Noch gibt es keine Anzeichen für Corona-Hotspots in den Schulen.
Damit das so bleibt, muss Bildungsminister Meisch jetzt präventiv handeln

Perfekte zweite Welle

Lehrer-gewerk-schaften fordern eine allgemeine Maskenpflicht
Photo: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land du 30.10.2020

Stoppt die Märchenstunde!, lautete der wütende Appell der Lehrergewerkschaft Feduse/CGFP am Sonntag an Erziehungsminister Claude Meisch (DP), er solle endlich eine Maskenpflicht an allen Schulen einführen und über „alternative Unterichtsmodelle“ nachdenken. Das war ein Tag, nachdem die Regierung angekündigt hatte, angesichts inzwischen exponentiell steigender Neuinfektionen eine Ausgangssperre zu verhängen. Claude Meisch versicherte tags darauf, die Lage an den Schulen sei unter Kontrolle, es bräuchte keine zusätzlichen Schutzmaßnahmen. Eine Woche zuvor hatte die Grundschullehrergewerkschaft SNE Alarm geschlagen und von „zwölf Prozent Kontaminationen“ im Schulbereich gesprochen, die Schule sei nach dem Familienumfeld die „zweihäufigste Kontaminationsursache“.

Am Montag lieferte der Minister Zahlen, die seiner Meinung nach einer vorsichtigen Herangehensweise recht geben: 290 Schüler seien zwischen dem 17. und dem 23. Oktober positiv auf das Sars-CoV-2 Virus getestet worden, hätten sich aber nicht in der Schule angesteckt. 25 Grundschulklassen und 36 Klassen der Sekundarstufe seien in Quarantäne gesetzt worden. Im selben Zeitraum seien keine neuen Infektionsketten in den Schulen aufgetaucht, betonte der Minister. Die Covid-Koordinationszelle mit 25 Beamten des Erziehungsministeriums und weiteren aus dem Gesundheitsministerium würde jeden Fall einzeln prüfen, beteuerte Meisch gegenüber RTL.

Quarantänebedingte Schließung Die Lage an den Schulen ist gleichwohl angespannt. Von Montag bis Mittwoch hatte die Handelsschule ECG wegen einer positiv getesteten Verwaltungskraft vorübergehend den Betrieb ein- und auf Distanzunterricht umgestellt. Lehrer, die im Büro passiert waren, wurden in Quarantäne, Schüler nachhause geschickt. Dies, so unterstrich der Erste Regierungsrat Lex Folscheid gegenüber Radio 100,7, nicht aus sanitären Gründen, sondern aus organisatorischen: Die ECG hatte nicht genügend Personal, um den Stundenausfall aufzufangen. Mittlerweile wurden alle Lehrer negativ getestet. Aber auch andere Schulen stoßen ans Limit, weil sich mehrere Lehrkräfte in Quarantäne oder Isolation befinden. Um den quarantäne- oder isolationsbedingten Stundenausfall aufzufangen, verabschiedete die DP-LSAP-Grüne-Regierung am Mittwoch ein Gesetz, das eine beschleunigte Rekrutierung von Ersatzlehrern und Aufsichtspersonal ohne Stage ermöglichen soll.

Bis Redaktionsschluss blieb es jedoch dabei: Wohl sollen Schulen Anpassungen beim Essen in der Kantine vornehmen, die vergleichbar mit denen im Hotel- und Gaststättengewerbe sind. Künftig dürfen nicht mehr zehn, sondern nur noch vier Personen an einem Tisch sitzen, bei insgesamt 100 maximal. Im Fach Sport sollen nur Gruppen bis zu vier Personen ohne Maske zusammen turnen. Eine Maskenpflicht für alle Schulen aber lehnt Meisch weiterhin ab, die Entscheidung dafür oder dagegen überlässt er den Direktionen.

Keine allgemeine Maskenpflicht Meisch wäre nicht Meisch, würde er nicht ganz genau seine Worte abwägen. Man kann dem Minister manches vorwerfen, aber selten, dass er nicht weiß, was er redet: Der gelernte Mathematiker ist stets über die neusten Zahlen informiert. So konnte er den Einwurf der RTL-Nachrichtensprecherin parieren, die Zahlen der Neuinfektionen in der jüngsten Altersgruppe seien am höchsten: Zwar steigen die Infektionen in allen Altersgruppen, aber die Gruppe der Null- bis 20-Jährigen macht gleichbleibend rund 20 Prozent der Neuinfizierten aus. Wahr ist aber auch, dass sich die Infektionszahlen in der Schule binnen zwei Wochen mehr als verdoppelt haben; das reicht als Nachweis für einen exponentiellen Kurvenverlauf (bisher) nicht aus. Bloß: Wie lange geht das noch gut?

