Archive
Feuilleton / Die kleine Zeitzeugin
Gerade war bipolar noch in Mode
Multipolare Störung
Michèle Thoma
Édition: 19.02.2016
Jetzt wissen wir wenigstens, woran wir leiden, also wir Welt. Die Welt, so ließ der Vorsitzende oder Vorstehende des Europaparlaments in einer deutschen Talgdrüsenshow verlauten, ist nämlich jetzt multipolar. Multipolar, und nicht mehr, ach, waren das noch Zeiten, die Kinder waren noch klein, der …
Das Weltall ist nie alle
His Spaceship
Michèle Thoma
Édition: 12.02.2016
Weltall gibt es reichlich, möglicherweise ist es nie alle. Es dehnt sich aus, es scheint flexibel zu sein. Das und anderes Weltallerlei haben wir schon mitgekriegt, diese Wahrnehmung hat unsern Alltag nicht wesentlich verändert, wir leben damit. Wenn das Spielzeugauto über den Mars rollt und Nasa- …
Spaß muss sein
Ernstfall Karneval
Michèle Thoma
Édition: 05.02.2016
Es ist alles unter Kontrolle, hört man aus unserm Nachbar_innenland, die Expert _innen nicken aufmunternd. Es wird alles wie immer sein, aber eben noch mehr unter Kontrolle. Das Auge des Gesetzes hat alles im Auge, jetzt muss es nur noch durchblicken, was dieses Jahr noch herausfordernder ist. So …
Der grüne Minister und das Autofestival
Ein Land auf Entzug
Michèle Thoma
Édition: 29.01.2016
Der Nachhaltigkeitsminister kann es nicht oft genug wiederholen: Der Entzug wird light sein. Der Patient wird das Ganze überstehen, er wird sogar, Zauberwort, mobil bleiben. Vielleicht wird er sogar noch mobiler sein. Weil er eben nicht mehr in diesem Attribut des kaufpotenten Neanderthalers …
Er kommt auf sanften Pfoten, ganz in Weiß
Worst Case Scenario
Michèle Thoma
Édition: 22.01.2016
„Worst Case Scenario“ heißt es im Printmedium mit dem verheißungsvollen Namen L’ Essentiel, und die Leserin zuckt zusammen. Das musste ja so kommen, sie hat es gewusst, eigentlich schon immer. Schaudernd beugt sie sich über die Lettern, da steht es schwarz auf Weiß: Das Schlimmste kommt erst …
Turbo-Tempo
Ist das jetzt normal?
Michèle Thoma
Édition: 15.01.2016
Mit einem kleinen, feinen Lächeln im Terrorexpertengrabsteinantlitz bejahen die Terrorexperten die bangen Fragen der Moderatorinnen. Ja, damit muss man rechnen. Immerhin, etwas, mit dem man rechnen muss. Philosoph_innen werden schon um Rat gebeten. Irgendjemand muss uns ja einen Tipp geben, wie es …
Morgen war auch noch ein Tag
Zillwester anno Bomi
Michèle Thoma
Édition: 08.01.2016
Es war einmal, viele Male, vor langer, langer Zeit. Im Gutland, einem Land, das es im Heimatkundeheft gab. Dort, auf einem Bauernhof, verbrachte ein kleines und zusehends größer werdendes Mädchen die Weihnachtsferien, und natürlich den Zillwesterabend.
Am Zillwesterabend war es sehr, sehr still, …
Schutzengel kennen sich aus
Alles ist offen
Michèle Thoma
Édition: 01.01.2016
Das brandneue Jahr knallt uns um die Ohren, die Küsse und die Korken knallen, es gibt himmlische Explosionen. Aber sie könnten auch höllischer Natur sein, wer ist sich da schon so sicher! Nichts ist mehr sicher, alles ist offen, ein Riesenrätsel, ein Gesellschaftsspiel mit lauter Unbekannten.
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Freu dich doch!
Etwas Schönes
Michèle Thoma
Édition: 18.12.2015
Etwas Schönes wünscht sich Menschenkind, jetzt, zum Schluss, jetzt, da das Jahr sich seinem Ende entgegen neigt, ins Schwarze kippt, durch das alle tappen, wo steht das Auto? Es drückt auf alle möglichen Knöpfe und Schalter, um die ewige Nacht zu entzünden, es hängt sich Lichterketten um den Hals, …
In der Großen Nation
Die sich wundern
Michèle Thoma
Édition: 11.12.2015
Das Cover einer französischen Zeitschrift zeigt ein verschwommenes Wesen hinter Gitterartigem. „Es kommt näher“, es muss ein Monster sein. Es heißt Marine. Niemand weiß, was nächsten Sonntag geschieht, „Nous sommes complètement dans le Bleu“, sagt ein TV-Moderator. Dann muss er lachen.
