Film made in Luxembourg

Beziehungsweise Bachmann

d'Lëtzebuerger Land vom 06.05.2022

Mit Bachmann & Frisch dreht Margarethe von Trotta erneut einen Film über eine starke Frauenfigur, koproduziert von Amour Fou. Vicky Krieps spielt die berühmte Lyrikerin, die im Schatten von Max Frisch fast zerbrochen sein soll. Bachmanns Leben und Schreiben allein böte genug Stoff für einen Film. Ein Besuch am Luxemburger Drehort

Ein festliches Abendmahl in Rom im Jahr 1962. Am Tisch sitzen Marianne Oellers und Tankred Dorst. „Dorst war damals schon bekannt, er hatte zwei Bücher publiziert. Sie war eine junge Frau, und er erzählt, wie es da war in der Villa Massimo in Rom, kein Damenbesuch nach zehn Uhr. Marianne war mit ihm gereist, um Rom zu sehen, und es war das erste Mal, dass sie Rom besuchte“, erzählt Filmproduzentin Bady Minck. Eine aufwändige Kulisse in Kehlen, an der man sieben Wochen gebaut habe, so Produzent Alexander Dumreicher-Ivanceanu.

Max Frisch habe schnell gemerkt, dass Marianne noch nie in Rom war, und gab sich als galanter Charmeur. Bachmann habe ihm gewissermaßen dabei geholfen, die junge Frau zu erobern: „Max, dann kannst Du sie ja herumführen. Du kennst ja schon Rom, dann habe ich meine Ruhe, zum Schreiben“, sagt Ingeborg Bachmann.

Literat Frisch sei maßlos eifersüchtig gewesen, und auf diese privaten Konstellationen legt der Film viel Wert. Jeder Journalist, der die Bachmann interviewt habe, war in seinen Augen ein potenzieller Lover. Gleichwohl sollte Frisch sie für die jüngere Marianne Oellers verlassen. – Der klassische Mechanismus narzisstischer Projektion. Dabei ist Frisch nie vor Indiskretionen zurückgeschreckt; Bachmann soll sich in zahlreichen seiner Frauenfiguren wiedererkannt haben. Nach dem Erscheinen seines Romans Mein Name sei Gantenbein (1964) plagten sie Alpträume und das Gefühl des Verwertet-Seins. Sie hingegen entwarf in ihrem Schlüsselroman Malina (1971) eine solidarische Liebesbeziehung: „(...) nichts ereignet sich und eignet sich dazu, preisgegeben, seziert und analysiert zu werden, denn Ivan und ich schleifen, rädern, foltern und ermorden einander nicht, und so stellen wir uns einer vor den anderen und schützen, was uns gehört und nicht zu greifen ist.“

Ingeborg Bachmann ist durch ihre kompromisslose Lyrik wie durch ihren frühen (Feuer-)Tod zu einer Art Mythos geworden. Doch nicht nur diese haben sie berühmt gemacht, in ihrer Prosa (Malina, und ihrem posthum veröffentlichten unvollendeten Roman Der Fall Franza) traf sie einen zeitgemäßen Ton, der diese Zeit überdauert hat. Im Individuellen thematisierte sie, wie Frauen von der patriarchalischen Gesellschaft zerstört werden: „Der Faschismus ist das erste in der Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau“, diagnostizierte die Lyrikerin, die während der Beziehung zu dem Schweizer Frisch abwechselnd in Zürich und Rom lebte und durch die Demütigungen Max Frischs’ eine Zeitlang wortlos war. Die Ehe lehnte sie „als unmögliche Institution“ kategorisch ab. Für eine Frau, die denke, arbeite und selber etwas wolle, sei sie unvorstellbar.

Ein Biopic über die Lyrikerin, die die damals männerbeherrschte Literaturgruppe 47 aufwirbeln sollte, birgt das Risiko der Verkürzung. Das Augenmerk auf den amour fou zwischen Frisch und ihr zu legen, nimmt in Kauf, dass das Werk der Lyrikerin in den Hintergrund tritt.

Es ist eine aufwändige Produktion, die nicht nur mit großen Namen wie Margarethe von Trotta und Vicky Krieps lockt; um Schlüsseletappen des Lebens der Bachmann zu rekonstruieren, wurde insgesamt an sieben Spielorten gedreht, heutzutage auch immer Resultat der Zwänge der europäisch-multinationalen Filmförderung. Das Gesamtbudget betrug über acht Millionen Euro. 

Vier Jahre führten Bachmann und Frisch eine Beziehung, und dies auf dem Zenit ihres Erfolges. Es ist ein leidenschaftliches Verhältnis, das jedoch geprägt ist von Konkurrenz und zersetzender Eifersucht: Auf der einen Seite die freiheitssüchtige, kompromisslos liebende Intellektuelle, an ihrer Seite der narzisstische, stets eifersüchtige Gockel Frisch, dessen Theaterstücke überall gespielt werden und der ihr ständig Szenen macht.

Während sie sich bei vorangehenden Filmen über starke Frauen (Rosa Luxemburg oder Hannah Arendt) auf Briefwechsel stützen konnte, verweigerte Suhrkamp zunächst den Produzent/innen, später Margarethe von Trotta die Einsicht in Bachmanns Briefwechsel mit Frisch, der lange verschlossen war und diesen Herbst erscheinen soll.

