Gründerväter

Die Land-Stifter

d'Lëtzebuerger Land du 07.01.2004

Carlo Hemmer

Carlo Hemmer war bis zu seinem Tod im Jahre 1988 mit voller Berechtigung stolz auf seine Initiative von 1954, d’Lëtzebuerger Land gegründet zu haben. Er war aber bei der Land-Gründung nicht allein. Vielmehr machte er sich zum entscheidenden Anstifter einer Gruppe von Personen, die, wie er, eine unabhängige Zeitung neben der Partei- und Gewerkschaftspresse für notwendig fanden.  Als verantwortlicher Herausgeber betrachtete der Gründer die materielle Absicherung seines Vorhabens, neben der redaktionellen Führung, als seine besondere Sorge, als seine persönliche Verantwortung gegenüber seinen Angestellten. 

Felix Chomé und Tony Neuman

Fürs Materielle fand Hemmer nacheinander zwei zahlungsfähige und unterstützungswillige Sponsoren: 1954 den Arbed-Präsidenten Felix Chomé und 1957 dessen Nachfolger Tony Neuman. War Hemmer der An-Stifter, so übernahmen Chomé und Neuman die Rolle der diskreten Stifter des bis zur Einführung der staatlichen Pressehilfe betriebswirtschaftlich schwachen Land-Unternehmens. Hemmers Sponsoren hielten sich verschwiegen und taktvoll, allein schon aus Gründen der politischen Arbed-Neutralität, im Hintergrund, standen der Zeitung jedoch immer nahe genug, um das journalistische Produkt Woche für Woche mit neugierig-kritischen Blicken zu beobachten. Ihre und unsere Diskretion war insofern erfolgreich, als nicht sie persönlich verdächtigt wurden, dauernd Einfluss auf die Redaktion zu nehmen, um so mehr aber ihr mächtiger Stahlkonzern insgesamt. Dieser Verdacht fand seinen Ursprung bei der etablierten (Partei-)Presse, die von Anfang an ängstlich dem ungewissen Impakt des neuen „Arbed-Blattes“ entgegen blickte. Nähren taten den Verdacht die Politiker und Gewerkschafter.

Dass weder eine Einmischung, noch ein Arbded-Diktat oder eine Zensur gegenüber Carlo Hemmers Redaktion, außer in sehr seltenen Ausnahmefällen, stattfand, das kann ich als Redakteur von 1954 bis 1956 und danach mit Leo Kinsch und anderen Redakteuren bis hin zu meiner keineswegs voll freiwilligen Frühpensionierung im Jahre 1982 auf Ehre und Gewissen bezeugen. 

Unsere Beziehung zu den Spitzenleuten des größten Stahlkonzerns beruhte bei der Gründung des Land einzig und allein auf dem mündlichen Versprechen, das Präsident Felix Chomé Carlo Hemmer gegeben hatte, die Bürgschaft zur Deckung der Zeitungsdefizite zu übernehmen. 

Bei Tony Neuman kam ab 1957 ein anderer, persönlicher Faktor hinzu. Er liebte das streitbare Land.

Jérôme Anders

Zwischen Carlo Hemmer und der Land-Redaktion einerseits und anderseits den Arbed-Gönnern wirkte als Mittelsmann unser unmittelbarer Schutzpatron, Regierungsrat Jérôme Anders, die rechte Hand aller Wirtschaftsminister der ersten Nachkriegsjahrzehnte. Jérôme Anders war der Taufpate des d’Lëtzeburrger Land. Er war es, der im Einvernehmen mit Carlo Hemmer dem Kind (nach dem Titel einer früheren Zeitung) seinen Namen gab. Er, der Herr Regierungsrat Anders, war der Gewährsmann, der anstelle des Herausgebers in Notzeiten – meistens am Jahresende zum Stopfen der Schuldlücken beim Drucker und zum Einbringen der mageren Jahresgratifikation fürs Personal – den Bittgang zur Arbed-Präsidenz antrat. 

