Mehrjährige Infrastrukturprojekte

Immer weiterbauen

d'Lëtzebuerger Land du 23.10.2008

Als im April 2006 die Tripartite zur Behebung des Haushaltsdefizits im Zentralstaat ihre abschließenden Entscheidungen veröffentlichte, hieß es auch: „La progression programmée du montant des dépenses d’inves­tissement sera revue. Leur part relative en termes de pourcentage du PIB sera abaissée.“

Zweieinhalb Jahre später stellten Finanzminister Jean-Claude Juncker und Budgetminister Luc Frieden den Staatshaushaltsentwurf 2009 wortreich als „ungewöhnlich“ und besonders „mutig“ auch deshalb vor, weil die Investitionsausgaben des Staates auf fast 1,8 Milliarden Euro steigen und sich damit gegenüber 2001 nahezu verdoppeln sollen. 

Heißt das, der Tripartite-Beschluss von 2006 ist hinfällig? Nicht wirklich. „Wir haben ja damals keinen Baustopp verhängt“, sagt Bautenminister Claude Wiseler (CSV). „Wir wollten das Wachs­tum der Ausgaben nicht explodieren lassen.“ Für 2009 habe man entschieden, „ein leichtes Wachstum zu halten“. Kontinuität also – schon das sei „voluntaristisch“, findet der Minister. „Einen Teil“ der 2006 vorläufig zurückgestellten Projekte versuche man, wieder in die Mehrjahresplanungen zu nehmen: den Ausbau der Autobahn A6/A3 zwischen Capellen und Bettemburg auf zweimal drei Spuren zum Beispiel.

In der Baubranche werden die Zeichen weniger optimistisch gedeutet. Das Groupement des entrepreneurs rechnet, sagt Generalsekretär Paul Faber, mit einem „ziemlich mageren  Jahr 2009“. Im Hochbau gebe es  „ein paar Projekte für Schulen und für Sozialbauten“. Sorgen mache der Tiefbau: „Da wird nächstes Jahr nichts Neues ausgeschrieben.“ Und ganz allgemein findet Faber, der Bautenminister kündige viel an, setze aber wenig um. „Die meisten Projekte hatte Vorgängerin Erna Hennicot noch auf den Weg gebracht.“

Ganz falsch mit seiner Einschätzung kann der Bauunternehmerverband nicht liegen. Gestern hieß die Abgeordnetenkammer die aktuelle Liste von Vorprojekten des Bauten- und des Transportministeriums gut, die nach einer vor zwei Jahren abgeänderten Prozedur grünes Licht vom Parlament benötigen, ehe sie zum Gesetzentwurf ausformuliert werden. Manche Hochbauprojekte sind planerisch noch in einem Frühstadium – etwa der Ausbau der Eisenbahn-Rotunden hinter dem Bahnhof von Luxemburg-Stadt oder der Gefängnisneubau in Sassenheim.

Unter den Straßenbauprojekten finden sich Umgehungsstraßen für die Nord-Gemeinden Hosingen und Hei­nerscheid, der Ausbau der B7 zwischen dem Viadukt von Colmar-Berg und Ettelbrück auf zweimal zwei Spuren, sowie der Ausbau der Escher Autobahn zwischen Ehleringen und Foetz und der Ausbau zweier Abfahrten auf der A13. Doch nur für die Autobahnprojekte gibt es bisher ein Timing, und die Bauten werden nicht vor 2011/2012 beginnen.Aber mit der Nordstrooss und der Verbindung nach Micheville hat der Staat zwei Straßenbau-Großprojekte in Arbeit, die bereits einen erheblichen Teil der Mittel binden. Die 100-Millionen-Euro-Anleihe zum Beispiel, die für das kommende Jahr für den Straßenbaufonds vorgesehen ist, wird bereits aufgezehrt durch die laufenden Ausgaben für die Nordstrooss (46,4 Millionen) und die Straße nach Micheville (55,2 Millionen), und ohne die Anleihe blieben im Fonds Ende 2009 nur neun Millionen. Ab 2010 sollen in die Nordautobahn weitere 257 Millionen Euro fließen, ins Projekt Micheville 147 Millionen. Dafür sind neue Anleihen geplant.

