Die kleine Zeitzeugin

Pfingstwunderlich

d'Lëtzebuerger Land vom 26.05.2023

Heiliger Geist, fahre in mich, begeistere beselige befeuere mich und mach, dass diese Kolumne sich schreibt, mit KI kenne ich mich leider noch nicht so aus! Sich schreibt wie von unsichtbarer Hand geführt. Wie von Zauberhand. So schrieben sich doch die Heiligen Schriften, die Apostel setzten sich hin und es fuhr in sie und die Schrift strömte nur so aus ihnen. Davor hatte es aus ihnen gesprochen, in multiplen Sprachen gar und allen die ihnen lauschten ward alles wundersam klar. Das mit Gott. Über Gott. Pfingstwundersam ward ihnen. Denen von nah und denen von fern. Ein großes Geheimnis, sagte der Pfarrer im Religionsunterricht, so geheimnisschwanger. Diese einfachen Fischer schrieben einen Weltbestseller. In dem ungeheuerliche Sätze stehen wie Der Geist Gottes schwebte über den Wassern, Herzklopfsätze, da kann man nur noch schweigen und sich verneigen. Die Fischer. In Kooperation mit dem Heiligen Geist. Der mit der Taube? In der Taube?

Und jetzt ist Pfingstwochenende und alle fliegen weg, wegen Feiertagen, die keine/r mehr kennt, nur noch Seltsame, aber das macht nichts, die großzügigen unbekannten christlichen Feiertage sind trotzdem gut, alle nehmen sie. Und es wäre schön, könnten wir auch alle anderen religiösen Feiertage enjoyen, atheistische Feiertage gleichberechtigt gleich mit. Aber die feiern wir ja sowieso andauernd.

Jetzt ist Pfingstwochenende, die schönste Zeit, wenn die Pfingstrosen ausbrechen, die echten strotzenden in den Bauerngärten, mit dem echten tiefen dunklen Geruch, und die Großmutterhintern als saftige Ballone über dem Grünzeug schweben. Diese Großmutterhintern gibt es aber gar nicht mehr, diese über die Mutter Erde gebeugten Großmütter gibt es gar nicht mehr, die zwischen Kochtopf und Kirche harkenden, jätenden Großmütter gibt es gar nicht mehr, sie sind Erinnerungen, die Großmütter thronen selbstverständlich in den Flugzeugen wie alle andern die nicht im Schweiße ihres Angesichts im Staub kriechen oder an ein Bett gefesselt sind oder aus Idealismus auf dem Asphalt kleben. Über die das fliegende Zeug hinweg fliegt, niemand flugschämt sich mehr im geringsten, Gretas feuerzüngelnden Predigten sind verhallt und sowieso finden alle es kalt.

Und in den Zeitschriften gibt es Mini-Infospalten bezgl. dieser Feiertage, oder gar eine ganze Seite, dazu ein Bild in leuchtenden Kirchenfensterfarben. Mit Taube und Flämmchen über ekstatisch aufgerissenen Mündern und Augen. Was das überhaupt ist so ein Pfingsten. So ein Weihnachten, mit Knäblein und Krippe, das lässt sich noch darstellen, das ist noch vorstellbar, der Knabe im Stroh, die ewige Mutter, der gute Vater der nicht der echte ist, wie in einem echten Leben. So ein Ostern, durchbohrte Handflächen, durchbohrte edle Fußrücken, das ist plastischdrastisch, damit kann man was anfangen. Aber der Geist. Wer kauft den denn noch? Intelligenz ja, Intellekt ja. Aber Geist?

Im Jahr 2021 gab in einer Umfrage des Luxemburger Worts noch ein Fünftel der Teilnehmenden an, Pfingsten religiös zu begehen. Mit Kindern, so die Empfehlung auf einer katholischen Web-Seite, könne man Tauben aus Papier basteln um den Begriff des Heiligen Geistes fassbar zu machen. „Unsichtbare göttliche Kraft“ müht sich der Spiegel ab, ihn zu zähmen. Und immer wieder begegnen wir im Fernsehen einem Gottesmenschen, der sich redlich um Pfingst-Nachhilfe bemüht: Nachrichten von Gott in einfacher Sprache.

Es geht um den Heiligen Geist! versuchen die letzten Seltsamen den Wenigen, die noch auf die Idee kommen, nachzufragen woher diese tollen Tage die ihnen aus dem Himmel in den Schoß fallen überhaupt kommen, weiter zu helfen. Und dann schweigen sie ratlos. Guggel es! sagen sie neugierigen Nachkommen, denen sie all das ersparen wollten, die Unbefleckte, die Dornenkrone, Feuer und Verdammnis. Die haben zwar ein Faible für den Horror-Thriller-Apokalypse und hin und wieder fantasieren sie davon, sich taufen zu lassen. Aber dann ist immer grad was anderes. So, oh, meine Kolumne ist vollendet. Na sowas!

Michèle Thoma
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