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Ich rede vom Niqab
Radical Chic(k)
Michèle Thoma
Édition: 04.12.2015
Ich weiß, der Zeitpunkt ist schlecht. Ich weiß, es hat nichts damit zu tun. Oder noch nicht, jetzt nicht, dann nicht, wenn wir nicht alles vermasseln. Ich rede von der Burka, oder, präziser gesagt, vom Niqab.
Obschon es ja angeblich nichts dazu zu sagen gibt. Alles sei sowieso geregelt, und …
Ein Viertelstündchen entfernt von der goldenen Grand-Place
Molenbeek, Fremdkörper
Michèle Thoma
Édition: 27.11.2015
Es gibt also Molenbeek, wer hätte das gedacht. Mitten unter uns, also daneben. Nicht wirklich am Rande, nicht mal, der Brüssel-Mensch oder der internationale braucht nur eine Brücke zu überqueren, einen Fluss. Eine Viertelstunde von der Grand-Place, die golden über die Bildschirme flimmert, das …
Die Leute machen neuerdings Fotos, ein Wahnsinn
Herbsthimmel
Michèle Thoma
Édition: 20.11.2015
Das geht nun schon seit Monaten so, mindestens seit September. Die ganze Zeit Herbsthimmel. Oder Herbstblumen. Oder Hunde, Hunde unter Himmel im Herbst. Mit Stock im Maul, triefenden Lefzen, gudde Mupp. Wanderschuhe, Astern, Vergilbtes. Oder dampfende Kaffeetassen, die Leute machen neuerdings …
So vieles kommt geradewegs auf uns zu
Große Chef-Pizza-Angst
Michèle Thoma
Édition: 13.11.2015
Angst! Angst! Alle haben tausend Angstgründe, Angstabgründe, Angst, noch mehr Angst, und die, die keine Angst haben, haben Angst vor denen, die Angst haben.
So vieles kommt ja gerade geradewegs auf uns zu. Völker wandern auf uns zu, wann gehen sie wieder, kann einem das jemand sagen? Gerade …
Infos, die wir hinterlassen haben
Memory
Michèle Thoma
Édition: 06.11.2015
Auf unsere Nachkommen wird vermutlich, ziemlich sicher, ziemlich viel zukommen. Unter anderem das, was wir an Infos hinterlassen haben werden, nachdem wir uns diskret in den Staub gemacht und ihnen die Szene überlassen haben.
Wenn man auf Dachböden herumstöbert, Häuser ausräumt in denen die, die …
Vom Trauern
Das Zeitliche segnen
Michèle Thoma
Édition: 30.10.2015
Liebe Tiere sterben aus, Kulturen und Sprachen natürlich auch. Wörter, sie schreien nicht um Hilfe, es gibt keine Vermisstenanzeige, niemand weint ihnen hinterher. Irgendwann, wenn man so ein totes oder halbtotes Wort in den Mund nimmt, wird man befremdet angeschaut: Diese Dame ist nicht von …
"Hier bin ich, reiß mich auf"
Buchmesse
Michèle Thoma
Édition: 23.10.2015
Ich war ein Mal auf der Buchmesse, also auf der Buchmesse. Auf den anderen kein Mal. Vor langer, langer Zeit war das, damals, als die ausgelaugten, ausgesaugten Siebziger gerade in die schnellen, grellen Achtziger gekippt waren.
Vor allem war ich auf der Gegenbuchmesse, heute gibt es, wenn ich …
Einst gab es nur eine Zehka - die war in der Stadt
Episches Europa
Michèle Thoma
Édition: 16.10.2015
Einst war die Welt, also Europa, viel einfacher, vielleicht langweiliger. Es war nicht dauernd was los, und wenn, dann war es weit weg und in Schwarzweiß. Eine EU gab es nicht, nur eine Zehka – die war in der Stadt. Europa war wunderbar übersichtlich. Das meiste Europa gab es praktischerweise gar …
Neulich am Himmel
Tollmond
Michèle Thoma
Édition: 09.10.2015
Die Tage sind günstig zum Zehennagelzwicken. Man könnte sich auch eine neue Hüfte einsetzen lassen, mal nachschauen, was sonst noch so empfohlen wird. Den Ziegenstall ausmisten zum Beispiel. Danke lieber Mondkalender, du sagst uns immer, welches Holz geschlägert gehört und welche Haare wo gejätet. …
Magyaren gegen Barbaren
Die Ungarn haben einen Vogel
Michèle Thoma
Édition: 02.10.2015
Sie stellen ihn auf Podeste, errichten ihm Monumente, der Anführer schwingt seine Reden unter seinen rabenschwarzen Riesenflügeln, schwingt sich zu Schwindel erregenden Höheflügen der Rhetorik auf. Drachen, Heilige, Blut und Boden, Turul Turul!
Landauf, landab verrichten die Ungarn diesen …
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