In den Arbeitsgruppen bei den Koalitionsverhandlungen spiegeln sich bereits die Machtverhältnisse wider, die in der geplanten CSV-DP-Regierung herrschen werden

„En Décken an e Klengen“

Formateur Luc Frieden und Noch-Premier Xavier Bettel am Dienstag im Parlament
Photo: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land du 27.10.2023

Här Formateur Nachdem die zwölf Arbeitsgruppen ihm ihre ersten Zwischenberichte vorgelegt hatten, trat Formateur Luc Frieden (CSV) mit den beiden Verhandlungsführern Claude Wiseler (CSV) und Xavier Bettel (DP) vor einer Woche im Schloss Senningen vor die Presse, um Geschlossenheit zu demonstrieren. CSV und DP hätten zwar nicht fusioniert, doch ihre Wahlprogramme würden sich in vielen Punkten überschneiden, auf persönlicher Ebene hätten Freundschaften schon zuvor existiert, die nun zu Arbeitsbeziehungen geworden seien, sagte Frieden. In den Bereichen Wirtschaft, Finanzen, Klima und Soziales seien mehr Diskussionen erforderlich als bei anderen Themen.

Xavier Bettel lobte den unparteiischen „Här Formateur“, der die Verhandlungen in gegenseitigem Respekt führe: „Am Respekt, dat kléngt elo komesch, mee am Respekt, et ass net en Décken an e Klengen, et ass net e Junior an ee Groussen.“

Erst Minuten vor der Pressekonferenz hatte der Informationsdienst der Regierung die Zusammensetzung der zwölf Arbeitsgruppen (AG) bekannt gegeben. Neben den vielen Schreibfehlern fällt in der Liste auf, dass vor allem die CSV die Themenbereiche innerhalb der AGs häufig unterteilt und die Untergruppen mit unterschiedlichen Politiker/innen und Expert/innen besetzt hat, was dazu geführt hat, dass sie wesentlich mehr Mitglieder stellt als die DP. Mit 64 (CSV) zu 40 (DP) Nominierungen spiegelt das Verhältnis in den Arbeitsgruppen in etwa die Sitzstärke im Parlament wider (21 zu 14). Was auch darauf schließen lässt, dass zumindest die CSV durchaus zwischen Großem und Junior unterscheidet.

In der DP zeigte man sich in dieser Woche überrascht über dieses Ungleichgewicht in den Arbeitsgruppen, das man sich so nicht erwartet habe. Strikte Vorgaben über die Anzahl der zu nominierenden Mitglieder gab es offenbar nicht, sodass die CSV ihre Mitgliedsstärke und ihre Vernetzung in der Gesellschaft geschickt ausgenutzt hat. Viele der Expert/innen hätten der CSV schon bei der Ausarbeitung ihres Wahlprogramms geholfen, sagte Claude Wiseler am Freitag. Details zu der Nominierungsprozedur wollten in dieser Woche auf Land-Nachfrage weder er noch Formateur Frieden preisgeben. Auf Vertreter des Finanzplatzes, wie 2013, als die DP offiziell Alain Kinsch, Kik Schneider und Norbert Becker berief, haben beide Parteien diesmal verzichtet. Allerdings bestand noch die Möglichkeit, externe Berater für einzelne Sitzungen einzuladen. Deren Namen wurden bislang nicht veröffentlicht, was der neue Grünen-Abgeordnete Meris Sehovic am Dienstag in seiner ersten parlamentarischen Anfrage bemängelte.

Die Zusammensetzung der Arbeitsgruppen verdeutlicht indes, was in den vergangenen Jahren, als die CSV in der Opposition war, vielleicht manchmal in Vergessenheit geriet. Sie ist weiterhin die mächtigste Partei, in vielen Ministerien arbeiten noch ranghohe Beamte, die eine Mitgliedskarte haben oder ihr nahe stehen. Der CSV-Staat hat „Gambia“ überlebt, er hat nur zehn Jahre im Verborgenen geschlummert.