Noch teurer, viel teurer sogar, kommen die Schienenverkehrsprojekte zu stehen, und damit sind die Rückstände im Tiefbau letztlich Resultat   von Prioritäten. Soll der Straßenbaufonds nächstes Jahr 150 Millionen Euro ausgeben und sind für die drei Jahre danach zwischen 205 und 247 Millionen vorgesehen, sollen es aus dem Schienenbaufonds im kommenden Jahr bis zu 450 Millionen sein – und 2010 bis 2012 zwischen 468 und 737 Millionen Euro. Insgesamt würden bis dahin über zwei Milliarden für die Eisenbahninfrastruktur zur Verfügung gestellt. Wahrscheinlich ist das so viel Geld, dass schon die Bahnprojekte in der Haushaltsplanung diese, rein nach Zahlen, als Keynesianismus missverstehen lassen können. Dabei reichen die Mittel im Schienenbaufonds trotz geplanter zwei Milliarden voraussichtlich nicht aus, um sämtliche Projekte, die in den nächsten Jahren realisiert werden müssten, auch zu realisieren. „Wir decken den Ausbau der Petinger Strecke ab, den Anschluss von Kirchberg und Flughafen sowie den von Belval, und auch den Neubau des Wartungszentrums“, sagt Jean-Marie Franziskus, Direktor für Infrastrukturen bei den CFL. 

Aber schon bei der Finanzierung der Peripheriebahnhöfe Kirchberg, Cessingen und Howald seien „Probleme“ möglich, und auch bei der Verbesserung der Bahnlinie nach Arlon als Luxemburger Beitrag zum Projekt Eurocaprail, das die Fahrzeit nach Brüssel senken soll. Gar nicht zu reden von den beiden Neubaustrecken nach Bettemburg und Esch/Alzette, für die der Transportminister und die CFL-Direktion vergangene Woche die Planungsunterlagen öffentlich auslegten. Insgesamt, schätzt Franziskus, könnten im Schienenbaufonds ab 2012 noch einmal zwei Milliarden Euro nötig sein.

Wenn der Transport- und der Bautenminister gemeinsam mit Landesplanungsminister Jean-Marie Halsdorf (CSV) am 28. Oktober den Entwurf zum sektoriellen Plan für Transport-infrastrukturen vorlegen werden, werden die längerfristigen Prioritäten klarer. Wahrscheinlich lässt sich dann eher sagen, wie begründet Befürchtungen sind, dass im Straßenbau-verwöhnten Luxemburg die Auftragslage im Tiefbau ernsthaft einbricht. Die Betriebe haben un­terdessen schon reagiert: Einige der größeren hätten, sagt Paul Faber, Niederlassungen in den Nachbarländern eröffnet, um im Fall der Fälle bei Ausschreibungen in der Großregion mitbieten zu können.

Noch nicht abzusehen ist die Zukunft des von der Regierung ab 2005 eine Zeitlang als Vitaminspritze für Bauprojekte so gepriesene Public-Private Partnership. Nach wie vor sind der Bau des Neie Lycée und des Lyzeums für Sozialberufe in Mersch auf dem ehemaligen Cepal-Gelände die beiden einzigen PPP-Projekte, und nach wie vor haben sie Pilotcharakter. Noch immer steht der Generalauftragnehmer für den Bau nicht fest, und Bautenminister Claude Wiseler gibt „ganz ehrlich“ zu, dass sich erst noch herausstellen muss, ob die lange Verhandlungszeit mit potenziellen Auftragnehmern denn wirklich wettgemacht werden wird durch eine wesentlich kürzere Bauzeit. Ehe die beiden Pilot-PPP realisiert sind, werde es keine neu­en Projekte geben, betont Wiseler. Es seien bislang auch keine weiteren diskutiert worden.

Aber wenn Public-Private Partnerships am Ende nicht halten, was man sich von ihnen versprach, könnte sich für den Staat die Finanzierungsfrage sei­ner Bauprojekte noch schärfer stellen. Man müsse sich schon „etwas ein­fallen lassen“, um den Bau der Bahnstrecken nach Bettemburg und Esch zu bezahlen, sagte Lucien Lux vor einer Woche und meldete „Skepsis“ gegenüber PPP an. Was jedoch auch damit zu tun haben dürfte, dass nach Abschluss eines Public-Private Partnership unweigerlich die Besitzerfrage auf den Tisch kommt. Und pri­vate Schienenwege bauen zu lassen, die der Staat später mietet, wäre ein viel größerer Paradigmenwechsel als mehr Geld in den Fonds für Schienen- als in den für Straßenbau zu überweisen. 

Peter Feist
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