Worauf der Minister nicht eingeht, ist ein Widerspruch in seiner eigenen Argumentation: In der Wochenübersicht steht zwar, dass zwischen 18. und 23. Oktober keine neuen Infektionsketten gemeldet wurden; es gab 81 Fälle, bei denen der Ansteckungsweg nicht eindeutig bestimmt werden konnte, aber angenommen wird, dass die Quelle außerhalb der Schule liege. Bei rund einem Drittel der positiv Getesteten ist demnach nicht geklärt, wo sie sich angesteckt haben.

Das deckt sich mit der Aussage von Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP), die am Montagabend auf einer dringlich einberufenen Pressekonferenz erneut unterstrich, bei rund der Hälfte der Fälle lasse sich der Übertragungsweg nicht mehr eindeutig klären. Mit dem Widerspruch konfrontiert, weicht Meisch, der Lenerts Pressekonferenz mit einem Interview im RTL-Journal zuvorkam (was erneut kein gutes Bild über die Abstimmung und Kommunikation beider Ministerien abgibt), aus: Ihmzufolge arbeiten die Beamten in der Koordinationszelle eben besonders effizient. Diese Argumentation weckt Erinnerungen: Im Sommer hatte Meisch mit Gesundheitsministerin Lenert öffentlich per Kommunikee über die Definitionen von „Cluster“ und „Infektionsherd“ im schulischen Kontext gestritten.

Offiziell zwei Infektionsketten Infektionsketten sind mehrere zusammenhängende Covid-19-positive Fälle. Eine Schülerin oder ein Lehrer muss nachweislich mehrere Schüler oder Kollegen mit dem Virus angesteckt haben. Das gab es laut Bildungsministeriums seit der Rentrée nur zweimal, mit einem Total von acht Personen. Um das mit Bestimmtheit sagen zu können, müssen Tracing-Verantwortliche genau ermitteln, wo sich die Person angesteckt hat und ob und wie sie das Virus weitergereicht hat. Das Unterfangen wird erschwert, weil wegen der Inkubationszeit Ansteckungen mit einigen Tagen Verspätung auftreten: Dem Land wurde von Fällen berichtet, wonach in einer Klasse zunächst ein Kind Covid-19 positiv getestet wurde, knapp eine Woche darauf das nächste und dann noch eins.

Direktionen, die dem Ministerium Fälle melden, haben selten Informationen über den konkreten Übertragungsweg. Es obliegt den Kräften des Contact-Tracing dem nachzugehen. Eine Covid-19-positive Schülerin kann einen Mitschüler im Unterricht angesteckt haben; er könnte sich das Virus aber auch auf dem Pausenhof, im Verein, im Bus oder in der Maison relais eingefangen haben. Weil im ministeriellen Bericht Angaben zu Cluster-Bildungen, nach Schulen und Klassen aufgeschlüsselt, fehlen, ist es für Außenstehende schwierig, sich ein Bild zu machen: Die Wochenübersicht enthält lediglich absolute Zahlen und nur die allernötigsten. Die Positiv-Fälle aus den Maisons relais und Crèches fehlen, ebenso Angaben darüber, wie viele Schüler und Lehrer im jeweiligen Zeitraum insgesamt getestet wurden. Land-Informationen nach wurden seit der Rentrée 35 Kinder und 102 Erwachsene aus Betreuungseinrichtungen positiv auf das Virus getestet.

Lückenhafte Infos Um mögliche Superspreader zu entdecken, zählt jede Information. Virologen gehen davon aus, dass Erwachsene das Virus häufiger übertragen als Kinder. Die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts vom 12. Oktober zu Präventionsmaßnahmen in den Schulen halten fest, dass „Kinder und jüngere Jugendliche seltener betroffen sind als Erwachsene und nicht Treiber der Pandemie“ seien. Das deckt sich mit Beobachtungen von Gesundheits- und Erziehungsministerium mit Forschern der Research Taskforce, die im August veröffentlicht wurden.