Gleichzeitig hat der Formateur die Arbeitsgruppen genutzt, um junge Mitglieder der CSV an den Verhandlungstischen zu platzieren. Die Jugendorganisation CSJ hatte sich im Wahlkampf uneingeschränkt hinter Luc Frieden gestellt und damit ihren Beitrag zur Rückkehr der CSV an die Macht geleistet – nicht zuletzt durch ein viel kritisiertes Video, das sie nach dem TV-Duell zwischen Frieden und Bettel auf den sozialen Netzwerken veröffentlicht hatte.

CSJ Vom Nationalkomitee der CSJ sind insgesamt acht Mitglieder in den Arbeitsgruppen vertreten. Präsident Alex Donnersbach, Anwalt bei Elvinger-Dessoy-Marx, seit 2017 im Walferdinger Gemeinderat – seit Juni als Zweiter Schöffe. Er leitet die AG Wohnungsbau und ist Mitglied in der Gruppe für Umwelt und Klima. Als Zehntgewählter auf der Zentrumsliste hat er Chancen, nach der Regierungsbildung ins Parlament nachzurücken. Auch die beiden Vizepräsident/innen der CSJ, Martine Kemp und Marc Ury, sind dabei. Ury ist hauptberuflich Abteilungsleiter der Cellule Harmonisations ASFT (activité sociale, familiale et thérapeutique) im Bildungsministerium, den Einzug in den Grevenmacher Gemeinderat hat er im Juni knapp verpasst, er könnte jedoch für Léon Gloden nachrücken, der wohl Minister wird. Martine Kemp war Verkehrsingenieurin bei der Stadt Luxemburg und hat in dieser Woche Christophe Hansen im EU-Parlament ersetzt.

Ricardo Marques, Vorsitzender der CSJ Osten, ist Psychologe beim Service stratégie et projets im Bildungsministerium und vertritt die CSV in den Arbeitsgruppen Armut und Chancengleichheit. 2017 wurde er Schöffe in Echternach, wo die CSV im Juni in die Opposition musste, seitdem ist er im Gemeinderat. Bei den Kammerwahlen wurde Marques Fünfter im Osten. Der Präsident der CSJ Zentrum, der Immobilienmakler Kim Felten, ist Mitglied der AG Wohnungsbau (siehe S.9). Weitere CSJ-Vorstandsmitglieder in den Arbeitsgruppen sind der Bürgermeister von Weiler zum Turm und Kriminologe Vincent Reding; Felix Thill, Kommunikationsbeauftragter bei Luxembourg for Tourism; Tom Kerschenmeyer, Jurist bei der Steuerverwaltung und seit 2017 an der Seite von Gilles Roth und Luc Feller im Gemeinderat von Mamer.

Auch CSJ-Mitglieder, die nicht im Vorstand sind, wurden in die Arbeitsgruppen berufen: Melanie Grün, Deutschlehrerin am Lycée Nic Biever und seit Juni Gemeinderätin in Kayl-Tetingen; Laurent Braun, Analyst beim Statec und Gemeinderat in Strassen; die Sportrechtsanwältin Danira Mustafic, die zusammen mit Lynn Frank, Tochter des langjährigen Manternacher CSV-Bürgermeisters Henri Frank und Anwältin in der Kanzlei ihres Vaters, in der Statutenkommission des COSL sitzt. Beide haben im Oktober im Bezirk Zentrum kandidiert, landeten jedoch auf den hinteren Rängen. Manche von ihnen könnten künftig Regierungsrat in einem CSV-geführten Ministerium werden.

Neben dem christsozialen Nachwuchs hat die CSV aber auch Mitglieder in die Arbeitsgruppen gesandt, die schon Schlüsselrollen in einer staatlichen Verwaltung einnehmen. Etwa Luc Zwank, promovierter Umweltchemiker, von 2014 bis 2022 stellvertretender Direktor des Wasserwirtschaftsamts. Im Januar wurde er Direktor der Umweltverwaltung, als Joëlle Welfring (Grüne) in die Regierung wechselte. Seit Jahren ist Zwank im CSV-Bezirksvorstand Zentrum und in der Sektion Lintgen engagiert. 2017 wurde er dort in den Gemeinderat gewählt, dieses Jahr trat er nicht mehr an.

