Kino

Fassade bleibt Fassade

d'Lëtzebuerger Land vom 23.09.2022

Mit Don’t Worry Darling legt die überwiegend als Schauspielerin aktive Olivia Wilde nach Booksmart (2019) ihre zweite Regiearbeit vor: Eine Frau, Alice Chambers (Florence Pugh), lebt mit ihrem Mann Jack (Harry Styles), der für einen mysteriösen aber scheinbar hoch innovativen US-Konzern arbeitet, in einem 1950er-Jahre Setting in einer Kommune irgendwo in der Wüste. Alice ist mit allen Segnungen der Konsumgesellschaft ausgestattet; tagsüber geht sie ihren Arbeiten als brave und devote Hausfrau nach, verabredet sich mit den Nachbarinnen zum Shoppen oder zum Ballett, abends wartet sie mit Drink und Dinner auf ihren Mann. Das Idyll bekommt Risse, als ihr durch eine Reihe beunruhigender Vorfälle klar wird, wie trügerisch die paradiesische Fassade, die der souveräne und geheimnisvolle Frank (Chris Pine) geschaffen hat, doch ist. Es ist nicht so sehr das Aufbrechen einer verborgenen oder unterdrückten Leidenschaft; vielmehr beginnt alles damit, dass Alice gewahr wird, dass ihr Dasein, ihre Beziehung, ihr Zuhause nicht wirklich funktioniert. Allmählich beschleicht sie die Erkenntnis, dass der eigentliche Schrecken schon geschehen ist. Das Unbehagen wird aber erst wirklich freigesetzt, als der Selbstbetrug aufhört..

Don’t Worry Darling ist ein Thriller, der sich irgendwo zwischen The Stepford Wives (2004) und The Truman Show (1998) ansiedelt, aber keine eigene erzählerische Position zu beziehen vermag, gegen Ende zudem an Transparenz und Dichte einbüßt und überdies zu keiner originellen Aktualisierung der Kritik an patriarchalischen Geschlechterrollen findet. Dafür gibt es mehrere Gründe: Wildes Film ist nicht der erste, der sich als ein schwarzes Märchen von der Oppression des „bösen Mannes“ lesen lässt und als eine sarkastische Bestandsaufnahme zur Situation der amerikanischen Mittelklasse. Eine ganz paranoide Stimmung der Infragestellung von Haus und Familie ist dafür modellhaft. Nun wissen wir aber, dass die Geschlechterrollen nicht mehr die der 50er sind. Nicht nur ist das Frauenbild, das Wilde zeichnet, veraltet, auch das Männerbild ist heute ein anderes. Die Rückkehr von veralteten Geschlechterrollen, gekleidet im scheinbar ganz subversiven Gewand, kann sich als Film heute nur noch als eine Katastrophe, beziehungsweise als ein Triumph der Belanglosigkeit erweisen. Wildes Anspruch an Subversion ist eben keiner. Geradlinig werden die Guten gegen die Bösen gestellt. Für eine Figur, die so ambivalent wie tragisch ist, ist hier kein Raum. Gerade der Mann, Jack Chambers – mit Harry Styles zudem prominent besetzt – hätte diese Lücke umstandslos füllen können. Für die Nuancen nimmt sich Wilde indes keine Zeit. Alles muss zulaufen auf die Abscheu des Mannes und die Befreiung durch Gewalt. Der Weg zur weiblichen Selbstbestimmung muss bei Wilde in Blut getränkt werden. Zu sehr fehlt es Don’t Worry Darling an einer männlichen Perspektive, die hätte herausstellen können, dass sowohl Frauen als auch Männer Opfer des Patriarchats sind.

Das pseudosubversive Unterlaufen kann obendrein nicht darüber hinwegtäuschen, dass der zweistündige Film im Wesentlichen eher langweilig ist. Dies nicht zuletzt, weil der beträchtliche Aufwand, den das Drehbuch allein in Sachen Spannungsaufbau betreibt, zu nichts führt. Als endlich geklärt ist, wie die Fassade wirklich beschaffen ist, ist der Effekt regelrecht unterfordernd. Das implizite Versprechen eines Zulaufens auf narrative Erfüllung und der Auflösung aller aufgeworfenen Mysterien bleibt zudem unerfüllt. Ein Publikum mit einem einigermaßen entwickelten Verständnis von Film als Kunst kann auf Wildes jüngste Regiearbeit, die am Ende in eine Art Pseudofeminismussplatter ausartet, getrost verzichten. Fassade bleibt Fassade. Der unverhohlene Anspruch, sich mittels ungemeiner Plakativität am Puls der Zeit zu glauben und die offenkundig favorisierende Lektüre von Feminismus als Männerverachtung machen aus Don‘t Worry Darling indes einen ganz besorgniserregenden Film.

Marc Trappendreher
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