Privat war Jérôme Anders ein väterlicher Freund und Vorbild von Carlo Hemmer. Die Stellung von Anders im Staat hätte den Verdacht einer staatlichen Überwachung der „unabhängigen“ Zeitung aufkommen lassen können. Deshalb wurde auch die Mittelsmannrolle von Jérôme Anders von der Redaktion, von ihm selber und der Arbed-Führung streng geheim gehalten. Eine staatliche Einmischung traf genau so wenig zu, wie das angebliche Arbed-Diktat. Das Gegenteil war der Fall: das Land mischte sich zunehmend in die Belange des Staates ein. Anders, der im Privatgespräch sein eigenes Ministerium „Ministère des affaires comiques“ zu nennen beliebte, stimulierte unsere Kritik. 

Daneben spendeten vereinzelte Betriebe aus Industrie, Handwerk und Handel durch ihre Gefälligkeitsanzeigen eine weitere, willkommene, aber fürs Überleben der Zeitschrift allein ungenügende Starthilfe.

Leo Kinsch

Leo Kinsch betätigte sich zunächst im Land als Kunstkritiker. Sein erster Beitrag betraf im April 1954 eine Filmvorführung von Sunset Boulevard im Filmclub Forum. Sein zweiter Land-Artikel hieß „Le Patron und die moralische Aufrüstung“, ein anderer „Die Madonna in unserer Kunst“, (d'Land 21/1954). 

Doch schon am 14. Mai 1954 kam der damalige Agence- Europe-Korrespondent Leo Kinsch im Land erstmals zu seinen späteren Hauptthemen: Europapolitik, Wirtschaftspolitik, Politik insgesamt („Die drei Trümpfe des Herrn Jean Monnet“). Sein erster Leitartikel hieß: „Statt Waffen ein Glaube“ (d'Land 31/1954). Leo Kinsch wurde ab 1955 einer der eifrigsten Land-Korrespondenten. Hauptberuflich kam er von der Agence Europe erst als Sekretär zum Industriellenverband Fedil unter Direktor Jules Hayot und Generalsekretär Carlo Hemmer. Nun begann seine emsige Freelance-Arbeit im Land. 1955 trat Léon N. Nilles der Redaktion bei (1955 bis 1958, und nach einer Unterbrechung nochmals 1961 bis 1962). 

1956 kam endlich auch Leo Kinsch als dritter Mann vollberuflich und ganztägig zur Land-Redaktion. 1958 erwarb er die Zeitung käuflich von Carlo Hemmer, der zum Leiter der Direktion III D Industrie, Handel und Handwerk nach Brüssel in die neugegründete EWG-Behörde berufen wurde.

Kinsch wurde verantwortlicher Herausgeber. Als Vollblutjournalist lernte er Minister das Fürchten, brachte mit seiner Zeitung und seiner kleinen Mannschaft Regierungen ins Wanken und war auf dem Höchstpunkt der Bedeutung seines Blattes anfangs der 70-er Jahre maßgeblich am Entstehen der Mittelinkskoalition von 1974 beteiligt.Ihr ergebener Diener, der geplagte, im Startjahr 1954 alleinige Redakteur, kam selber kaum zum Schreiben. Als Jean-fait-tout übermannte ihn in Startjahr des Land die Arbeitsfülle. Er verstand, weshalb Hemmers erster Redakteur Pierre Nilles schon nach der dritten Nummer das Handtuch geworfen hatte. 

Erst nach dem Zuwachs der Redaktionsbelegschaft konnte er endlich etwas aufatmen und im Land in Carlo Hemmers Lehre allmählich journalistisch aktiv werden – immerhin aber für weitere 25 Jahre im selben Blatt.

Ein halbes Jahrhundert nach dem Land-Start seien diese Zeilen den damals Verantwortlichen und inzwischen Verblichenen übers Grab hinaus als Ausdruck des Dankes für eine der wesentlichsten Erfahrungen meines Lebens gewidmet.

Rosch Krieps
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