Oder Serge Hoffmann, seit 1999 Bürgermeister von Hobscheid, wo die CSV die absolute Mehrheit hält. Als Premier Inspecteur des finances bei der IGF war er schon vor 2013 ein enger Vertrauter des damaligen Finanzministers Luc Frieden. Maryse Fisch, die für die CSV in der AG Organisation du vivre-ensemble et du bien-être sitzt, ist Erste Regierungsrätin von Taina Bofferding (LSAP) im Ministerium für Gleichstellung von Frauen und Männern. Unter François Biltgen stieg sie 1999 zur Regierungsrätin im Arbeitsministerium auf, Françoise Hetto-Gaasch holte sie 2009 ins Chancengleichheitsressort. Georges Bley, der von Claude Wiseler in die AG Europa und Internationales berufen wurde, war vor zehn Jahren bei der CSJ aktiv. Beruflich vertritt er Luxemburgs Interessen als Diplomat in Brüssel.

Gleich in drei (Unter-)Gruppen zu finden ist der Jurist und langjährige Generalsekretär der Abgeordnetenkammer, Claude Frieseisen. Als er noch im Amt war, achtete er peinlich darauf, neutral zu sein; drei Jahre nach seiner Pensionierung kann er sich endlich politisch outen.

Aus dem Bildungssektor hat die CSV den Direktor des Attert-Lycée und Lasel-Präsidenten Jeff Kohnen nominiert; den ehemaligen Judoka Charel Stelmes, Direktor des Institut national de l’activité physique et des sports; Jules Bonert, Ingenieur und Lehrer im Lycée des Arts et Métiers, Vorstandsmitglied der CSV Diekirch und Bruder des Diekircher Schöffen Paul Bonert; sowie Bob Kirsch, stellvertretender Grundschuldirektor der Region Luxemburg, der im Juni für die CSV in Esch/Alzette kandidierte.

Nicht nur aus dem Staatsdienst, auch aus dem konventionierten Sektor und aus der Privatwirtschaft hat die CSV Mitglieder und Sympathisanten in die Arbeitsgruppen berufen. Gérard Albers, Direktor der christlich geprägten, sozialpädagogischen Vereinigung Arcus und Vizepräsident der Fedas (Fédération des acteurs du secteur social au Luxembourg), berät Martine Hansen in der AG Grundschule. Seine ganze Karriere hat Albers in CSV-nahen Vereinen und Stiftungen verbracht: Von 1989 bis 1994 war er Präsident der Landjugend a Jongbaueren, danach im Vorstand von Proactif; gearbeitet hat er als Personalchef bei Hëllef Doheem. Der Ingenieur Marcel Hetto, langjähriger Geschäftsführer von Luxplan und Ehemann der früheren CSV-Ministerin Françoise Hetto-Gaasch, ist Mitglied in der AG Verkehr und Landesplanung.

Steff Schaeler war lange Zeit Direktor eines interkommunalen Abfallsyndikats im Osten, bevor er sich vor sechs Jahren im Bereich der Abfallwirtschaft selbständig gemacht hat. Vor über 20 Jahren war er CSJ-Bezirkspräsident im Zentrum, später Mitglied des berüchtigten Cercle Joseph Bech und ab 2007 Präsident des 2013 aufgelösten konservativen Lobbyvereins Famill 2000 - Ligue luxembourgeoise pour la reconnaissance du travail au foyer, der sich nicht nur gegen die „Einkasernierung“ von Kindern in Betreuungsstrukturen, sondern auch gegen die „steuerliche Diskriminierung von verheirateten Paaren mit Kindern“ zur Wehr setzte. Mitglied ist er jedoch nicht in der finanzpolitischen oder der familienpolitischen Arbeitsgruppe, die Vorschläge zur sogenannten „Herdprämie“ ausarbeiten soll, sondern in der Umwelt-AG. Kein Unbekannter in der CSV ist auch Charles Hurt, der von 2010 bis 2013 Mitarbeiter der CSV-Fraktion und danach kurz Attaché de Gouvernement unter Claude Wiseler im Bautenministerium war. Von 2014 bis 2016 war Hurt CSJ-Präsident, beruflich ist er als Anwalt in der Kanzlei des früheren CSV-Ministers Jean-Louis Schiltz tätig.