Um eine Kette zu konstatieren, müsste ein Covid-19-Positiver zweifelsfrei mehrere, Meisch spricht von „drei bis fünf“, weitere Personen in der Schule angesteckt haben. Vier Positive in ein- und derselben Klasse reichen nicht aus. Ist ein Fall nicht eindeutig zuzuordnen, landet er in der Kategorie 2. Hier kommen zwei weitere Faktoren ins Spiel: Um die Ansteckungsweise präzise zu bestimmen, benötigt das Tracing-Team ausreichend Ressourcen. Die Gesundheitsministerin hat inzwischen eingeräumt, dass die Tracing-Kapazitäten an Grenzen stoßen; inzwischen werden Mitarbeiter von Luxair und vom Militär rekrutiert, um die Engpässe aufzufangen.

Eltern und Lehrern zufolge gestaltet sich die Kommunikation rund um die Spurensuche und Quarantänemaßnahmen zudem alles andere als einfach und kohärent, im Gegenteil: Zwar haben die meisten Schulen eine Covid-Zelle, die bei einem Covid-Verdachtsfall Daten dazu sammelt, mit welchen anderen Menschen diese Person in Kontakt gekommen ist. Oft sind es Lehrbeauftragte oder Erzieher aus dem schulpsychologischen Dienst, die diese Aufgabe zusätzlich zu ihrer eigentlichen Arbeit übernehmen. „Unsere Leute machen derzeit nicht anderes mehr“, sagt Jean-Paul Lenertz, Direktor des Lycée technique du Centre, und seine Schule ist nicht die einzige. Alle Daten werden in einer Excel-Tabelle zentral erfasst und an die Schul- oder Regionaldirektion weitergegeben, die wiederum die Informationen ans Gesundheitsministerium weiterreicht.

Der Minister beteuert unverdrossen, das System funktioniere gut, doch Eltern und Lehrer berichten von um mehrere Tage verspäteten Testergebnissen und gravierenden Lücken im Kommunikationsablauf. Ein Vater eines Kindes, in dessen Klasse in Esch ein Mitschüler positiv getestet wurde, informierte die Maison relais; sein Sohn war derweil in Quarantäne. Doch das Attest für einen Covid-Test erhielt er nie. Eine Mutter, deren Tochter in einer Klasse war, wo ein Schüler positiv getestet und deshalb in Quarantäne geschickt worden war, wartete drei Tage auf das Ergebnis und musste die Betreuung selbst organisieren.

Fehler tauchen offenbar vor allem da auf, wo andere Zuständigkeiten greifen, etwa zwischen der Schule und der außerschulischen Betreuung im Rahmen der Maisons relais. Die Regionaldirek-tion Differdingen sucht deshalb verstärkt das Gespräch mit den Trägern: „Wir haben Glück, denn wir haben einen einzigen Träger, die Gemeinde. Das ist in anderen Bezirken anders“, sagt Regionaldirektor Marc Bodson. Um Reibungs- und Zeitverluste zu vermeiden, schlägt er vor, die Regionaldirektionen mögen Attests zum Testen an die Eltern nachhause schicken; das ist bisher der Gesundheitsbehörde vorbehalten.

Kinder meist asymptomatisch Es gibt ein anderes grundsätzliches Problem: Viele Kinder, die Covid positiv sind, zeigen kaum bis gar keine Symptome. Ihre Ansteckung fällt nur auf, wenn andere um sie herum krank werden oder sie im Rahmen eines Tests entdeckt werden. Bleibt der aus, können sie, quasi unterm Radar, zumindest eine Zeit lang das Virus weitergeben. Minister Claude Meisch zufolge fallen solche Fälle spätestens eine Woche darauf auf. Das ist aber gar nicht so sicher.

Wie hoch die Dunkelziffer unentdeckter Covid-19-Positiver ist, weiß derzeit niemand. Das ließe sich durch verstärktes gezieltes Testen ermitteln, doch wer sich in den sozialen Netzwerken umhört, findet viele Lehrer und Schüler, die berichten, im Gegensatz zum Schulstart, als sie zu Gratistests aufgefordert wurden, seitdem keine solchen Einladungen zum Testen mehr bekommen zu haben. Minister Mensch sagte, gezieltes Large-Scale-Testing sei da sinnvoll, wo das Virus präsent sein; das sei in der Schule aber nicht der Fall. So beißt sich die Katze in den Schwanz.

