Nachhaltigkeitsrat zu den öffentlichen Finanzen

Zukunftsblind

d'Lëtzebuerger Land du 16.10.2008

Vernichtend ist die Beurteilung, welche der Conseil supérieurpour un développement durable (CSDD) rechtzeitig zu Beginn der Budgetdebatten über die staatliche Haushaltspolitik abgibt. Die Kopie des deutschen Rats für nachhaltige Entwicklung war vor zwei Jahren vom Parlament eingeladen worden, die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen zu bewerten.

Das Land sei nämlich „mit seinem Modell in eine Nachhaltigkeitsfalle geraten“, warnt der CSDD. Es werde „vor große Probleme und Herausforderungen“ gestellt, denn der Staatshaushalt sei „zukunftsblind“ und erinnere an die „Grundsätze des Kameralismus des 18. und 19. Jahrhunderts“. Dabei spielt derStaatshaushalt für den CSDD eine Schlüsselrolle in dem, waser als Luxemburger Modell sieht: Die von Ausländern bestrittenenSteuerabgaben auf Tanktourismus, Investitionsfonds und elektronischem Handel erlaubten niedrige Lohnnebenkosten, durch welche immer mehr Ausländer nach Luxemburg arbeiten kämen und so Wachstum und Wohlstand gewährleisteten.

Doch dieses höchst erfolgreiche Modell sei nicht nur durch die Verschärfung des internationalen Wettbewerbs und die Verknappung von Energie und Rohstoffen gefährdet, sondernauch durch seine wachsenden inneren Widersprüche: Die staatliche Bezuschussung der Sozialversicherung werde so teuer, dass der CSDD fragt, „ob sich im bestehenden System die ständige Schaffung von Arbeitsplätzen noch lohnt“. Die künftigen Rentenansprüche spielten für die nächsten Generationen die Rolle einer impliziten Staatsverschuldung.

Die europäische Harmonisierung insbesondere der Mineralölakzisenund der Mehrwertsteuer auf dem elektronischen Handel führt nach Schätzungen des CSDD in einigen Jahren zu Mindereinnahmen von einer Milliarde Euro – bei einem Gesamthaushalt von derzeit neun Milliarden. Auch müssten die Akziseneinnahmen aus dem Tanktourismus zunehmend gebraucht werden, um Kohlendioxid-Rechte für den Tanktourismus zu kaufen. Der Ausfall der von Ausländern gezahlten indirekten Steuern werde so gravierend, dass er nur durch eine Erhöhung der direkten Steuern ausgeglichen werden könne – was aber die Wettbewerbsfähigkeit des nationalen Produktionsstandorts gefährde.

Aus all diesen Gründen rät der CSDD, Staatshaushalte aufzustellen,die unter Ausschluss der „risikobehafteten“ Einnahmen mit positiven Salden abschließen; die entsprechenden Einnahmen sollen, so lange sie noch fließen, in einem Staatsfonds aufgehoben werden, um künftige Haushaltslöcher zu stopfen. Die anschließenden Steuerausfälle könnten teilweise durch eine Erhöhung der Grund- und anderer Gemeindesteuern kompensiert werden.

Vor allem will der Rat das Verhältnis „zwischen der Höhe derLöhne der aktiven Bevölkerung und der Höhe der Renten“verändern, die „so genannten Automatismen“, Index und Sozialtransfers, bremsen, auf öffentliche Güter, „die auch privaterstellt werden könnten“, verzichten und vermehrt Zwecksteuernund kostendeckende Leistungen einführen.

Es ist also der Sozialstaat im allgemeinen und seine Umverteilungsfunktion im besonderen, denen es nach Ansicht desCSDD an Nachhaltigkeit mangelt, wie er mit allerlei Fastenpredigtenund Ökojargon erklärt. Zur Senkung der öffentlichen Ausgaben soll sich der Sozialstaat deshalb wieder auf die Erfüllung von Grundbedürfnissen beschränken. Womit wir wieder beim Kameralismus angelangt wären.

Romain Hilgert
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