HRS Die DP hat zwar weit weniger „Experten“ aus Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in die Arbeitsgruppen entsandt, doch auch sie kann auf Unterstützung zählen – insbesondere im Bereich Gesundheit und soziale Sicherheit. In der von der Abgeordneten Carole Hartmann geleiteten Gruppe findet sich neben dem Infektiologen am Kongregationsspital Hôpitaux Robert Schuman (HRS), Gérard Schockmel, der am 8. Oktober direkt gewählt und am Dienstag im Parlament vereidigt wurde, auch Philippe Wilmes, Vize-Präsident der AMMD und Orthopäde an den HRS. Philippe Wilmes hatte 2019 die CSV (zusammen mit dem früheren Betzdorfer Gemeinderat Christopher Lilyblad) verlassen, nachdem Frank Engel sich auf einem Kongress in einer Kampfabstimmung um das Amt des Parteipräsidenten gegen seinen Bruder Serge Wilmes durchgesetzt hatte. Auf der DP-lastigen Liste Zesumme fir Leideleng wurde Philippe Wilmes im Juni in den Gemeinderat der Majorzgemeinde gewählt. Für die DP in der AG Gesundheit sitzt auch die Allgemeinmedizinerin Stéphanie Obertin, die noch bis vor einigen Monaten Präsidentin des Cercle des médecins généralistes war und als „Invitée“ im Vorstand der AMMD saß. Wie schon 2018 kandidierte sie im Oktober für die DP im Zentrum, als Elftgewählte sind ihre Chancen, in die Kammer nachzurücken, jedoch gering. Ebenfalls in der Gesundheits-AG für die DP ist die freiberufliche Hebamme und Präsidentin der DP-Sektion Düdelingen, Sheila Schmit, die im Juni den Einzug in den Gemeinderat knapp verpasste. Bei den Kammerwahlen auf der Südliste wurde sie Zweitletzte.

Für die CSV, die für die Bereiche Gesundheit und soziale Sicherheit zwei unterschiedliche Teams aufgestellt hat, sitzen in der ersten AG der Anästhesist Cyril Thix, Mitglied des Conseil médical der HRS; Paul Wirtgen, Generaldirektor des Centre Hospitalier du Nord und früherer HRS-Direktor; sowie die ebenfalls in den HRS praktizierende Augenärztin Emilie Costantini, die im Juni für die CSV in den Gemeinderat der Stadt Luxemburg gewählt wurde und auch bei den Kammerwahlen kandidierte. In der AG Soziale Sicherheit kann Gruppenleiter Max Hengel auf die Expertise der Mathematikerin und Staatsrätin Martine Deprez und von Alain de Bourcy, Vorsitzender des Apothekerverbandes und CSV-Kandidat bei den Nationalwahlen, zählen.

Anders als die CSV hat die DP kaum auf Beamte zur Besetzung der Arbeitsgruppen zurückgegriffen. Eine Ausnahme ist Jean-Paul Lickes, seit 2014 Direktor des Wasserwirtschaftsamts. Seit 2017 sitzt er für die Liberalen im Gemeinderat von Hobscheid. Dafür setzt die DP auf prominente Kandidat/innen aus Kultur, Sport und Privatwirtschaft: In der AG Landwirtschaft sitzt für sie Marco Koeune, Biolandwirt aus Harlingen, Bürgermeister der Stauseegemeinde und Nachfolger des im August verstorbenen Camille Schroeder als Präsident der DP-nahen Baueren-Allianz. 2009, 2013 und 2018 war Koeune Kandidat bei den Kammerwahlen im Norden.

Weitere prominente DP-Mitglieder in den Arbeitsgruppen sind die paralympische Rennrollstuhlfahrerin Katrin Kohl, die Unternehmerin und Präsidentin des Fußballvereins Union Titus Petingen, Barbara Agostino, der frühere Sportschwimmer Raphael Stacchiotti, die ehemalige professionelle Tennisspielerin Mandy Minella, die Generaldirektorin von Esch 2022, Nancy Braun, sowie die Metzgerin und frühere RTL-Journalistin Anne Kaiffer und die Tänzerin Sylvia Camarda, die beide Mitglied des Gemeinderats der Stadt Luxemburg sind. Sie alle kandidierten im Oktober für die DP bei den Nationalwahlen.

Luc Laboulle
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