Diese Argumentation dreht sich nicht nur im Kreis, sie widerspricht zudem dem Präventionsgedanken: Zwar gibt es Grund zur Annahme, dass die Schutzmaßnahmen in der Schule besser sind und strenger überwacht werden, als in der Freizeit. Das ist aber keine Garantie dafür, dass Schulen per se von einem exponentiell wachsenden Infektionsgeschehen verschont bleiben. Der Minister weiß das: „Ich weiß auch, dass es nicht so bleiben wird“, sagte er im RTL-Journal. Antizipieren heißt genau das: auf die Bremse treten, riskante Situationen in der Schule verringern und die Teststrategie anzupassen, damit Infektionsketten frühzeitig entdeckt und unterbrochen werden und so ein exponentieller Kurvenverlauf doch noch verhindert wird.

Das wünschen sich jedenfalls Lehrer und Direktionen, mit denen das Land gesprochen hat. „Mehr zu testen, könnte die Gemüter beruhigen“, sagt Marc Bodson. Sofern es nicht zu mehr entdeckten Fällen in den Schulen führt. Dasselbe gilt übrigens für eine freiwillige Tracing-App zur Kontaktverfolgung, gegen deren Einführung sich die Regierung weiterhin sperrt. Abgesehen von Datenschutzproblemen, könnte sie helfen, ein besseres Bild über die Verbreitung des Virus zu geben.

Fighting a pandemic requires trust“, schrieb das Politik-Magazin Foreign Affairs kürzlich und der CSV-Politiker Claude Wiseler stieß Anfang der Woche ins selbe Horn. Seine Partei hinterlegte am Mittwoch eine Motion mit 13 konkreten Maßnahmen, um die Virusverbreitung in den Schulen einzudämmen, darunter eine obligatorische Maskenpflicht, aber auch regelmäßiges Fiebermessen am Schuleingang, die Verringerung der Schülerzahlen durch A- und B-Gruppen und verstärkten Einsatz von Homeschooling.

Schwindendes Vertrauen Minister Meisch aber spielt auf Zeit und läuft so Gefahr, Vertrauen zu verspielen und das der Gesundheitsministerin gleich mit. Immer mehr Lehrer und Schüler sind tief verunsichert und erleben das Infektionsgeschehen und die Kommunikation vor Ort diametral anders als der Minister und seine Beamten mit ihren Beschwichtigungen. Die Kritik am Krisenmanagement in den Schulen wächst: Erst der Brandbrief der Feduse, am Mittwoch erneuerte das SEW/OGBL seine Forderungen, die Zahl der Schüler in den Schulen durch alternative Unterrichtsmodelle zu verringern. Das ist nur die Spitze eines wachsenden Unverständnisses, das seit Tagen durch die sozialen Netzwerke wabert.

Denn wenngleich Claude Meisch stoisch seinen Kurs fährt, deutet er in Nebensätzen immer wieder an, dass er durchaus um die Volatilität des Infektionsgeschehens weiß. Gesundheitsministerin Paulette Lenert hatte anhand von vergangenen Infektionszahlen demonstriert, wie schnell sich das Krisenszenario zuspitzen kann. – genau das ist die bittere Lektion, die gerade Länder überall in Europa lernen.
„Wir sagen ja nicht, dass eine Infektion unmöglich ist“, hatte Meisch im Journal eingeräumt. Um kurz darauf mit demselben Selbstbewusstsein zu behaupten, es lägen keine Indikationen vor, dass sich Schüler in Bussen ansteckten. Er will mit einer Analyse klären, ob dem so ist.

Wer einmal in einem solchen Bus mitgefahren ist, kann angesichts solcher Behauptungen nur den Kopf schütteln: Schüler sitzen dort oft länger als 20 Minuten zusammengepfercht, oft ist die Maske verrutscht, wenn sie überhaupt auf Mund und Nase und nicht am Kinn getragen wird. Ständig steigen Leute ein und aus. Dass die Enge in den Verkehrsmitteln ein Einfallstor für das Virus sein könnte, vermuten Schulleitungen seit langem und das hält auch der Wissenschaftler Alexander Skupin von der Taskforce Research nicht für ausgeschlossen. Die Taktung der Busse und Züge zu erhöhen oder die Zahl der Schüler zu reduzieren, lehnt Meisch aber ebenso ab, wie die Allerheiligen-Ferien zu verlängern.

