“ aufruft und zur Beschränkung der Leistungserbringer auf das „utile et nécessaire“, könnte eine CMCM, die noch aktiver wäre als heute, unterUmständen zu einem Politikum werden. Die Mutualität möge sich „auf das Essenzielle beschränken“, meint Sozialminister Mars Di Bartolomeo. Was nur eine Umschreibung für den Wunsch ist, doch am besten, wie die UCM, pädagogisch gegenüber den Leistungserbringern zu wirken. Damit das Angebot nicht ausufert und der Bedarf danach dadurch stimuliert wird, dass eine Zusatzversicherung die Kosten übernimmt, wenn die regulären Kassen das nicht tun. 

Auch bei den die Krankenkassen mitverwaltenden Gewerkschaften gibt es offenbar eine gewisse Skepsis. Für OGBL-Sozialsekretär René Pizzaferri ist „die Versorgung in erster Linie Sache der Krankenkassen“. Zu viel Mutualität könnte am Ende ein Schrittzuviel hin zum französischen System sein, wo die regulären Kassen nur noch 70 Prozent des Leistungsumfangs abdecken, der Rest nur von Mutualitäten oder Privatversicherungen übernommen werden kann. „Da wollen wir nicht hin.“ Und den Sozialminister „nervt es, wenn immer öfter behauptet wird, es müssten mehr Zusatzversicherungen her“.

Vielleicht liegt es auch an diesen politischen Zusammenhängen, dass die CMCM die Mitgliedschaft bei ihr nicht noch leichter erhältlich macht. Dass man zuvor einer Sterbekasse beigetreten sein muss, die zu einer der 52 Mutualitäten gehört, die die CMCM bilden, ist durchaus eine Hürde. Auch mit den Leistungen hält man sich gelegentlich bewusst zurück: Etwa beim Zahnersatz; eigentlichein Gebiet, auf dem die LSAP im Wahlkampf 2004 „Anpassungen“ zugunsten sozial Schwächerer versprochen hatte, und wo man meinen könnte, gerade hier könne die CMCM stärker tätig werden. „Wir haben 2005 unsere Zuzahlungen zu Zahnkronen auch um 40 Prozent erhöht“, bilanziert der stellvertretende CMCM-Geschäftsführer Claudio Driulini. „Theoretisch“ sei noch mehr möglich. Aber für diese Art von Leistung gibt es keinen plafonnierten Tarif. „Die Preise nach oben treiben wollen wir nicht.“ Man warte ab, was die „Studien des Gesundheitsministers und der UCM über neue Tarife ergeben“.

Und damit ist die CMCM nur einer der vielen Mitspieler in jenem System, in dem Fragen wie die nach der Therapiefreiheit und ihrem gesellschaftlich erlaubten Kostenpunkt politischnoch immer ungeklärt sind. In dem Zusatzversicherungen sogar helfen, dass diese Fragen sich nicht mit Schärfe stellen. Mindestens so lange, wie eine Regierung nicht beschließt, zur Behebung des Defizits im Zentralstaat den Fiskalanteil amUCM-Budget zu kürzen.

 

Peter Feist
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