Die kleine Zeitzeugin

Das Bankett der Barbaren

d'Lëtzebuerger Land vom 11.02.2022

*innen gab es wirklich wenige, eine davon hat einen flirrend schönen Namen, Prinzessin Sirindhorn aus Thailand. Prinzen waren mehrere geladen, einer gar ein Kronprinz aus Saudi-Arabien. Er ist sehr mächtig, er kann Menschen verschwinden lassen. Ein anderer Prinz heißt Albert, zwar nur der Zweite. Er kommt aus einem kleinen Land mit einem großen Meer und hat es, wie viele von uns wissen, nicht leicht wegen seiner afrikanischen Prinzessin, sie ist von Schwermut befallen. Es gab sogar einen Großherzog, den einzigen der Welt.

Barbar*innen schreibe ich natürlich nur aus dichterischer Freiheit, wegen der unwiderstehlichen Alliteration, Barbar*innen gibt es gar nicht. Sie sind immer nur die andern.

Das Bankett findet in der Halle des Volkes statt, die ist natürlich sehr groß. Es findet in einem großen Land statt, das einen überragenden Führer hat. Der Tisch an dem das Bankett stattfindet ist auch sehr groß. Er ist schön gedeckt, oder geschmückt, ein himmelblaues Flüsschen schlängelt sich anmutig durch eine harmonisch mit Blumen verzierte Rasenlandschaft. Das muss eine Art Kunst sein, die Augen essen ja mit. Es ist aber keine Kunstinstallation, die die Gäste verwirren würde oder bestürzen indem sie anprangern würde, so dass ihnen der Appetit vergehen würde. Sie erinnert eher an Landschaftszutaten bei Papis elektrischem Zug auf dem Speicher, zwar ohne Zug.

Die Gäste sitzen mit großen Abständen voneinander an dem großen Tisch, wie angerichtete oder abgerichtete Figuren. Es ist alles sehr feierlich, die Säulen sind golden. Es gibt Musikdarbietungen und Kunst, die das Volk selbst gemacht hat. Die Gäste sind Gäste von Rang und Namen. Manche haben umständliche Namen wie Tedros Adhanom Ghebreyesus, der einer großen Organisation vorsteht, die sich um die Gesundheit der ganzen Welt kümmern muss. Oder klangvolle, wie Abdel Fattah al-Sisi oder Quassym Schomart-Tokajew oder Seine Königliche Hoheit Henri Albert Gabriel Felix Marie Guillaume, Großherzog von Luxemburg und Graf von Katznelnbogen. Der Präsident des Olympischen Komitees heißt nur Thomas Bach. Leider schwänzt Häuptling Hurensohn alias Schießschartenauge Jo, er nennt es Boykott. Viele aus den Ländern, in denen man Englisch oder so eine Art spricht, machen das. Boykottieren. Es klingt so barbarisch, aber es ist für einen guten Zweck. Deutschland boykottiert nicht, es ist nur nicht da. Vielleicht hätte Olaf Scholz auch Schluckauf bekommen neben einem Kronprinzen, der Journalisten zersägen lässt.

Der einzige Großherzog der Welt hat sich natürlich ein Essen verdient. Als erster ausländischer Staatschef landete er in Peking, er schwang die Fahne mit dem Roten Löwen, bat den Gastgeber, Druck auf Russland auszuüben um so einen Krieg zu vermeiden und hat Bereitschaft erklärt zur Zusammenarbeit mit dem Reich der Mitte, um die weltweite Entwicklung zu fördern. Dann bedankte er sich für den Einsatz Chinas in der Pandemie. Außerdem waren ihm die Menschenrechte nicht egal.

Der Ton der deutschen Medien ist allerdings reichlich süffisant. Sie zeigen alle nur das gleiche Foto und schreiben den gleichen Text. Sie schreiben von Protz oder Kitschorgien, die zartbesaitete Bild gar von einem Bankett des Schreckens, die Gästeliste nennt sie Schreckenskabinett. Vertreter von Ländern die auf STAN enden, das kann ja auch nichts Gutes bedeuten!

Die Gäste sitzen in sicherer Distanz voneinander um einander nicht mit dem chinesischen Virus, der schon ein paar Weltreisen hinter sich hat und mittlerweile zu einem griechischen Buchstaben mutiert ist, anzustecken. Auch der Hausherr, der zum ersten Mal seit zwei Jahren der Welt wieder erscheint, hat großen Respekt vor dem Hausmacher-Virus, der mittlerweile ein Virus von Welt geworden ist.

Er spricht Lob aus, er ermuntert und ermahnt. Quassym-Schomart Tokajew aus Kasachstan bekommt eine Gute Note wegen extraguten Benehmens. Xi würdigt Old Best Friend Pu aus dem Reich des Bären. Dann fordert der Kaiser von China und bald der der ganzen Welt die Anwesenden auf gemeinsam für eine Welt des dauerhaften Friedens zu arbeiten.

Michèle Thoma
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