Die Kleine Zeitzeugin

Impressionen aus Omikronien

d'Lëtzebuerger Land vom 21.01.2022

Deutschland erklärt so ziemlich die ganze Welt zum Hochrisikogebiet. Ist sie ja auch, mit all den Immunflüchtlingen, und dann laufen auch noch Immunnaive herum. Sogar auf den Straßen, sie verlassen sogar das Haus, und öffnen sie den Mund, kommen Aerosole raus. All das ist sehr ungeheuerlich, dann kommt noch eine Wand auf uns zu, die Fantasielosen nennen sie Welle, eine, die sich aber gewaschen hat. Partytiger Boris wird von der Queen der Kopf gewaschen. In Macronien will ein Großer Junge ungeimpfte Untertan/innen nerven, da kann man eine Deeskalation beobachten – vor zwei Jahren wollte er noch Krieg spielen. Endlich wird ein Pass vaginal eingeführt.

Erinnert ihr euch an die Weltunordnung früher? Wenn man bedenkt, man ist einfach in ein Café reinmarschiert. Einfach so. Als vollkommen Unhygienische, man hat sich an einen Tresen gehockt und sich unkontrolliert dem Blablablues hingegeben. Vollkommen ohne. Wir waren Barbar/innen.

Welche Teletubbykugel wird uns dereinst erscheinen, in welcher Farbe? Die, die uns gerade heimleuchtet, ist hübsch plüschig lila-türkis, mit neckischen Blumenkohlspießchen, beinah schon eine Kuschelmonsterkugel. Mit wieviel Spikes, wieviel Extras und in welch neuem Design? Und wie wird das neue Stachelbaby heißen? Omikron, dieser Name hat so einen Kleinodglanz. So ein stilles Funkeln. Die Kinder lernen jetzt griechisches Alphabet, das andere dafür nicht mehr so.

Der deutsche Fernsehminister, eben noch ein Bübchen, der mit verschmitzt-gewitztem Blick Schauerlichstes verkündet, so dass denen, die an seinen Lippen hängen, um sich ihre Gruseldosis abzuholen, das Blut in den Adern gefriert, trägt jetzt, ganz Herr der Virenheere, die Bürde seines Amtes gebührend sorgenfaltig.

Um den Durchdrehblick nicht zu verlieren, haben wir die Expert/innen. Die Modelliererinnen, die Chief Medical Officers, die Simulationsforscher, die Systemanalytiker/innen, die Mutationsexpertinnen. Die Physiker/innen. Das Kochinstitut zum Beispiel nimmt seine Aufgabe sehr ernst, vor Weihnachten, gerade wurde ein Mampf- und Rülps-Päuschen an der geimpften, genesenen, getesteten Familientafel gewährt, platzte die Warnung vor Fondue und Raclette in die Idylle.

Wir können dankbar sein, so durch und durch Gewarnte und Vorgewarnte, die auf Tonga hatten so ein Glück nicht.

Positiv zu vermerken sind auch die neuen Statussymbole. Statt altmodischer Autos und zu junger Frauen, den Statussymbolen vergilbter Männer, ist der neue Status der Impfstatus. Er ist viel fairer und gerechter, weil so ziemlich jeder so einen Status haben kann, der auch ein anerkannter und internationaler ist. Mit dem fliegt man rein statt raus. Mit dem kriegt man einen Pass, und ab jetzt ist es wie im Märchen. Es gibt Kunst und Kultur und sogar Menschen. Nicht immer nur Kirchen und Klos. Sesam öffne dich, Simsalabim, nur ein Stich, gar nicht schlimm! Dann zwei, dann drei, dann vier, sonst stehst du wieder vor der Tür!

Falls man das noch will. Also das mit den Menschen. Oder kann. Nach längerer Zeit der Menschenenthaltsamkeit sind manche menschenscheu geworden. Vielleicht gar Menschenscheusale. Sie können nicht mehr einfach in eine Rauchwolke reinmarschieren, ach so, sorry, gibt es ja gar nicht mehr, die Welt wird immer weniger eklig. Überall ist die Luft rein. Überall ist die Luft raus. Sie können nicht mehr einfach so unter Leuten sein, Personen sagt man jetzt. Splendid Desolation statt diesem Austausch von Aerosolen mit Unbekannten, noch schlimmer, mit Bekannten. Aerosola mia!

Home-Sweet-Home-Office hat natürlich auch seine Tücken, auf die eigene wall ballert es, aus den Gräben, die die Gesellschaft, so erzählt man sich, spalten, zielen die Schützen. In Deutschland haben sich den Querdenkern die Geradeausdenker entgegengestellt, gegendert werden diese Denker/innen nie. Dabei sollte es beim Denken doch rund gehen!

Ein Sportler mutiert zum omnipräsenten Märtyrerstar. Während eine Insel im Stillen Ozean still unter der Asche versinkt.

Michèle Thoma
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