Parteienfinanzierung

Vom „Parteienstaat“ zu den Staatsparteien

d'Lëtzebuerger Land du 01.03.2007

Nach mehr als einjährigen, sehr diskreten Verhandlungen kündigtendie fünf im Parlament vertretenen Parteien am Dienstag einträchtigeinen gemeinsamen Gesetzentwurf an, der erstmals eine direkte Bezuschussung der Parteien aus dem Staatsbudget vorsieht. Dies stellt eine weitere Etappe einer mehr als 40-jährigen Entwicklung dar, durch die politische Parteien nicht nur den Staat lenken, sondern sich dafür auch vom Staat bezahlen lassen – im Idealfall, um unabhängiger von Spenden eine Gegenleistung erwartender Lobbys zu sein.

Der erste Schritt bei der Bezuschussung der Parteien war die 1965 ins Kammerreglement aufgenommene und ab 1966 ausgezahlte Unterstützung der parlamentarischen Fraktionen. Auf Beschluss des Kammerbüros werden die Betriebskosten jeder Fraktion mit 3 100 Euro Index 100 pro Abgeordneten bezuschusst. Seit den letzten veröffentlichen Kammerkonten, jenen von 2004, hat sich die Höhe der Zuschüsse für die einzelnen Parteien aufgrund ihrerWahlergebnisse geändert. Durch den Parteiaustritt ihres Abgeordneten Aly Jaerling hat die ADR den Fraktionsstatus verloren und deshalb nur noch Anrecht auf niedrigere Zuschüsse. Die Fraktionen sind in zum Parlament gehörenden oder von ihm angemieteten Büros untergebracht. Zudem übernimmt das Parlament die Gehälter der Fraktionsreferendare in Höhe von 12 400 Euro Index 100 pro Fraktion und Legislaturperiode.

Auf Beschluss des Kammerbüros kann jede Fraktion für 49 600 Euro jährlich und die ADR für 10 000 Euro jährlich Computermaterial erwerben. Zum Erwerb von Büromobiliargibt es einen Sockelbetrag von 12 400 Euro pro Legislaturperiode für die Fraktionen und von 2 500 Euro für die ADR plus 500 Europro Abgeordneten. Das Kammerbüro kann zudem weitere Zuschüsse, etwa für den Erwerb von Fotokopierern, während einer Legislaturperiode beschließen.

Ein weiterer, indirekter Schritt zur Parteienfinanzierung wurde 1976 mit der Einführung der staatlichen Pressehilfe durch die damalige LSAP/DP-Koalition getan. Erklärtes Ziel der Regierung war es, den Pressepluralismus abzusichern. In der Praxis hieß das: Dafür zu sorgen, dass trotz des wirtschaftlichen Übergewichts der „befreundeten Presse“ der damals oppositionellen CSV die anderen im Parlament vertretenen Parteien ihre Tageszeitungen behalten konnten.

Dieses Ziel wurde bis heute erfolgreich verfolgt, obwohl die parteipolitische Bindung mancher Blätter außerhalb des Wahlkampfs inzwischen gelockert ist und auch andere Tages- und Wochenzeitungen bezuschusst werden. Am meisten kommt die Pressehilfe DP und KPL zugute, die direkt Tageszeitungen kontrollieren, während sie CSV, LSAP und Grüne nur indirekt, über die Sympathie der ihnen nahe stehenden Blätter zugute kommt, und die sporadisch erscheinende Wahlkampfzeitung der ADR, gar keine Pressehilfe erhält. Für das laufende Jahr sieht der Staatshaushalt insgesamt 6 766 545 Euro an Pressehilfe vor. 

Der nächste große Schritt bei der Subventionierung der Parteien war 1999 die Wahlkampkostenerstattung. Für die Kammerwahlen werden seither die Wahlkampfkosten entsprechend dem Ergebnis erstattet: Für ein bis vier Abgeordnete gibt es einen Sockelbetrag von 50 000 Euro, für fünf bis sieben (Grüne und ADR) von 100 000 Euro, für acht bis elf Abgeordnete (DP) von 150 000 Euro und für mehr als zwölf Abgeordnete (CSV, LSAP) von 200 000 Euro. Zum Sockelbetrag hinzu kommen pro Abgeordneten 10 000 Euro.Bei den Europawahlen gibt es 12 500 Euro für mindestens fünf Prozent der Stimmen (ADR), 25 000 Euro für mindestens zehn Prozent (DP), 37 500 Euro für mindestens 15 Prozent (Grüne), 50 000 Euro für mindestens 20 Prozent (LSAP) und 74 500 Euro für mindestens 25 Prozent der Stimmen (CSV). Zu diesenSockelbeträgen kommen 12 500 Euro pro Europaabgeordneten. Jede Partei hat außerdem Anrecht auf eine Wurfpostsendung an alle Haushalte für jede Wahl zum nationalen oder europäischen Parlament. 

Nun soll, vielleicht schon ab nächstem Jahr, die direkte Finanzierung der Parteien aus dem Staatsbudget folgen. Danach soll jede Partei, die mehr als zwei Prozent der Stimmen landesweit und bei den Europawahlen erhielt, einen Sockelbetrag von 100 000 Euro jährlich bekommen. Für jeden zusätzlichen Prozentpunkt bei den Kammer- und den Europawahlen soll es dann noch einmal 11 500 Euro geben.Zu den Bedingungen für das Anrecht auf die Parteienfinanzierung – die zufällig nur die fünf im Parlament vertretenen Parteien erfüllen – gehören der Verzicht auf direkte Firmenspenden, die  Veröffentlichung von Privatspenden, die mehr als 250 Euro ausmachen, die Veröffentlichung und Überprüfung der Parteikonten durch den Rechnungshof und die Verwendung von zehn Prozent der Zuschüsse für Seminare, Studien und andere Bildungszwecke.

Eine weitere Bedingung ist, dass jede Partei sich zu mindestens 25 Prozent aus Eigenmitteln finanziert. Was bedeutet, dass jede Partei zu 75 Prozent verstaatlich sein darf und damit auch in eine neue Abhängigkeit geraten kann.

 

Romain Hilgert
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