Luxemburgensia

Komponieren in Luxemburg

d'Lëtzebuerger Land vom 27.11.2020

Wie viele Namen von Komponistinnen könnten Sie spontan nennen? Und wie viele luxemburgische Komponisten fallen Ihnen ein? Lou Koster (1889-1973) war eine erfolgreiche und relativ bekannte luxemburgische Pianistin, Violinistin, Orchesterleiterin und Klavierlehrerin am Luxemburger Konservatorium. Sie komponierte von 1910 bis in die 70er-Jahre Lieder auf Deutsch, Französisch und Luxemburgisch. Zugleich sticht sie als Figur einer ganzen Epoche hervor: In der Monografie Komponieren in Luxemburg wird Musikgeschichte mit ihrer Lebensgeschichte verknüpft – und so auch ein Bild von Gender und Politik in einer bestimmten Epoche gezeichnet.

Autorin ist die Musikwissenschaftlerin Danielle Roster, die Wirken und Werk der luxemburgischen Komponistin und Musikerin Lou Koster in kurzen, klaren Kapiteln darstellt. Danielle Roster, die auch am fabelhaften Sammelband Mit den Haien streiten. Frauen und Gender in Luxemburg seit 1940 (Luxemburger Buchpreis 2019, Sachbuch) mitgewirkt hat, arbeitet am CID, Fraen a Gender in Luxemburg. Sie hat das Archiv Lou Koster gegründet, dank dessen das Werk der Komponistin nicht in Vergessenheit gerät und Dokumente ihres Nachlasses gesammelt werden. Lou Koster selbst schien sich kaum Gedanken über ihre Nachwirkung gemacht zu haben, hat ihren Nachlass nicht geordnet, datiert oder nummeriert. So wäre dieser ohne die Zusammenstellung und Aufarbeitung von Danielle Roster sicherlich allmählich verschollen. Dabei lohnt sich die Rekonstruktion ihres Lebenswerkes: Aus eigens zusammengestellten Archivmaterialien, zahlreichen Quellen wie Gesprächen mit Verwandten und KollegInnen erschlossen, beleuchtet die Monografie Komponieren in Luxemburg einen weitgehend unbekannten Teil der – weitgehend unerforschten – luxemburgischen Musikgeschichte und erzählt zugleich ein chronologisches, thematisch vielfältiges Bild des Lebens der Komponistin.

Musikwissenschaftlich werden Lou Kosters tonale Kompositionen und deren klassisch-romantische Tradition untersucht. Anna Maria Luise, genannt Lou, lernte früh Geige und Klavier, trat als Musikerin auf. Sie spielte in Stummfilmkinos und verdiente ihrer Familie so Einnahmen dazu, die in verschiedenen Monaten als einzige im Haushaltsbuch auftauchten. Bald komponierte sie auch eigene Stücke: Operetten, Stummfilmmusik und Orchesterwalzer, Märsche für Blasorchester und über 200 Lieder auf französische, deutsche und luxemburgische Gedichte. Sie schrieb für das breite Publikum, nicht nur musikalisch vorgebildete ZuhörerInnen.

In den 1930er-Jahren komponierte sie für das Radio Luxemburg, deren Sendungen unter deutscher Besatzung 1939 eingestellt wurden. Das „frankophile Fräulein Koster“ scheint in den kommenden Jahren kaum Auftritte oder Engagements gehabt zu haben. Auch hier verknüpft Danielle Roster Biografie und Geschichte, bespricht parallel Themen und Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Dieser Kontext macht den angenehmen, informativen Lesefluss aus – und ist auch notwendig, um dem Anliegen und Ausmaß der Musik gerecht zu werden: Denn, so wird die deutsche Musikwissenschaftlerin Beatrix Borchard zitiert, Musik ist Kommunikation und bezieht „alle Aspekte des Lebens mit ein“, von der Entstehung über die Aufführung zur Wirkung.

Musikgeschichte schlägt eine Brücke zwischen einem Lebenslauf, Zeitgeschehen und Gendergeschichte. In der Anwendung auf die Komponistin Lou Koster schließt sie zugleich auch die Emanzipationsbewegung der Frauen in Luxemburg, das luxemburgische Musikleben und musikalische Traditionen ein. Und so bespricht die Monografie neben der Biografie Kosters die Rezeption von Musik unter der Bewertung als „Kitsch“ oder ihre Bedeutung, etwa in nationaler und kultureller Identitätsbildung. Vielseitig, gut recherchiert und kompakt wird das Leben einer Komponistin und ihrer Zeit erzählt. Fehlen nur noch Tonaufnahmen – aber die findet man online und auf CD.

Danielle Roster: Lou Koster. Komponieren in Luxemburg.
Bd. 10 der Reihe Europäische Komponistinnen, Böhlau Verlag 2020, 456 Seiten

Claire Schmartz
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