Auf eigenes Risiko Schulen bereiten sich derweil unter Hochdruck vor, um dem coronabedingten Lehrer- und Schülerausfall zu begegnen – dann eben in Eigeninitiative. Einigen war die Entscheidungsfreiheit von Anfang an nicht geheuer und sie hatten direkt zu Schulbeginn auf eine Maskenpflicht gesetzt, einzige Ausnahme waren die Prüfungen. Jetzt gehen einige Lyzeen wie das Lycée Aline Mayrisch dazu über, auch da einen Mund- und Nase-Schutz vorzuschreiben.

Lehrer lüften mehrmals am Tag, oft zweimal in einer Unterrichtsstunde. Manche haben CO2-Ampeln im Klassensaal aufgestellt, die anzeigen, wenn ein bestimmter Kohlenstoffdioxid-Wert erreicht wird und gelüftet werden muss. Die Angst vor einer Übertragung über die Atemluft ist nicht unbegründet: In Florida fanden Forscher in Aerosolen Sars-CoV-2-Viren, die sich vermehren können. Sie untersuchten dafür in einem Abstand von zwei und fünf Metern die Luft im Krankenhauszimmer zweier Covid-19-Patienten und konnten Sars-CoV-2 isolieren. Dies führten sie einer Zellkultur zu, worauf das Virus lebende Zellen infizierte und sich vermehrte. Ein Beweis, dass die Six-Feet-Regel ohne Maske, der Sicherheitsabstand von zwei Metern, nicht Schutz genug vor einer Infektion ist.

Marcel Kramer, Direktor am Diekircher Lyzeum, überlegt deshalb, außerschulische Aktivitäten auszusetzen: „Wir brauchen jede Person und wollen unsere Kräfte so bündeln, dass der Hauptunterricht gewährleistet werden kann“, sagte er dem Land. Kramer, der im Rahmen eines Statistikprojekts intensiv das Infektionsgeschehen analysiert, macht sich auf das Schlimmste gefasst: Seine Team spielt Szenarien durch, wie Schüler einer Jahrgangsstufe tageweise in der Schule und an anderen Tagen zuhause unterrichtet werden. Von A- und B-Gruppen hält er wegen der Doppelbelastung nicht viel. Kramer

schlägt überdies vor, einen landesweit gültigen Schwellenwert festzulegen, etwa die Schülerzahlen in den Schulen um 20 Prozent zu reduzieren: „So kann man die lokalen Gegebenheiten einer Schule berücksichtigen, trotzdem die Schülerzahlen senken und den Lauf der Infektionen bremsen“, meint er.

Nahezu alle Schulen haben ihre Online-Plattformen verstärkt, sollte der Lehrermangel nach den Ferien anhalten und Schulen doch stärker auf das Homeschooling zurückgreifen müssen. Lehrergewerkschaften sprechen empört von „delegierter Verantwortung“. Eine Direktion erzählte dem Land, dass aufgrund der Covid-Krisenkommunikation „kein Wochenende ohne Notanrufe vergeht“. Von einem normalen Schulalltag kann keine Rede mehr sein. Lehrer wechseln sich ab, wenn wieder ein Kollege in Quarantäne muss, Krisensitzung folgt auf Krisensitzung und Lehrer und Direktionen grübeln gemeinsam, wie sie den Unterrichtsausfall eindämmen können.

Einen kompletten Lockdown auch der Schulen, das scheint, von vereinzelten Rufen abgesehen, der allgemeine Konsens zu sein, will von den Schulakteuren niemand. Schon wegen der sich immer weiter öffnenden Schere in punkto Bildungsgerechtigkeit. Aber auch weil der digitale Fernunterricht den direkten Kontakt zwischen Lehrer und Schüler nicht ersetzt und zudem mit viel Mühe und Unwägbarkeiten versehen ist. Immerhin in dem Punkt sind sich Schulen, Gewerkschaften und Ministerium einig.

Ines Kurschat
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