Seitdem Eric Thill beide Ämter innehat, Kultur- und beigeordneter Tourismusminister, verschmelzen die Bereiche häufig. Ein Blick auf die Verflechtung zwischen Kultur und Tourismus

Spotlight für Kulturerbe

d'Lëtzebuerger Land du 11.10.2024

In Schengen an der Mosel gibt es keinen Kaffee mehr. Wer das politische Erbe der Region erkunden will, muss zurzeit abseits der Moselriviera Kaffeepause von der Radtour machen, ohne Blick aufs andere Ufer und auch ohne Informationen. Seit Mai ist das Europamuseum Schengen samt Museumscafé geschlossen. Noch Anfang des Jahres begrüßte es Besucher mit einer statischen Ausstellung, die schon seit einiger Zeit auf eine Modernisierung wartete. Die Dauerausstellung zeigte Fotos, Texte und Tonaufnahmen der Unterzeichnung des Schengener Abkommens und der politischen Ereignisse, die dazu geführt haben. Kaum interaktiv und nicht den aktuellen Museumsstandards entsprechend. Das soll sich nun ändern. Bis Juni 2025 sollen Museum wie auch das historische Schiff „MS Princesse Marie Astrid“ renoviert werden und anschließend mit neuer Ausstellung wieder öffnen. Die 17,7 Millionen Euro dafür kommen von der Gemeinde Schengen und der Generaldirektion für Tourismus. Seit vielen Jahren bezuschusst die Tourismusdirektion die Betriebskosten des Schengener Museums. Für die geplante neue Ausstellung hat das Museum nun einen weiteren Topf geöffnet. Das Kulturministerium finanziert die Erarbeitung des neuen Museumskonzepts mit 47 872 Euro.

Das Schengener Museum wird von einem gemeinnützigen Verein geleitet, dem Centre Européen Schengen a.s.b.l.. Hinter vielen regionalen Museen stehen gemeinnützige Organisationen. Sie erhalten gezielt Förderung vom Kulturministerium. Nie zuvor war der Anteil am Staatshaushalt für die Kultur so hoch wie in diesem Jahr. Laut Ministerium profitieren von der Erhöhung vor allem die gemeinnützigen Vereine. Mehr von ihnen werden gefördert und auch die Summen wurden erhöht. Die meisten dieser kleinen Museen behandeln weniger Kunst als Handwerk und Geschichte. Das Ministerium sagt: „Die Vernetzung zwischen Kultur und Tourismus ist ein wesentlicher Bestandteil der nationalen Strategie und trägt dazu bei, die kulturellen Reichtümer des Landes für Touristen zugänglich zu machen und gleichzeitig die kulturelle Identität Luxemburgs zu stärken. Museen spielen hierbei eine zentrale Rolle.“ In der klassischen Arbeitsteilung wäre der touristische Wert eines Museums weniger die Sorge eines Kulturministers als die Förderung von Kunst und Kultur. Doch die Grenzen sind, nicht nur in Luxemburg, häufig fließend. Die Mehrdeutigkeit des Worts Kultur weist auf die Schwierigkeit einer klaren Trennung schon hin, einerseits als Bezeichnung für „Hochkultur“, die sich in Museen, Galerien, Philharmonien und bei Dichterlesungen abspielt. Der Begriff, geprägt im Bürgertum des 19. Jahrhunderts, steht im Gegensatz zu Popkultur, ein Konzept aus dem letzten Jahrhundert. Andererseits steht Kultur für das Erbe der Gesellschaft, die Gesamtheit der Denk- und Handlungsmuster, der Normen und der Erzeugnisse jeder Art. Weitere Definitionen beziehen sich auf Landwirtschaft oder die gemeinsamen Eigenschaften, die bestimmte Gruppen ausmachen, zum Beispiel Sprache. Für die aktuelle Strategie des Kulturministeriums sticht nicht eine einzelne Definition von Kultur hervor. Kultur spielt sich in den hauptstädtischen Galerien ab, ebenso wie in Landwirtschaftsmuseen und der Ausstellung des industriellen Erbes im Minett Park Fond-de-Gras. Auch hier investiert das Kulturministerium in die Betriebskosten der A.s.b.l. und in Erhalt und Aufwertung des Freilichtmuseums über das Institut pour le patrimoine architectural (INPA). Das Ministerium plant, „historische Stätten stärker zu fördern und die Alleinstellungsmerkmale unserer Regionen gezielter in den Mittelpunkt zu stellen“. Das Kulturverständnis des Ministeriums beruht stark auf Geschichte und Identität.

Den kleinen Museen des Landes, die sich dem Handwerk, der lokalen Geschichte oder dem industriellen oder kulturellen Erbe verschrieben haben, beschert dieses Verständnis von Kultur mehr Aufmerksamkeit, nicht nur finanzielle, sondern auch in Form von Besucherzahlen. Eric Thill ist für beides zuständig, als Kultur- und beigeordneter Tourismusminister. Fotos offizieller Anlässe zeigen ihn genauso häufig in Trekkingschuhen vor Grubeneingängen oder historischen Denkmälern wie bei Vernissagen visueller Kunst. Im März verkündeten die Ministerien eine Reise des Ministers auf „touristischer und kultureller Mission in Berlin“. Einfach dürfte die Planung solcher Events nicht sein, denn die Generaldirektion für Tourismus ist einem anderen Ministerium untergeordnet, dem Wirtschaftsministerium. Für die Vernetzung der beiden Ressorts gibt es keine formellen Arbeitsgruppen oder klar definierte Schnittstellen, sagt das Wirtschaftsministerium. Auch im Budget ist nicht festgelegt, wie viel Geld in den Kulturtourismus fließen soll. Geld ist für touristische Projekte vorgesehen sowie für Investitionen in touristische Infrastruktur. Welches Ministerium wie viel in welche Projekte investiert, ist Verhandlungssache, in diesem Fall zwischen Thill und sich selbst. Und er hat gut verhandelt, zumindest für die Kultur. Bei der diesjährigen Ausgabe der Sommertourismuskampagne „Lëtzebuerg, dat ass Vakanz!“ stand Kulturtourismus im Fokus, nach Aktivtourismus letztes Jahr und Gastronomie im Jahr zuvor. Zahlen zur Wirksamkeit der Kampagne gibt es nicht. Dem Kulturministerium gehe es darum, die Museen sichtbarer zu machen. Der Erfolg werde vor allem mittel- und langfristig zu erkennen sein, da mehr Touristen die Museen als Reiseziel wählen. Dabei hat die Tourismuskampagne gezielt neben Mudam und Konschthal auch regionale Museen in den Fokus gestellt, darunter das nationale Museum für Mikrobrauerei und Gerberei oder die Burg Useldingen, wo Besucher die über 1000-jährige Burganlage samt Kräutergarten besuchen können. Kultur ist vielfältig.

Franziska Peschel
© 2024 d’Lëtzebuerger Land