Die drei Produzent/innen (Katrin Renz von Tell Film, Alexander Dumreicher und Bady Minck von Amour Fou) entschieden sich bewusst, die Beziehung Bachmanns mit Max Frisch zu thematisieren. Nachdem sie Margarethe von Trotta als Regisseurin gewinnen konnten, schälte sich heraus, dass sie den Fokus auf die Jahre 1958 bis 1964 setzen wollten. Die Beziehung zu Paul Celan sei viel textlastiger gewesen, bestand wesentlich im Briefaustausch. Zudem gebe es bereits einen Film von Ruth Beckermann (Die Geträumten; 2016), der auf dem Briefwechsel zwischen Bachmann und Celan beruhe. „Die Briefe sind phantastisch“, so Minck. „Aber sie hatten nicht viel Zeit zusammen. Das wäre nicht sehr visuell gewesen.“

An der Beziehung zwischen Bachmann und Frisch hat von Trotta zudem die Parallele zu ihrer eigenen Biografie gereizt: „Volker Schlöndorff und ich waren zwei Regisseure, also erstmal habe ich da eine gewisse Parallelität entdeckt und wollte nachprüfen, wie ist es bei den beiden gewesen? Und eigentlich war es genauso verletzend und enttäuschend und ja, eine Tragik, dass zwei Menschen, die so große Literaten sind, es dann doch nicht miteinander schaffen. Also das war mein Begehr, das zu zeigen.“

Dass Vicky Krieps, die nach dem Erfolg des Hollywood-Films Phantom Thread (2017) von Paul Thomas Anderson in zahlreichen Produktionen zu sehen ist, vom Frauentypus eher lieblich-reizend ist und im Vergleich zur spröden Intellektuellen Bachmann (als sie mit Frisch zusammen war, war sie über 40) sehr jung, empfindet von Trotta nicht als störend: „Die Eindeutigen sind doch langweilig. Je komplizierter eine Person ist, desto besser ist sie doch für Film. – Ich glaube, mit Vicky Krieps kann es nur klappen. Für mich ist sie die absolute Traumbesetzung.“

Noch scheint sich die Luxemburger Hollywoodhoffnung mit der Annäherung an die Rolle einer Literatin schwerzutun. Auf Fragen nach Bachmanns Büchern oder der Gruppe 47 reagierte Krieps am Rande des Drehs eher ratlos. Dennoch sei sie sich der Vielschichtigkeit der Figur, die sie verkörpern soll, bewusst: „Ingeborg Bachmann war für mich eine lebendige Frau. Das heißt, sie war absolut lebendig. Sie war alles. Und das ist immer noch so, denn in ihren Büchern ist ja all das noch enthalten. Diese Zerrissenheit und dass sie weder das eine noch das andere war, sie war all dies gleichzeitig: sie war eine sehr starke Frau, aber wie jeder Mensch hatte sie ihre Schwächen, ihre Zweifel, ihre Ängste und ihren Schwindel – auch im Hinblick auf das Leben.“

Keine Blöße gab sich Ronald Zehrfeld, der die Rolle des Max Frisch spielt. Er stand am Rande des Film-
drehs dann doch nicht für Interviews zur Verfügung. Zehrfeld ist ein Schauspieler, der neben Rollen in zahlreichen deutschen Abendserien etwa auch schon den engen Vertrauten von Fritz Bauer in Lars Kraumes Der Staat gegen Fritz Bauer (2015) gespielt hat. An der Seite des beleibten Berliner Schauspielers, den Peter Zadek für das Deutsche Theater entdeckte, wirken Luna Wedler in der Rolle der Marianne Oellers wie auch Vicky Krieps als Bachmann zerbrechlich. Der Luxemburger Tausendsassa Marc Limpach spielt die Rolle des Tankred Dorst.

Die aufwändigen Kostüme wurden von Uli Simon gefertigt. Auch modisch habe Bachmann Akzente gesetzt. „Sie hat ihren eigenen Stil gehabt, und das haben wir auch versucht, mit ihrem Kostüm-Bild, dass sie so einen kleinen Twist hat. Sie ist ihrer Zeit voraus. Es passt nicht immer alles perfekt. Sie hatte gern dicke Ketten an ... und sie wollte ja frei sein. Das haben wir versucht, umzusetzen.“

Beruhigend ist, dass Bachmanns Tod offenbar nicht filmisch ausgeschlachtet wird: „Jeder kennt Ingeborg Bachmanns tragisches Ende. Das wollte ich nicht erzählen, sondern vielmehr, dass es davor diesen Moment der Hoffnung gab“, verriet von Trotta dem österreichischen Filminstitut. André Mergenthaler wird den musikalischen Rahmen setzen. Im besten Fall wird Bachmann & Frisch die Zuschauer/innen also dazu einladen, das Werk Bachmanns zu entdecken und auch zu lesen.

Bis zur Berlinale werde es knapp mit der Fertigstellung, so Minck, deshalb würden sie eher die Filmfestspiele in Venedig 2023 anpeilen. Dort habe Margarethe von Trotta den Goldenen Löwen gewonnen (1981 als erste Regisseurin für Die bleierne Zeit), dort habe sie gelebt, alle ihre Italien-Filme seien dort gezeigt worden.

Anina Valle Thiele
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